Ben Krischke, Gastautor / 23.05.2017 / 06:00 / Foto: Frank Vincentz / 13 / Seite ausdrucken

Die Hümmlinger im Kampf gegen rechte Umtriebe

Von Ben Krischke  

Der Hümmling ist eine Grundmoränenlandschaft des Norddeutschen Tieflandes und liegt im Westen Niedersachsens im Landkreis Emsland. Auf Hümmling befinden sich so wunderbar klingende Ortschaften wie Bockholte, Surwold und Vrees. „Ausgedehnte Buchenwälder und Birkenhaine, Moore, Heideflächen und Flussauen. Dazu über 4.000 Jahre alte Hügelgräber und ein Barockschloss: Im nordöstlichen Emsland, südöstlich von Papenburg, erstreckt sich mit dem Hümmling eine lohnenswerte Ausflugs- und Urlaubsregion“, lobt sogar das renommierte Reiseportal NDR.

Ja, es könnte alles so ruhig, so romantisch, so Caspar David Friedrich sein. Doch der Schein trügt, denn jüngst ereignete sich ausgerechnet dort eine ungeahnte Dimension der rechtsextremen Hetze, die die Bevölkerung verunsicherte, die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) auf den Plan rief – und sogar den Staatsschutz. Ein kleines Lehrstück der Kategorie „Hysterie gegen Rechts“.

Die Bevölkerung ist beunruhigt

Eine Passantin, wohnhaft in der Gemeinde Sögel, machte beim Wandern auf dem Hümmlinger Pilgerweg eine grausige Entdeckung: Flyer, in denen die deutsche Asylpolitik kritisiert wird, „mit Fragen, Thesen und Zitaten im Zusammenhang mit dem Zuzug von Flüchtlingen“, wie die NOZ im Artikel „Flyer mit rechten Botschaften auf Hümmling aufgetaucht“ berichtete. Die Faltblätter thematisierten unter anderem die „importierte Verfolgung von Christen“ sowie „Sofortmaßnahmen“, beispielsweise „Schließung der Staatsgrenze, notfalls mit Grenzzäunen“. Hinzu kam noch die unerhörte politische Position, wonach Deutschland abgelehnte Asylbewerber konsequent abschieben sollte.

Es hätte – dort auf dem Hümmlinger Pilgerweg – ein bedauerlicher Einzelfall bleiben können. Doch weit gefehlt, denn – so schreibt die NOZ – seien die selben Flyer auch noch beim „Anradeln des Landkreises Emsland Mitte April und bei mehreren weiteren Veranstaltungen, zum Beispiel im Sögeler Rathaus“ aufgetaucht. Irgendwer hatte sie an Windschutzscheiben von Autos geklemmt. Und das sorge „für Unruhe in der Bevölkerung“, weiß die NOZ.

Unsitten aus dem ostdeutschen Mordor

Die Hümmlinger – bekannt als gefestigte Helldeutsche, die schon länger hier leben – bringt so schnell nichts aus dem Konzept. Aber bei solchen Ausmaßen der Hetze hört der Spaß auch bei den Hümmlingern auf. Richtig also, dass sich in der Folge der Staatsschutz der Polizeiinspektion Emsland/Grafschaft Bentheim in Lingen einschaltete und mehreren Hinweisen aus der verunsicherten Bevölkerung nachging.

Aber das sind doch nur Flyer, mag manch einer an dieser Stelle einwerfen, muss deshalb gleich der Staatsschutz ermitteln? Natürlich: Wehret den Anfängen! Schließlich ist Niedersachen nicht allzu weit von Sachsen entfernt, bekanntlich das ostdeutsche Mordor in Sachen Willkommenskultur. Und was, wenn diese Flyer aus Sachsen stammen, quasi als Vorhut, bevor Dunkeldeutschland im Hümmlinger Auenland einmarschiert? Haben Sie diese packende Studie zum Rechtsextremismus in Ostdeutschland denn nicht gelesen?

Die Quelle allen Übels

Zurück auf Hümmling. Im Folgenden zwei Auszüge aus dem NOZ-Bericht zum Thema:

Der Flyer (und auch das Verteilen) sei umfassend rechtlich von der Staatsanwaltschaft Osnabrück geprüft worden. Das Ergebnis sei negativ ausgefallen. Zum Flyer selbst wurde daher „vor dem Hintergrund der fehlenden Rechtsverletzung kein Strafverfahren eingeleitet“.

