Die Hybris des Autoren

Da! Kaum hat man sein erstes Buch herausgebracht (bekommen), schon geht es los. Die Hybris greift mit ihren langen spinnenbeinigen Fingern nach mir. Ich gebe zu, dass es meiner Eitelkeit geschuldet war, dass ich am zweiten Ausgabetag der „Dark side of the Mittelschicht“ einfach mal den eigenen Namen in das Suchfeld eingab und tatsächlich mein kleines Lesebüchlein für den Herrn, die Dame und das heranwachsende Kind fand. Zum gleichen Preis wie im Achgut-Shop. 

Rezensionen standen da natürlich noch keine, was allemal besser als eine Rezession ist, aber ganz ganz unten auf der Website standen drei Zahlen: „Amazon Bestseller Rang 24.410, Nr. 310 in „Geschenkbücher für Familie“, Nr. 415 in „Geschenkbücher für Männer““

Das machte mich neugierig und warf auch ein paar Fragen auf: Warum taucht mein Werk nicht in „Geschenkbücher für Frauen“ auf? Oder in „Geschenkbücher für diverse Transmenschen“? Wer hat das überhaupt festgelegt? Und warum haben sich bisher weder Transpersonen noch Frauen beschwert? Möglicherweise liegt es daran, dass bisher nur Männer das Buch bei Amazon bestellt haben? Aber die haben ja eh nur zwei auf Lager. Also die Bücher. Nicht die Männer. Und wo haben die die her? Die beiden Bücher? Ich habe mein eigenes Exemplar ja noch nicht einmal erhalten. 

Auf jeden Fall fehlt noch ein Stück zu wenigstens Platz 3 bei den Männern. Es gilt also hier ein tatsächlich leeres Buch mit dem Titel „Was ich an Dir liebe (der Adventskalender zum Ausfüllen und Verschenken)“ zu schlagen, das der Käufer selbst ausfüllen muss. Was ich schon ein wenig als Schmach betrachte, zumal möglicherweise hier auf 24 Seiten dann „Du knallst gut“ steht. Jener Kalender wird übrigens auch gerne zusammen mit „Was ich an Dir liebe, Mama“ und für die, deren Beziehung schon etwas erkaltet ist, mit „Was ich an Dir mag“ im praktischen „Keine Ahnung-Bundle“ verkauft. Aber, zugegeben, dafür, dass ich als Käufer das Buch selbst schreiben muss, kostet es auch nur 7,99 Euro neu und 7,13 Euro gebraucht. Da hat ein Anderer dann schon etwas vorgeschrieben – oder es ist ihm nichts eingefallen und er hat die Scheidungspapiere zwischen die Seiten getackert. 

Das BGB auf Platz 14 knacken

Bei den Familienbüchern sieht es nicht besser aus: Hier würde ich mich sehr gerne auf wenigstens Platz 26 vorschieben, auf dem wie ein Monolith „Was ich an Dir liebe (Klebezettel-Deutsch)“ thront. Immerhin muss da aber der Leser nicht so viel wie bei den Männerbüchern ausfüllen, denn auf den Zetteln sind die Worte „Du bist mein [] Hase, [] Lieblingsmensch, [] Schatz“ und eine gestrichelte Linie vorgedruckt. Die ist für alle, denen mehr als Hase, Schatz und Lieblingsmensch einfällt. Beispielsweise „blöde Kuh“ oder „alter Idiot“. Drunter kann man unter dem Punkt „weil …“ auch noch den Grund für die große Liebe angeben. Pro-Tipp: „… Du reich bist“ oder „… Du gut knallst“ (siehe oben) ist zwar ehrlich, aber kontraproduktiv. Außerdem erhebe ich auf diese beiden Begründungen jetzt das Copyright! Mein jüngster Sohn hätte seinerzeit „… eben weil“ reingeschrieben. 

Bei den Bestsellern wird es schwierig. Hier wäre mein Fernziel, das BGB auf Platz 14 oder wenigstens das HGB auf Rang 32 zu knacken. Beide Male ein Riesen-Umfang, miserable Handlung, langweilig geschrieben und nur mit Studium und Kokain zu ertragen, kosten die Werke vieler zu recht unbekannter und unverstandener und unverständlicher Autoren auch jeweils unter 10 Euro im läppischen Taschenbuchformat. Aber wenigstens gibt es jedes Jahr ein Update. Das haben die Autoren clever gemacht. Das muss ich noch nacharbeiten. Ich frage mich, ob sich Napoleon mit seinem „Code Napoleon“ auch so viel Arbeit gemacht hat. 

Was ich tatsächlich noch gerne herausgefunden hätte, war, wer meine Nachbarn auf Platz 24.409 und 24.411 sind. Wir alle wurden immerhin von einem leeren Zettelblock mit Ankreuzantworten geschlagen. Ich vermute, ich befinde mich irgendwo zwischen den Werken „Apokalypsen und Weltuntergänge der Grünen, die Wirklichkeit wurden“ und „Plagen der Menschheit im 21. Jahrhundert: Eingewachsene Zehennägel und wie man sie behandelt“ oder, in extra großer Schrift, „Alles fit im Schritt – was Sie vom Sex nach dem 80. Lebensjahr erwarten dürfen“ – und letzteres hat tatsächlich total leere Seiten. 

Deswegen fände ich es ganz gut, unter den ersten 20 in den jeweiligen Listen zu erscheinen – der Schatz will eine neue Küche!


