Die neue Regierung und ihr Pakt gegen die Freiheit

Inzwischen wird nicht nur in den Kreisen der üblichen Verdächtigen beklagt, wie freiheitsfeindlich etliche Passagen des Koalitionsvertrags von Union und SPD sind. Selbst international wird der autoritäre Geist der nächsten Bundesregierung wahrgenommen.

Endlich wird auch außerhalb der freien, alternativen Medien die Freiheitsfeindlichkeit der Koalitionsvereinbarung von Union und SPD diskutiert. Sogar der renommierte „Economist“ weist auf die seit Jahren stattfindende schrittweise Abschaffung der Meinungsfreiheit in Deutschland hin. Durch die schwarz-roten Koalitionäre soll dieser Prozess nun verstärkt und sowohl institutionell als auch durch ein Gesetz verankert werden. Im Koalitionspapier finden sich die entsprechenden Passagen unter der Überschrift „Kultur und Medien“.

Es fängt harmlos damit an, dass Kunstfreiheit bedeutet, dass es keine inhaltlichen Vorgaben des Staates geben dürfe. Dann kommt die Einschränkung, dass antisemitische, rassistische und menschenverachtende Projekte nicht gefördert würden. Man darf gespannt sein, ob künftig antisemitische Werke, wie sie auf der Kasseler documenta mehrmals zu besichtigen waren, ausbleiben. Denn: „Alle Programme werden fortgeführt“, einschließlich der Green Culture Anlaufstelle, die lediglich überprüft und, wenn notwendig, „weiterentwickelt“ werden soll.

Dann kommt es unter der Zwischenüberschrift „Medienvielfalt stärken und Meinungsfreiheit sichern“ knüppeldick: „Unabhängige und vielfältige Medien sichern eine freie öffentliche Debatte“, beginnt der Abschnitt, in dem gefordert wird: „Wir prüfen die Einführung einer Abgabe für Online-Plattformen, die Medieninhalte nutzen.“ Gemeint sind hier wohl die freien Medien, die sich kritisch mit Veröffentlichungen ihrer Mainstream-Kollegen auseinandersetzen. Angeblich sollen die Einnahmen durch diese Abgabe dann wieder den Medien zugutekommen. 

Wird der Wahlkampf verboten?

Und dann heißt es im Abschnitt „Umgang mit Desinformationen“:

„Gezielte Einflussnahme auf Wahlen sowie inzwischen alltägliche Desinformation und Fake News sind eine ernste Bedrohung für unsere Demokratie, ihre Institutionen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen ist durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt.“

Zur gezielten Einflussnahme auf Wahlen gehört der Wahlkampf. Im letzten fiel Wahlkämpfer Merz durch die Beteuerung auf, einen Politikwechsel anzustreben. Es gab ein Punkteprogramm, was eine Regierung Merz alles umsetzen wolle. Sofort nach der Wahl wurden diese Zusagen kassiert, weil die Wähler Merz nicht mit der absoluten Mehrheit ausgestattet hätten. Seitdem nutzt Merz jede Gelegenheit, um von seinen Versprechen abzurücken.

Handelte es sich also um „alltägliche Desinformation“, um sich die Kanzlerschaft mit Hilfe von „Fake News“ zu sichern? Das wäre tatsächlich eine bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen. Will sich unser Möchtegern-Kanzler also dem Kadi anempfehlen? Natürlich nicht, denn für alle, die auf diesen Widerspruch hinweisen, gilt schon § 188, der noch verschärft werden soll. Darin heißt es: „Die gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung ist eine Straftat.“ Nun soll es weitere klare gesetzliche Vorgaben gegen Informationsmanipulation sowie "Hass und Hetze" geben.