Na wie jetzt, mag sich da der aufrechte Demokrat denken. Schlimmste, niederträchtigste und menschenverachtendste Hetze gegen die Schwächsten unserer Gesellschaft – und kein Strafverfahren? Doch die Bevölkerung hat auch Grund zum Aufatmen. Denn die Quelle allen Übels befindet sich – Merkel sei Dank – nicht in Sachsen, sondern in Berlin, wie die NOZ weiß:

Das Faltblatt werde von der „Jungen Freiheit“ verfasst und publiziert, nach Informationen der Polizei wird er vom Verlag auf Anforderung problemlos und kostenlos zur Verfügung gestellt. Auch das erklärt, wieso er auf dem Hümmling mehrfach aufgetaucht ist. Die Polizei ordnet die Zeitschrift und ihren Verlag als „konservatives Medium am politischen rechten Rand“ ein, heißt es. „Der Verlag wird jedoch nicht vom Verfassungsschutz beobachtet“, so der Sprecher.“

Die Rechten im Visier behalten

Das Rätsel um die Horror-Flyer ist immerhin gelöst, auch wenn es sich bei der Jungen Freiheit nicht um eine Zeitschrift, sondern eine Zeitung handelt. Aber sei’s drum. Gerd Schade, Redaktionsleiter der Ems-Zeitung, die zur NOZ gehört und laut Homepage die Ortschaften Dörpen, Lathen, Nordhümmling, Papenburg, Rhede, Sögel, Werlte und Westoverledingen mit Investigativjournalismus bedient, nahm sich dem Thema abschließend in einem mutigen Kommentar an. Im Folgenden unredigierte Auszüge:

Artikel zu Migranten, Kriminalität von ausländischen Tätern und zu Islamisten erhalten in der „JF“, die im Übrigen eine Reihe von AfD-Positionen teilt, regelmäßig viel Raum. Geschickt manövriert der Verlag in seiner Rhetorik hart an der Grenze des Erlaubten, aber eben so, dass seine Thesen verfassungsrechtlich nur schwer angreifbar sind. Offen extremistische Positionen, wie man sie in einschlägigen neonazistischen Publikationen findet, sucht man jedenfalls vergebens. Die Polizei im Emsland ordnet die „JF“ als „konservatives Medium am politischen rechten Rand“ ein, wie sie sagt. Und doch tut sie gut daran, dass Gebaren ihrer Anhänger, die es auf dem Hümmling augenscheinlich gibt, im Visier zu behalten.

Weiter schreibt Schade:

Darüber hinaus gilt: Eine funktionierende Demokratie muss Publikationen wie die „JF“ ertragen können. Ein Verbot würde wenig helfen. Viel wichtiger ist eine kritische Auseinandersetzung. Da ist jeder gefragt. Überzeugte Demokraten gehen auch dahin, wo es wehtut.

Schade erlaubt der JF also, weiterhin zu existieren. Eine große demokratische Geste von einem großen Demokraten, wie ich finde. Der Schock über die Horror-Flyer im Hümmeling dürfte bei der aufgeklärten Bevölkerung unterdessen aber noch tief sitzen. Man kann also nur hoffen, dass die Polizeiinspektion Emsland/Grafschaft Bentheim in Lingen nicht nur eine Abteilung „Staatsschutz“, sondern auch eine Abteilung „Krisenintervention“ unterhält.

Foto: Frank Vincentz CC BY-SA 3.0 via Wikimedia

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Andreas Rochow / 24.05.2017

Immerhin besteht in einem Land, das die innere Sicherheit so groß schreibt, die Möglichkeit, die AbonnentInnen und FördererInnen einer so “umstrittenen” Wochenzeitung wie der JF zu beobachten und sich öffentlich Sorgen über deren wachsende Zahl zu machen. Die NOZ vertritt prototypisch jene Gattung Journalismus, der auffallend häufig in der Mainstreampresseschau des Deutschlandfunk zitiert wird. Eine Studie mit dem Titel “Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Nordwestdeutschland” ist nun fällig. Diese hysterische Reaktion der NOZ auf intelligenten JF-Flyer ist also nachvollziehbar, sehen die NOZ-Leute doch offensichtlich ihre Felle wegschwimmen…

Burkhart Berthold / 23.05.2017

Die Junge Freiheit konnte - anders als ziemlich alle Zeitungen - ihre Auflage steigern, von 2010 bis 2016 von 20.000 auf knapp 30.000 Exemplare. Wahrscheinlich hat sie Leser sogar in der “Grundmoränenlandschaft der norddeutschen Tiefebene”. Es wäre ihr zu wünschen, der Tiefebene. Vor dem geistigen Auge sieht man geradezu, wie die dortigen Spätgermanen die JF lesen, heimlich und mit roten Backen im Schatten der Hünengräber. Vielleicht hilft es?

