Endlich hat es Angela Merkel geschafft. Der Traum aller Politiker, die sich zu den Erwählten zählen, ist für sie in Erfüllung gegangen. Sie darf sich hinfort nachrühmen, „Geschichte geschrieben“ zu haben. Nach den langen Jahren bräsiger Sesshaftigkeit hat sie ihre Chance erkannt und die Gunst der Stunde ergriffen. Ohne sich weiter um Recht und Ordnung zu kümmern, vollzog sie im Handstreich, was keinem sonst eingefallen wäre. Über Nacht brachte sie Europa in Bewegung.
Seit sie die deutschen Grenzen aufmachte und jedermann ohne Ansehen der Person eine wohl versorgte Zukunft zwischen Hamburg und München in Aussicht stellte, floriert der Reiseverkehr von Süd nach Nord wie nie zuvor. Bahnen und Buse sind ausgebucht. Zeltlager, riesige Campingplätze, schießen wie Pilze aus der Erde. Die Reisenden aus Afrika und dem arabischen Raum bekommen die einmalige Chance, fremde Länder in kürzester Zeit kennenzulernen, Ungarn, Serbien, Kroatien, Slowenien, Österreich und, wenn sie Glück haben, am Ende sogar Deutschland. Kostenlos werden sie von einer Grenze zu anderen verschoben, wer will kann sich zu Fuß auf den Weg machen - von einem Zaun zum anderen. Die Produktion von Stacheldraht läuft auf Hochtouren. Tagtäglich wird mehr verbaut, als die Industrie nachliefern kann. Plötzlich geschieht, was schon nicht mehr vorstellbar war - das hochgelobte Europa zerfällt in Grenzzaun-bewehrte Nationalstaaten.
Hunderttausende, die dem Ruf der Kanzlerin folgten, mitunter sogar ihr Leben riskierten, sitzen bereits wieder in der Sackgasse, in Lagern, die immer mehr jenen ähneln, denen sie entkommen wollten. Das ist um so schlimmer, als es sehr viele trifft, die tatsächlich auf der Flucht sind, weil sie da, wo sie herkommen, um ihre Sicherheit fürchten mussten, weil ihnen Verfolgung, Gefängnis und mehr noch drohte. Daneben gilbt es aber auch noch die Mehrheit der jungen Männer, die auswandern, weil sie den politisch verbreiteten Gerüchten von einem besseren Leben im „reichen“ Deutschland Glauben schenken.
Opfer sind die einen wie die anderen, getäuscht vom Größenwahn und der Machtanmaßung einer politischen Klasse, der nahezu jedes Mittel recht ist, um den eigenen Posten zu verteidigen. In Afrika oder in Flüchtlingslagern rund um Syrien mag das schwer zu durchschauen sein, hier aber, wo wir unsere Pappenheimer kennen und wissen, wie sie ihr Mäntelchen in den Wind des Populismus hängen, gibt es keinen Grund, die von der Kanzlerin rechtswidrig veranlasst Grenzöffnung als eine humanitäre Großtat zu feiern, wo sie sich doch allein machtpolitischem Kalkül verdankte.
Nein, Frau Merkel und ihre Entourage haben die Entscheidung nicht gefällt, weil ihnen das Herz blutete beim Anblick eines toten Kindes am Strand.
Diesen Schmus nehme ich der Clique nicht ab. Haben sie doch sonst keine Bedenken, mit Autokraten schönzutun, die ihre unbotmäßigen Untertan auspeitschen, verbannen, aufhängen oder gar köpfen lassen, in Saudi-Arabien, in China, im Iran oder in Russland zum Beispiel.
Vielmehr hatte Angela Merkel wieder einmal die Witterung des Mainstreams aufgenommen, besser gesagt dessen, was das öffentlich rechtliche Fernsehen als solchen inszenierte. Nach den gefilmten Mitleidsreaktionen vieler Bürger angesichts des Flüchtlingselends infolge des syrischen Bürgerkrieges, sah sie die Chance, emotional zu punkten. Vor allem jedoch wollte sie wohl nicht abwarten, bis der Koalitionspartner, die SPD, das Thema besetzt. Nachdem Sigmar Gabriel als erster in Heidenau war, musste sie ihn mit einer spektakulären Aktion in den Schatten stellen, wieder die Führung übernehmen.
Dass sie die Interessen Deutschlands dabei außer acht ließ, weder die wirtschaftlichen Folgen noch die Gefahren für die innere Sicherheit bedachte, entspricht dem Prinzip einer kommerzialisierten Politik, der es einzig darum geht, der eigenen Partei einen Marktvorteil zu verschaffen. Nicht anders verhielt es sich, als die Kanzlerin wenige Tage später die sachliche Kritik an ihrer Entscheidung mit emotionaler Aufwallung abzuschmettern versuchte. Was sie da lamentierte, setzte der Demagogie die Krone auf.