Wer darauf hinweist, dass „Hass und Hetze“ im „Heimtückegesetz“ der Nazis von Dezember 1934 zum Straftatbestand erklärt wurden, in einer Demokratie aber unter der Strafbarkeitsgrenze liegen und vom Verfassungsgericht der Meinungsfreiheit zugerechnet werden, ist vor Hausdurchsuchungen am frühen Morgen schon jetzt nicht mehr sicher.
„Systematisch eingesetzte manipulative Verbreitungstechniken wie der massenhafte und koordinierte Einsatz von Bots und Fake Accounts müssen verboten werden. Wir werden durchsetzen, dass Online-Plattformen ihren Pflichten hinsichtlich Transparenz und Mitwirkung gegenüber der Aufsicht nachkommen, sowie eine verschärfte Haftung für Inhalte prüfen … Der Digital Services Act (DSA) muss stringent umgesetzt und weiterentwickelt werden, systemisches Versagen muss in einem abgestimmten Verfahren mit der EU-Kommission Konsequenzen haben.“

Ein Fall für Faktenfinder

Dieser Angriff auf die Meinungsfreiheit ist so offensichtlich und massiv, dass die Faktenfinder der ARD sich gezwungen sahen, einzugreifen. Schließlich ist die Koalitionsvereinbarung noch nicht unterzeichnet. Die Koalitionsvereinbarung sei „nichts Neues“, da das Bundesverfassungsgericht von 2012 urteilte, dass „die erwiesene oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptung nicht vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst wird“. Allerdings vergessen sie, auf den nächsten Satz hinzuweisen, dass wahre Tatsachenbehauptungen hingenommen werden müssen. Die Faktenfinder geben auch keinen Grund an, warum eine solche Festlegung im Koalitionspapier steht, wenn es nichts Neues ist. Wer soll übrigens festlegen, was wahr und was falsch ist? Es wäre interessant zu wissen, wie die Faktenfinder die Äußerungen von Merz vor und nach den Wahlen bewerten. Sie schließen einander aus – was davon ist die Desinformation?

Aber die Freiheitsfeindlichkeit der Möchtegern-Koalitionäre findet sich auch an anderer Stelle, wo sie meines Erachtens bisher unbeachtet geblieben ist.

Im letzten Abschnitt, wo von der künftigen Koalitionsarbeit die Rede ist, findet sich die Entmachtung des Parlaments zu einem Kopfnick-Gremium. Wechselnde Mehrheiten werden ausgeschlossen, ausdrücklich auch bei Fragen, die nicht Gegenstand der Koalitionsvereinbarung sind.

Selbstfesselung des Parlaments

Künftig wird es im Parlament nur noch einvernehmliche Anträge, Gesetzesinitiativen und Anfragen auf Fraktionsebene geben. Damit ist die Gefahr gebannt, dass die Union ihre über 500 Fragen zur Finanzierung von sogenannten NGOs und der Rolle von Politikergattinnen, Politiker-Lebensgefährten und Politikertöchtern oder -söhnen wieder aufs Tapet bringt.

Die Geschäftsordnung des Bundestages soll „reformiert“ werden, um die Verwaltung von „parlamentsfremden Aufgaben“ zu entlasten. Ist damit etwa der „Wissenschaftliche Dienst“ des Bundestages gemeint, der immer mal wieder durch kritische Gutachten zu politischen Entscheidungen auffiel?

Im Kabinett darf kein Koalitionspartner überstimmt werden. Das ist die perfekte Selbstfesselung durch die Wiedergeburt der Volkskammer-Praktiken der untergegangenen DDR. Der Bundestag wird ja augenblicklich an der Arbeit gehindert, damit es keine Debatten über die Vereinbarungen gibt. Die DDR war wenigstens so konsequent, ihre Volkskammer nur ein- bis zweimal im Jahr einzuberufen. Mehr als einen Platz im Plenum hatte der DDR-Volksvertreter nicht zur Verfügung. Brauchte er auch nicht, weil er nicht mitzuarbeiten und zu entscheiden hatte. So wie der Bundestagsabgeordnete der künftigen schwarz-roten Koalition.