A. Jahnke / 23.05.2017

Ich hoffe alle jene zutiefst Verstörten, die den Horrorflyer gelesen haben, haben umgehend psychologische Hilfe erhalten. Mit einer anderen Meinung als der mutmasslich eigenen, sprich regimetreuen Meinung, konfrontiert zu werden, ist ja schwer traumatisierend und nur ” schwer zu ertragen”.

Edgar Timm / 23.05.2017

Implizit fordert Schade doch ein Verbot der JF: “Eine funktionierende Demokratie muss Publikationen wie die „JF“ ertragen können. Ein Verbot würde wenig helfen.” - und erklärt die Macher der JF zu NICHT-Demokraten, wenn er schreibt: “Viel wichtiger ist eine kritische Auseinandersetzung. Da ist jeder gefragt. Überzeugte Demokraten gehen auch dahin, wo es wehtut.”—- Und warum? - Weil die Faltblätter unter anderem über Fakten wie die „importierte Verfolgung von Christen“ berichten, die von der Medienoligarchie gern unterdrückt werden. Hier offenbart m.E. der Herr Schade ein merkwürdiges Demokratieverständnis.

Helmut Steinig / 23.05.2017

Ach , was bin ich froh, daß der Staatsschutz die Urheber dieser zweifelsfrei verwerflichen Botschaft zu benennen in der Lage war. Die Frage, die mich dabei umtreibt, ist: wieviel Personal, wieviel Arbeitszeit , wieviel sonstiger Aufwand war nötig, zu diesem Ergebnis zu kommen. Ich würde mich als loyaler Bürger unseres Staates bezeichnen verbunden mit der Bereitschaft, den staatlichen Institutionen, falls nötig, helfend zur Seite zu stehen. Um nun z.B. den Staatsschutz dabei zu entlasten, aufwändige Ermittlungen führen zu müssen, damit solch gar schreckliche Botschaften noch schneller den willkommenskulturell noch nicht ausreichend gefestigten Verfassern zugeordnet werden können, wäre ich bereit, dem Staatsschutz ein Jahresabonnement der “Jungen Freiheit” zu spendieren. Dann könnten vielleicht schon bei einfachem Durchblättern der Zeitung die üblen Gesellen enttarnt werden. Denn man stelle sich vor , z.B.  in Nordhümmling taucht plötzlich, Angst und Schrecken verbreitend wie eine alte Moorleiche, wiederum ein Flyer mit ähnlich rassistischem Inhalt auf, die NOZ (dieses Blatt wird mit irgendwelchen empörten Stellungnahmen fast allmorgentlich im Presseüberblick z.B. des DEUTSCHLANDFUNKS -man begegnet dort fast immer einer üblen Auswahl verschiedener Pressestimmen, Süddeutsche, taz, Frankf. Rundschau…-  zitiert) erfährt davon und die nötigen Kapazitäten beim Staatsschutz sind nicht frei. Bei solch einem Szenario muß doch jedem weltoffenen Teddy-Werfer und Gutmenschen der Atem stocken. Und das will ja wohl hoffentlich niemand.

Arne Busch / 23.05.2017

Das Land ist am Ende. Mehr braucht man dazu nicht sagen.

Peer Dörrer / 23.05.2017

„In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als derjenige, der den Schmutz macht.“ sagte einst Kurt Tucholsky . Der Vorfall erinnert mich an finsterste Zeiten in der DDR . Alles melden, denunzieren, diffamieren was dem Gutmenschen auf dem Weg zum ” Guten ” im Wege steht . Erstaunlich ,welche Macht doch nur ein kleines bedrucktes Stück Papier hat . Sehr lesenswert ein Kommentar unter dem Zeitungsartikel von Bernd Hartmann : Hatte nicht auch die “Weiße Rose ” nur Flyer verteilt ? Werden diese Leute schon wieder verfolgt ?

Michael Lorenz / 23.05.2017

Man kann also gegen die Urheber der Schriften nichts ausrichten - wie schade. Aber noch ist das Land nicht verloren: man hat ja bereits dazu aufgerufen, die VERTEILER der Schriften ausfindig zu machen und zu melden (Ja, Blockwarttechnik ist wie Fahrradfahen: das verlernt man nicht). Und hat man erst mal so einen Verteiler, findet man sicher leicht heraus, wo sein Haus wohnt. Und da ist die “Anti"fa ganz der Arzt: sie macht auch Hausbesuche. Dürfte viel effektiver sein, als dem Verlag an den Karren zu fahren. Somit: alles wieder super im hellbunten zukünftigen europäischen Teilstaat.

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