Vera Lengsfeld / 23.04.2023 / 14:00 / Foto: Pixabay / 6 / Seite ausdrucken

„Die Katze im Käfig“

Thüringen ist das Land mit der größten Theaterdichte, doch die Finanzierung ist nicht gerade leicht. Von daher kann ich nur appellieren: Geht ins Theater, Leute! Es ist besser als jede Netflix-Serie, versprochen! Zum Beispiel in die Sondershausener Inszenierung von „Die Katze im Käfig“.

Thüringen ist das Land mit der größten Theaterdichte. Das freut den Kulturliebhaber, verursacht heutzutage aber auch Probleme, vor allem bei der Finanzierung. Der Freistaat versuchte, das zu lösen, indem er Kooperationen verfügte. An einem Theater sollten nicht mehr alle Sparten bespielt werden, sondern zwei Häuser sollten sich das untereinander aufteilen. Das Theater Nordhausen liefert seine Musikproduktionen nach Rudolstadt, dass dortige Theater bespielt die Nordhäuser Bühnen mit seinen Sprechstücken.

Nun brachte Rudolstadt das Stück „Die Katze im Käfig“ in Sondershausen zur Aufführung. Das Stück der Australierin Joanna Murray-Smith, eine bekennende Verehrerin der Queen of Crime Patricia Highsmith, handelt von den fiktiven letzten Stunden der erfolgreichen Autorin. Sie wird von ihrer Figur Tom Ripley, eine der komplexesten Möderfiguren, die je erfunden wurden, heimgesucht. Ihr Besucher führt sich als Edward ein, der angeblich von einem New Yorker Verlag in die Schweiz zum letzten Domizil von Highsmith geschickt wurde, um von ihr eine Unterschrift unter einen neuen Vertrag zu bekommen.

Was sich zwischen den beiden abspielt ist ein psychologischer Thriller. Murray-Smith geht der Frage nach, wie Highsmith zu der wurde, die sie war: Eine überaus erfolgreiche, exzentrische Einzelgängerin, deren Haus, das sie nach eigenen Vorstellungen bauen ließ, von der Straße her einem Bunker glich. Eine Frau, die von sich sagte, dass ihr Leben so langweilig gewesen sei, dass sie in ihre fantastischen literarischen Konstruktionen flüchten musste.

Mit Gestik und Mimik arbeiten

Tatsächlich war Highsmiths Leben eher anstrengend. Ihre Mutter wollte sie abtreiben, indem sie eine Flasche Terpentin trank. Ihre Eltern ließen sich scheiden, als die Mutter im fünften Monat schwanger war – Patricia waren einige ruhige, wenn nicht gar glückliche Jahre bei der Großmutter vergönnt, ehe sie ins Haus ihrer Mutter, die zum zweiten Mal verheiratet war, transferiert wurde. Patricia hasste ihren Stiefvater von Anfang an glühend. Behielt aber seinen Namen. Sie kämpfte vergebens um die Anerkennung ihrer Mutter. Noch 1970 fragt sie sich, was ihre Mutter so furchtbar an ihr fände. Schließlich stünde sie inzwischen im Personenlexikon „Who's Who“. Das alles und noch viel mehr wird zwischen Patricia (Ute Schmidt) und Edward (Jochen Ganser) auf der Bühne diskutiert.

Im Haus der Kunst fiel im ersten Akt die Tonanlage aus. Ich musste mich so sehr anstrengen, die Dialoge zu verfolgen, dass mir das Stück darüber verloren zu gehen drohte. Da dachte ich an die Worte des legendären Schauspielers Alexander Granach, der befürchtet hatte, dass der Tonfilm die Schauspielkunst zerstören würde, weil die Mimen nicht mehr gezwungen wären, mit Gestik und Mimik zu arbeiten. Ich versuchte also nicht mehr krampfhaft, jedes Wort zu erhaschen, sondern konzentrierte mich auf die Bewegungen und die Mimik von Schmidt und Ganser. Mit Erfolg, Schmidt, die zu Beginn ihrer Karriere im Theater im Palast, dem Renommierobjekt der DDR, als beste Nachwuchsschauspielerin ausgezeichnet wurde, war mit jedem Zoll die überlegen talentierte Highsmith. Sie ähnelte in manchen Augenblicken sogar dem berühmten Foto der Autorin mit ihrer Katze. Bei Ganser bekam das Publikum vorgeführt, was Klaus Mann gemeint haben musste, als er Gustav Gründgens Mephisto als „asig“ beschrieb.

Den Geist, den Highsmith rief, bekam sie nicht mehr los. Sie wurde am Ende sein Opfer. Oder doch nicht, weil sie von ihm getötet werden wollte? Um ihm vorzuführen, dass ein Mord keinen Schriftsteller macht? Am Ende des Stücks bleiben viele Fragen offen.

Leider war der Saal nur halb gefüllt. Intendant Daniel Klayner verfügt leider nicht über die Möglichkeiten des seligen Fürst Günther, der seine Untertanen seinerzeit mit Freibier und kostenlosem Essen ins Theater lockte. Angeblich sollen die Bewohner der Thüringer Kleinstadt Artern dafür 8 Stunden Fußmarsch in Kauf genommen werden.

Uns Heutigen beleibt nur der Appell: Geht ins Theater, Leute! Es lohnt sich, denn es ist besser als jede Netflix-Serie, versprochen!

