Peter Grimm / 15.12.2018 / 14:00 / Foto: Pixabay / 12 / Seite ausdrucken

Die jungen Wählerherzen der Universität Leipzig

Es gibt Studien, die sind schon in ihrem Titel so herzergreifend, dass es sich beinahe verbietet, öffentlich über ihren Sinn für die Allgemeinheit zu räsonieren. Doch wenn der Auftraggeber mit Steuergeldern zahlt, ist eine solche Frage leider unumgänglich, wenn sie sich ohnehin schon aufdrängt. Worum geht es? Die Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Leipzig hat ein wissenschaftliches Werk mit dem romantischen Titel „Die Parteien und das Wählerherz 2018“ in Auftrag gegeben.

Für Pressemeldungen sorgte die Studie, weil in ihr u.a. herausgearbeitet wurde, dass Wähler der AfD die größten Narzissten seien, dicht gefolgt von den Linken-Anhängern. Am wenigsten selbstverliebt ist demnach übrigens die SPD-Gefolgschaft. Das ist wiederum nicht verwunderlich, denn um sich heutzutage zur SPD zu bekennen, ist schon eine selbstverleugnerische Leidensfähigkeit vonnöten.

So ehrenwert der Anspruch ist, das Befinden des deutschen Wählerherzens zu ergründen, fragte sich sicher mancher Leser der entsprechenden Pressemeldungen, warum es eine Studie geben musste, um zu beweisen, dass AfD-Wähler die größten Narzissten sind. Sollte den Lesern die Erkenntnis vermittelt werden, dass sich die, deren Wählerherz zur Stimmabgabe für die AfD drängt, in ein Umfeld von Gestörten begeben?  Oder ist die AfD-Wählerschaft vielleicht wirklich besonders schwierig?

Im eigenen Umfeld lässt sich das schwer überprüfen. Zum einen ist der Freundes- und Bekanntenkreis kein Tummelplatz für unangenehme oder dumme Menschen und zum anderen bekennt sich ja heutzutage in bestimmten Soziotopen keiner offen dazu, in der Heimlichkeit der Wahlkabine sein Kreuz bei denen gemacht zu haben, vor denen allenthalben gewarnt wird. Und diejenigen, die einem so nahestehen, dass sie einem selbst solch unanständige Stimmabgabe anvertrauen, empfindet man in der Regel dennoch nicht als unangenehme Menschen. Also sollte man doch einen Blick in die Studie selbst werfen und siehe da, es erklärt sich vieles.

Auf der Spur der Parteipräferenzen

Immerhin wird ja das diesjährige Wählerherz neben dem Narzissmus auch hinsichtlich „Parteipräferenz und Nettoeinkommen“, „Parteipräfenz und Arbeitslosigkeit“, „Parteipräferenz und Geschlecht“, „Parteipräferenz und Abitur“, „Parteipräferenz und Konfession“ sowie „Parteipräferenz und Autoritarismus“ durchleuchtet.

Manche Aussagen sind dann sowohl hinsichtlich der Fragestellungen als auch der Ergebnisse so, wie es sowohl Auftraggeber als auch die meisten Leser von einer solchen Studie sicherlich nicht anders erwartet hätten. Der AfD-Wähler und der CDU-Wähler mag’s gern autoritär, während es Grüne- und FDP-Anhänger am wenigsten autoritär mögen.

Verwunderlich an diesem an sich erwartbaren Ergebnis ist eigentlich nur die Wahrnehmung der grünen Wählerherzen. Denn etliche Bevormundungs-, Volkserziehungs- und Verbotsvorstellungen in der Partei sind ja nun wirklich ausgesprochen illiberal. Doch wenn man sich die Feststellungen, denen man zustimmen oder die man ablehnen sollte, im Einzelnen anschaut („Unruhestifter sollten deutlich zu spüren bekommen, dass sie in der Gesellschaft unerwünscht sind“, „Gesellschaftliche Regeln sollten ohne Mitleid durchgesetzt werden“, „Wir brauchen starke Führungspersonen, damit wir in der Gesellschaft sicher leben können“ oder „Es ist immer das Beste, Dinge in der üblichen Art und Weise zu machen“), dann ist klar, dass das Autoritäre hier nur in einer Richtung verortet wird.