Über die Koalitionsvereinbarung berichtete Achgut auch hier, hier und hier. Den Vertrag im Wortlaut finden Sie hier und eine deutsche Übersetzung des erwähnten Economist-Artikels hier.

 

Vera Lengsfeldgeboren 1952 in Thüringen ist eine Politikerin und Publizistin. Sie war Bürgerrechtlerin und Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Von 1990 bis 2005 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages zunächst bis 1996 für Bündnis 90/Die Grünen, ab 1996 für die CDU. Seitdem betätigt sie sich als freischaffende Autorin. 2008 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt.Dieser Beitrag erschien zuerst auf ihrer Seite vera lengsfeld.de

Vera Lengsfelds aktuelles Buch „Ist mir egal – Wie Angela Merkel die CDU und Deutschland ruiniert hat“, Achgut Edition, ist hier im Achgut-Shop bestellbar.

Foto: Imago/ Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Judith Panther / 23.04.2025

Da hat anscheinend jemand die kleinen Linkspinkler beim Marsch durch die Institutionen heimlich verfolgt und macht ihnen jetzt das Revier streitig.

Clemens Jäkel / 23.04.2025

Wenn es um die Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit geht, wird immer wieder die Schimäre der Machtergreifung der Nazis mithilfe der selben ins Feld geführt. Fakt ist aber, daß die NSDAP in keiner Reichstagswahl eine absolute Mehrheit erzielen konnte. Hitler brauchte die DNVP um Reichs- kanzler zu werden. Der entscheidende Faktor bei der Machtergreifung wird wohl die Zerstörung der öffentlichen Sicherheit durch SS und SA gespielt haben. Politiker der Oppositionsparteien fühlten sich zu Recht bedroht und blieben den Sitzungen fern. Heutige Politiker sollten sich deshalb mehr um die innere Sicherheit, als um “falsche” Meinungen sorgen.

Boris Kotchoubey / 23.04.2025

Eine spannende Frage ist, was als erstes passiert, die vollständige Abschaffung bürgerlicher Freiheiten oder der wirtschaftliche Niedergang. Wer kommt als erster zum Finish, die Freiheit oder die Ökonomie? Davon kann vieles abhängen.

P. Zilger / 23.04.2025

Es geht doch schon längst nicht mehr um die Gefahr durch falsche Nachrichten, sondern darum, die Herrschenden gegen unerwünschte Kritik abzuschirmen. Deutschland ähnelt immer mehr autoritären Regimen, in denen der Bürger ein Recht darauf hat, vor Falschinformation geschützt zu werden. In zwei deutschen Diktaturen konnte es auch gefährlich werden, die Wahrheit zu sagen.

Gerard Döring / 23.04.2025

Diese Koalition ist schon von der Sache her eine Fehlgeburt. Sie ist ein sicherer Hafen für gleichgesonnene, stehen bis zum Hals im Wasser und hoffen mit allen Fasern das Trump scheitert. Nur so ließe sich auf Dauer das alles fortführen. Und in der Zwischenzeit werden,wir,dank eines “Mädchens” langsam zum Albanien, Dafür sollten wir uns schämen, dafür bekommen wir nun die Rechnung. Plus rien ne marche.

Bernd Oberegger / 23.04.2025

Keine Sorge, Frau Lengsfeld. Diese Leute haben sich nur im Jahrhundert geirrt. Sie festigen ungewollt den Zusammenhalt einer modernen Volksgemeinschaft. Es ist vergleichbar mit dem Prinzip der selbsauflösenden Fäden, die wir aus der Medizin kennen.

A. Iehsenhain / 23.04.2025

Alles richtig - allerdings sitzt der “Economist” in London, also dem Land, in dem mit Starmer und seinen Freunden im Prinzip das britische Pendant zum deutschen Pendant der “Chamber of Horrors” sitzt. Stellt sich die Frage, ob die Freigeister im UK robuster als in der BRD sind oder es sich wieder um eines der vielen labyrinthischen Ablenkungsmanöver handelt, dem sich die Kontrolleure der Angst sadistisch hingeben…

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