Die nächsten Vorstellungen:

Sonntag, 30.04.2023, 14:30 Uhr in Sondershausen, Haus der Kunst
Freitag, 19.05.2023, 19:30 Uhr in Sondershausen, Haus der Kunst

Weitere Infos hier.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Vera Lengsfelds Blog.

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Leserpost

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Arnold Balzer / 23.04.2023

Liebe Frau Lengsfeld, die Darbietung der Theatertruppe mag ja durchaus gut sein, das will ich nicht weiter bewerten und nach Thüringen zieht’s mich auch nicht wegen einer Aufführung. Aber was Sie in Ihrem ersten Absatz schildern, da quillt die typische Sozen-Attitüde der “Gerechtigkeit” hervor. Da kein Geld da ist, und auch keines zu beschaffen ist, Sozen aber für Eindringlinge bestimmter Provenienz unbegrenzte Summen raushauen (was sie als gerecht betrachten), müssen halt zwei mit der Hälfte auskommen. Da man keinem auf die Füße treten und einen Laden dichtmachen will, setzt man beide auf Friss-die-Hälfte-Diät. Das mutet mir wie die noble Tat des Hl. Martin an, aber mit dem geteilten Mantel wird’s keinem recht warm. Wie gesagt, das Sondershausener Stück mag ja spannend sein, aber was ich allwöchentlich auf dem RBB an “Theaterkritik” zu hören kriege über neue, voll-woke und durchgegenderte Schmierenstücke, da weiß ich immer, was ich mir *nicht* ansehe. Und was in den Birnen dieser Kulturschaffer(pups)Innen(furz)Sonstigen vor sich geht, hat Frau Heinrich umfassend beschrieben - und diese impertinente gelb-blaue Flaggerei (s. Heiko Engel) geht mir auch auf den Sack!

A.Schröder / 23.04.2023

Neben Theaterdichte ist Thüringen, gleich nach Berlin, auf ganz anderen Gebieten führend. Wenn Schwachsinn und Dummheit regiert, dann steht Kultur hintenan.

Heiko Engel / 23.04.2023

Solange an jeder deutschen Theater - oder Opernfassade die Ukraineflagge weht, müssen die Kunstverantwortlichen mit meinem Steuergeld auskommen. Auf mein Eintrittsgeld müssen diese konformistischen Kunstformalisten verzichten. Und über Inszenierung und Qualität wage ich mich hier garnicht mehr zu äußern. Die per Eintrittskarte einkaufte Enttäuschung und Nullästhetik genügen mittlerweile auch nur noch für die Feuilletons der gewohnheitsmäßigen Regierungspresse. Nur noch Ekel überkommt mich.

Hartwig Dorner / 23.04.2023

Aus gegebenem Anlaß, knappes veterinärwissenschaftliches Kolloquium: Zur fachgerecht unbeschadeten Abnahme des medizinischen Halstrichters benötigt die Katze a) eine Flachzange b) ein Klebstofflösemittel c) einen Sessel mit senkrechter Rückenlehnenverstrebung, oder d) die Guillotine ?

Sabine Heinrich / 23.04.2023

Liebe Frau Lengsfeld, ich möchte nun nicht auf Ihren sehr lesenswerten Beitrag eingehen, für den ich Ihnen danke, sondern auf das Theater in Rudolstadt. Was ich vor Ort im Sommer 2020 mitbekommen habe: Der seinerzeitige Intendant war “voll auf Staatslinie” - was die menschenverachtenden , grundgesetzwidrigen Coronamaßnahmen betroffen hat! Statt sich mit seinem Ensemble mit den noch selbstdenkenden Montagsspaziergängern zu solidarisieren, hat er konsequent die staatlichen Zwangsmaßnahmen unterstützt und durchgezogen. In einem späteren Interview (die Quelle finde ich jetzt so schnell nicht) - hat er auch im Nachhinein sein Verhalten noch gerechtfertigt. So leid es mir tut - aber in ein Theater, das von einem offensichtlich linken systemtreuen “Kulturschaffenden”, geleitet wird, der meines Wissens kein einziges kritisches Wort darüber verloren hat, dass Kunst in jeder Erscheinungsform von der besten deutschen Kanzlerin aller Zeiten während der C-PLANdemie als “nicht systemrelevant” bezeichnet wurde, könnte ich keinen Fuß setzen. Und ich besuche auch kein Konzert mehr von Leuten, die sich ganz offen als staatstreue “Systemlinge” zu erkennen gegeben haben. Leider ist auch das TFF Rudolstadt - vor einigen Jahren in “Rudolstadt-Festival” umbenannt - ziemlich nach linksgrün abgerutscht - ich konnte die Entwicklung von 2002 bis 2019 verfolgen. Schade - denn es ist eigentlich ein phantastisches, wunderbares Weltmusikfestival!

Otto Nagel / 23.04.2023

Ich hatte noch die Gnade der frühen Geburt, kannte (fast) alle Felsenstein- und Kupfer-Inszenierungen, BB am Weidendamm, DT und MGT, war oft im Freiberger Stadttheater und in Karl-Marx-Stadt. Alles vorbei, die modernen Inszenierungen kotzen mich nur an.  O.K. in der Provinz scheint es noch zu überleben, das echte Theater ! Viel Erfolg und volles Haus !

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