Aber weiter mit dem groben Blick durch die Ergebnisse: Dass die AfD-Wähler mit 63 Prozent den höchsten Männeranteil haben, überrascht nicht, doch wer nun den höchsten Frauenanteil bei den Grünen vermutet, liegt falsch. Der liegt am höchsten (71,4 Prozent) bei den Unentschlossenen, am zweithöchsten (61,1 Prozent) bei den Nichtwählern, mit 59,8 Prozent folgt die FDP und dann kommen erst mit 58,5 Prozent die Grünen.

14-jährige Wählerherzen?

Wenn es um Parteipräfenz und Nettoeinkommen geht, dann erfahren wir etwas über die Wählerherzen, die weniger monatlich als 1000 Euro bekommen (auf den ersten Plätzen liegen Unentschlossene, Nichtwähler, Linke und SPD) und die die mehr als 2500 Euro verdienen (hier liegen FDP und Grüne vorn). Wofür das Wählerherz zwischen 1000 und 2500 Euro netto monatlich schlägt, erfahren wir leider nicht. Aber dafür, dass sich unter den AfD-Wählern mehr Arbeitslose finden, als bei den anderen Partei-Anhängern.

Zum Schluss nur noch eine Frage: Auf welcher Datengrundlage fußt denn die Studie der Leipziger Universität eigentlich? Da ist Erstaunliches zu lesen:

„Die Daten der vorliegenden statistischen Analysen entstammen der repräsentativen Befragung der deutschsprachigen Wohnbevölkerung zum körperlichen und geistigen Wohlbefinden (Projektleitung: Prof. Dr. Elmar Brähler, Prof. Dr. Jörg M. Fegert). Dabei handelt es sich um eine Befragung von zufällig ausgewählten deutschsprachigen Personen ab 14 Jahren, die im Zeitraum von November 2017 bis Februar 2018 durchgeführt wurde. Die Personen wurden nach dem ADM-Stichprobensystem ausgewählt und zu Hause aufgesucht. Die Interviewer standen bei Schwierigkeiten den Befragten zur Verfügung. Durchgeführt wurde die Befragung von dem Markt- und Meinungsforschungsunternehmen USUMA GmbH. Insgesamt umfasst der Datensatz die Angaben von 2531 Personen.“

Interessant. Haben die Wissenschaftler bei noch nicht Wahlberechtigten schon Wählerherzen zu entdecken vermocht?. Diese Innovation wäre ja wirklich ein wenig Steuerzahler-Geld wert, oder? Aber bei genauerem Lesen findet sich etwas später der Satz: "Nicht wahlberechtigte Personen, die jünger als 18 Jahre alt waren, sind von der Analyse ausgeschlossen." Also ging es offenbar bei der Datenerhebung ursprünglich gar nicht so sehr um die Wählerherzen? Man befragt ja wohl kaum 14-Jährige, wenn man sie anschließend von der Analyse ausschließt. Ist die Studie also nur eine Zweitverwertung erhobener Daten?

Der Beitrag erschien auch hier auf sichtplatz.de

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Immo Sennewald / 15.12.2018

Immer wieder faszinierend, für welchen Schwachsinn inzwischen Steuergeld an deutschen Universitäten verbrannt wird. Auffällig gleichwohl, dass der dicke Zeigefinger immer genau in Richtung derjenigen zeigt, die staatliche Rundumversorgung mit kollektivistischen Erziehungszielen ablehnen. Dass individuelle Meinungsfreiheit als Narzissmus (gern auch Egozentrik, Egomanie etc.) abqualifiziert wird, kommt freilich dem DDR-Erfahrenen sehr bekannt vor. Aber das ist nur ein Déjà Vu in Zeiten einer Politbürokratie, die sehr genaue Vorstellungen davon entwickelt, womit sie Menschen glücklich machen will.