Sich nicht dafür zu „entschuldigen“, dass sie „in Notsituationen ein freundliches Gesicht“ zeige, ist ihr umbenommen, selbstredend. Nur wer hätte das von ihr verlangt? Die Unterstellung des Gegenteils war eine glatte Lüge, die daraus folgende Erklärung: „dann ist das nicht mein Land“ der dreiste Versuch einer moralischen Erpressung.
Noch einmal: Niemand, nicht einmal die deutsche Bundeskanzlerin, muss sich dafür entschuldigen, dass sie helfen will. Darum geht es nicht; da muss sie keine Schnute ziehen und die beleidigte Leberwurst geben. Dieses Ablenkungsmanöver verfängt hier nicht. Dafür steht zu viel auf dem Spiel: Mit der lauthals propagierten Öffnung der Grenzen hat sie keinen Korridor für Flüchtlinge geöffnet, sondern Auswanderer in einer Zahl angeworben, die unsere Infrastruktur ebenso überfordert wie die Sozialsysteme.
Obwohl ihr finanzpolitischer Erfüllungsgehilfe Wolfgang Schäuble noch vor zwei Wochen erklärte, finanzielle könne das reiche Deutschland mit den Belastung der Einwanderung leicht fertig werden, muss er nun plötzlich Kürzungen im laufenden Bundeshaushalt vornehmen, um die anfallenden Kosten tragen zu können. Aus den Dächern, die den Einwanderern versprochen wurden, sind längst Zeltplanen geworden. Da in den ersten Tagen nach der Grenzöffnung keiner der Einreisenden erfasst, registriert oder überprüft wurde, kann niemand sagen, wie viel Kämpfer die terroristischen Netzwerke unterdessen eingeschleust haben. Keiner weiß, wohin jene verschwinden, die sich gleich nach der Ankunft in den Erstaufnahmelagern absetzen, von zwanzig bis dreißig Prozent ist die Rede. Wo tauchen sie unter, in den Duisburger oder Berliner Stadtvierteln, in die sich schon heute kein Polizist mehr wagt?
All das sind unmittelbare Folgen eines Rechtsbruchs, für den sich die Bundeskanzlerin bedenkenlos feiern ließ, was nun wiederum Anlass zu der Vermutung gibt, dass der deutsche Rechtsstaat in der Tat schon länger nicht ihr Land ist, wenn er es denn überhaupt jemals gewesen sein sollte.
Misst man sie an ihren Taten, dann bleibt nur der Schluss, dass Angela Merkel auf ein autokratisch gelenktes Gemeinwesen hinarbeitet, wie es die DDR, der sie geistig entstammt, gewesen ist: Der Staat versorgt „die Menschen“, wofür ihm die Bürger ihre Rechte übertragen und die Führung mit absolutem Vertrauen ausstatten. Nach dem Vorbild des ontologischen Gottesbeweises, demzufolge Gott immer Gott sein muss, eben weil er Gott ist und mithin nichts über ihm stehen kann, soll immer unzweifelhaft sein, was die Kanzlerin sagt und tut, eben weil sie die Kanzlerin ist.
Unter solchen Umständen wird jegliche Kritik als Kränkung empfunden. „Mutti“ ist enttäuscht über die undankbaren Landeskinder. Sie droht mit Rückzug von dem Land, das nicht mehr das ihre ist. Zuvor aber sollte sie der guten Ordnung halber noch die Verantwortung für das übernehmen, was sie angerichtet hat. Die noch nicht annähernd abzusenden Folgen der größenwahnsinnig verfügten Grenzöffnung wiegen zu schwer, als das man sie schlichter Überforderung zuschreiben könnte. Immerhin handelt es sich dabei nicht nur um ein Bruch international vereinbarten Rechts, sondern auch um eine Verletzung des Amtseides. Mit ihm hat Frau Merkel geschworen, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden.
Ob es bei dem Schaden, den sie dem Land zugefügt hat, am Ende auf den Tatbestand des Landesverrates hinausläuft, können und wollen wir nicht abwägen. Die Juristen aber werden sich des Falles über kurz oder lang annehmen müssen, während die Historiker heute schon vermerken können, dass es der amtierenden Bundeskanzlerin gelungen ist, die humanitären Katastrophen aus dem arabischen Raum und aus Teilen Afrikas nach Europa zu importieren.
Damit wird Angela Merkel in die Geschichte eingehen. Immerhin.