Von Thilo Schneider erschien soeben in der Achgut-Edition eine Satire für dunkle Zeiten: „The Dark Side of the Mittelschicht“, erhältlich im Achgut.com-Shop.

Foto: Polizeiinspektion Flughafen München

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PALLA, Manfred / 19.11.2020

... am Poppo “Kalender” - in der WerkStatt eines guten Freundes fragte ICH quasi über Jahrzehnte immer laut und gern (vor den Mädels im Büro) nach “meinen” TITTEN-Kalendern - mehrere relativ “hochwertige” als WerbeTräger versch. TEILE-Lieferer standen mir immer zur Auswahl - Er und Ich schauten sie am Thresen durch - “Dann kauf Ihr doch mal solche schwarzen Dessous” sagte Ich als Er glänzende Augen kriegte - dann meinte Er : “trägt DIE doch nicht” (seine Frau im Hintergrund) - Ich also : “Dann zieh DU sie doch an” - ein Gelächter, ein Gejole in Büro und WerkStatt - SO geht SPASS - Nebenbei, mich interessieren eher transparent verhüllte “FahrGestelle”, wobei die wenigsten mit meinen “mithalten” können - SO gibt es halt ewige UNTER-Schiede ;-)  ;-)  ;-)

Belo Zibé / 19.11.2020

»Warum taucht mein Werk nicht in „Geschenkbücher für Frauen“ auf? Oder in „Geschenkbücher für diverse Transmenschen“?Wer hat das überhaupt festgelegt?  « Weil sich da vermutlich ein FCKdenchecker*in in Ausbildung um die richtige Einordnung bemüht hat.

Bernd Klingemann / 19.11.2020

Falls ich mal ein Buch schreiben sollte, dann beginnt es mit 10 Seiten “Raum für Notizen”, nimmt etwas den Druck aus der Sache… Die Mittelschichtssaga ist Anfang der Woche bei Achgut bestellt. Hoffe es kommt zum Wochenende.

Wolf von Fichtenberg / 19.11.2020

In der Jetztzeit Autor zu sein ist schwierig, denn Lesungen entfallen, der Wasseranteil in der dünnen Suppe steigt und reich werden kann man eh nicht, sofern man nicht den absoluten Bestseller (protegiert) schreibt. Wobei, Bestseller hat nichts mit “Best-Inhalt” zu tun. Werbung genügt oft, egal was da zwischen den buchdeckel steht. Was nützen mir meine allesamt 5-Sterne, wenn der Umsatz nicht stimmt? Jedenfalls bin ich froh das es im Jetzt den Versandhandel gibt (auch jenen Grossisten, der sich namentlich einem brasilianischen Fluss annähert) denn sowas sichert die bereits erwähnte Wassersuppe. Ja, der arme Poet von Spitzweg existiert auch noch heute. Leider.

Thomas Kache / 19.11.2020

Tchja, Herr Schneider, gehen Sie doch einfach mal rational an die Sache heran. Die Frau Alexandra Reinwarth ( Autorin von „Was ich an dir liebe“, und ähnlichen Makulaturen)  ist eindeutig weiblich, hat also schon mal den TB (Tittenbonus). Und denne ist das „Mädsche“ Baujahr 1973- marschiert also mit Riesenschritten auf ˋs Klimakterium zu. Na, immer noch neidisch? Im übrigen; ich an Ihrer Stelle wäre sehr vorsichtig. Weil, zuerst will der Schatz von den Tantiemen nur eine neue Küche. Lieber mal gut essen gegangen, und die Herzensdame von den unstreitbaren Vorzügen eines Ferrari überzeugt. Männer leiden nämlich nicht unter dem Altwerden- die leisten sich ein schickes Auto. Der Rest kommt von selbst. Guten Abend

Richard Kaufmann / 19.11.2020

@ Emmanuel Precht: Küchen sind doch nicht zum Kochen da. Es wäre ja schade, die Kochinsel zu verschmutzen und das Parkett drumherum. Wer soll das denn putzen?! Es gibt doch Bofrost, und zur Not ist auch ALDI da.

Bernd Nehm / 19.11.2020

Lieber Herr Schneider ich freue mich schon sehr auf das Buch. Allerdings unterstütze ich Amazon nur wenn es sein muss. Daher habe ich im achgut shop bestellt. Eine Rezension schreibe ich ihnen dann auf Amazon nach Lektüre des Buches. Bitte weiter so. Bernd N. aus Niederbayern

Andreas Stueve / 19.11.2020

Uahhh, Herr Schneider. Hatte ja vorhin bereits per E-Mail viel Erfolg in Sachen Buchabsatz gewünscht. Ganz sicher werden Sie unseren Lieblingsminimalaussenminister*In Heiko Maas im Ranking überflügeln, der derzeit in der Rubrik Top 100 in Bücher auf Platz 410.248 Umsatzrekorde feiert. Sollte das Buch wenigstens halb so gut sein wie Ihr obiger Artikel. Und wegen des Geldes tun Sie es ja nicht, schließlich sparen Sie den FDP- Parteibeitrag langfristig und nachhaltig ein. Ich für mein Teil werde das Buch hier auf der Achse erwerben, ich habe nichts gegen Reiche wie Bezos. Bin aber der unerschütterlichen Meinung, dass den Achse- Autoren ebenfalls der Weg in die goldene pekuniäre Zukunft geebnet werden sollte. Freue mich auf die Lektüre.

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