U. Langer / 15.12.2018

Schaut man sich diese “Studie” an, kommt schon bei “1. Datenerhebung…” das kalte Grauen. Die Stichprobengröße bei den einzelnen Gruppen liegt zwischen 97 (FDP) und 498 (CDU). Von der Grundforderung der Statistik nach repräsentativen Stichproben haben die Autoren wahrscheinlich noch nie etwas gehört (oder es nicht verstanden). Dann wird bei jeder einzelnen Partei fleißig “Statistik” betrieben (z.B. werden 3 Arbeitslose bei der FDP mit 3,1% verzeichnet - schöne Grüße von Herrn Gauß). Die Autoren beherrschen die Prozentrechnung - von Mathematik haben sie keine Ahnung! Was diese Herren hier insgesamt hinlegen, hat mit Wissenschaft absolut nichts zu tun!

Robert Jankowski / 15.12.2018

Egal, um welche Erhebungen es geht, man muss mittlerweile immer mindestens ein Auge auf die angewohnten Methoden werfen, denn da tun sich oftmals Pfuhle der Unkenntnis auf. Auch die jeweiligen Fragestellungen sind oftmals so tendenziös gehalten, dass auch nur das Ergebnis rauskommt, was rauskommen soll. Abhängig sind die Ergebnis immer vom jeweiligen Geldgeber. Und ein junger Wissenschaftler mit einer temporär begrenzten Stelle tut gut daran, sich an die Vorgaben zu halten, wenn er denn eine auf eine Festanstellung hofft. Was die Zweit- und Drittverwertung angeht, so ist das ja grundsätzlich in Ordnung, aber wenn schon die Fragen für die erstverwertung tendenziös sind, wie soll da anschließend noch irgendeine sinnvolle Aussage heraus gezogen werden? Ich bin übrigens temporärer Narzist, nicht arbeitslos und nicht finanfiell bedüftig, aber bekennender Schweinefleischfresser. Sie können die Daten gerne für Ihre eigene Statistik nutzen. Nebenbei: das “autoritär” bezieht sich dann auch auf den sexuellen Sektor?

Karla Kuhn / 15.12.2018

“... dass Wähler der AfD die größten Narzissten seien,..”  Wahrscheinlich kennen die die “größten Narzissten” noch gar nicht, sonst wäre ihnen dieser Fauxpas nicht passiert. Medizinische Psychologie kann ich nachvollziehen aber WAS bitteschön ist MEDIZINISCHE Soziologie ??  “Soziologie ist eine Wissenschaft, die sich mit der empirischen und theoretischen Erforschung des sozialen Verhaltens befasst, also die Voraussetzungen, Abläufe und Folgen des Zusammenlebens von Menschen untersucht. Wikipedia”  Wenn das ein neues Medizinfach sein soll, frage ich mich was das mit Medizin zu tun haben soll. Oder gibt es zu viele Soziologen, mit denn man nichts anfangen kann und die werden jetzt “medizinisch verbrämt?”  Leider muß ich eingestehen, daß mein"soziales Denken” den Soziologen gegenüber nicht besonders empirisch ist, weil ich absolut keine Lust habe mich damit zu beschäftigen. Das Leben ist zu kurz um es zu verschwenden. Ich frage mich immer, wie alle Menschen, die früher hart arbeiten mußten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ohne die Soziologie überlebt haben. Dabei haben sich die meisten dieser Menschen einen gesunden Menschenverstand bewahrt und standen mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Oder gerade deswegen ?? “Die Personen wurden nach dem ADM-Stichprobensystem ausgewählt und zu Hause aufgesucht. Die Interviewer standen bei Schwierigkeiten den Befragten zur Verfügung. Durchgeführt wurde die Befragung von dem Markt- und Meinungsforschungsunternehmen USUMA GmbH. Insgesamt umfasst der Datensatz die Angaben von 2531 Personen.“ UND DAFÜR werden unsere STEUERGELDER; die Menschen zum Teil mit HARTER arbeit verdienen rausgeschleudert ??  “Zu Hause aufgesucht”  Das neue Datenschutzgesetzt war wohl noch nicht verabschiedet, ansonsten würden sie sich strafbar machen, vor allem wenn sie bei “SCHWIERIGKEITEN” (damit die RICHTIGEN Antworten gegeben werden ??) zur “Verfügung” stehen,, WO bleibt hr der Bund der Steuerzahler ?? Gelbe Westen müssen her, unglaublich !!

Andreas Rochow / 15.12.2018

Jetzt sind es also die Leute von der Abteilung Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Leipzig, die sich mit pseudowissenschaftlichen “Studien” für AfD-Bashing prostituieren! Zur Erinnerung: Das sind die, die Ihre männlichen Professoren mit “Frau Professor” anreden müssen. Sie tun ihren jeweiligen Fachgebieten einen kaum wieder gut zu machenden Image-Schaden an! Ich meine, indem sie einen Begriff aus der Persönlichkeitstypologie und der Psychopathologie missbrauchen, infizieren sie ihn mit einem semantischen Ballast, der den Terminus zum Schimpf- oder Denunziationswort macht. Zugleich kann dieser öffentliche und tendenziöse Gebrauch des weithin missverstandenen “Narzissmus” bei Patienten, bei deren psychischem Problem das Prinzip “Narzissmus” eine Rolle spielt, die Annahme ihrer Störung erschweren und das Scheitern der Therapie zur folge haben. Der Patient wird moralisch abwertend “etikettiert”, was das Eingehen therapeutischer Beziehungen unnötig erschweren und zur sozialen Isolierung führen kann. Übereifrige und von sich überzeugte Soziologen, Psychologen und Medienschaffende betätigen sich so als Aktivisten des vermeintlich qualifizierten oder abqualifizierenden Vorurteils, ohne sich bewusst zu sein, welchen Schaden sie damit anrichten. Ganz zu schweigen von der Reputation der käuflichen Halbwissenschaft im Dienste einer Herrschaftsideologie.  Die “Eigentümer” der Ausgangsdaten, die Herren Prof. Dr. Elmar Brähler und Prof. Dr. Jörg M. Fegert, sollten sich bei passender Gelegenheit zu derartig korrumpierenden Praktiken positionieren.

Thomas Holzer, Österreich / 15.12.2018

Aus dem Artikel: “Die Interviewer standen bei Schwierigkeiten den Befragten zur Verfügung” Mehr als nur bezeichnend!

Marc Blenk / 15.12.2018

Lieber Herr Grimm, warum nicht gleich das AFD - Wählen selbst in den diagnostischen und statistischen Leitfaden psychischer Störungen (DSM 5) aufnehmen? Wäre doch praktisch, wenn man, mithilfe einer längst in Mode gekommenen Psychopathologisierung (bspw. Islamophobie) missliebiger oder abweicheinder Meinung, diejenigen, die falsch wählen, das offiziell zu verbieten. Oder warum nicht gleich in die Klapse einweisen? Die feuchten Träume der Kahanes, Maas’, Cheblis, Steinmeiers, Özeguz, usw. usf. möchte ich nicht kennen.

beat schaller / 15.12.2018

Es zeugt einerseits von der absoluten (In) Kompetenz der Professoren, die sich zu solch einem Ding überhaupt hergeben und weiter, dass dafür einfach und offensichtlich viel Steuergeld ausgegeben wird.  Der guten Ordnung halber sollten die Einkommen dieser Professoren inkl. die Kosten für solch einen Unsinn mit angegeben werden müssen. Interessant wäre auch, wer solch einen Stuss in Auftrag gibt und wer dafür die Kosten bewilligt. Je mehr solcher Unsinn öffentlich wird, desto eher sollten weitere Bürger langsam erwachen. In dem Sinne, danke für die Information. b.schaller

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