Die höchste Ordensfrau Absurdistans

Was für ein Zeitplan: Kurz nachdem sich Deutschland, wie von Angela Merkel einst dekretiert, „alternativlos“ aus der Atomenergie verabschiedet hat, lässt sie sich noch schnell Deutschlands höchsten Orden anheften, bevor das Land die verheerenden Folgen ihrer Politik in voller Härte zu spüren bekommt.

In der Nacht zum Sonntag hat sich der Energie-Geisterfahrer Deutschland, den früheren Vorgaben seiner einst größten Kanzlerin folgend, von seinen letzten drei Kernkraftwerken verabschiedet, und am heutigen Montag bekommt ebendiese Kanzlerin für ihr Wirken das „Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland in besonderer Ausfertigung“. Ganz offiziell wird ihre Regierungsarbeit von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier damit für besonders ehrenwert erklärt. Solch eine hohe Ehrung hatten bekanntlich zuvor nur die Kanzler Konrad Adenauer und Helmut Kohl erfahren. 

Dass Steinmeier Merkels Regierungspolitik damit schnell noch ein Gütesiegel ausstellen will, dürfte auch in seinem eigenen Interesse liegen, denn die Hälfte ihrer Amtszeit hat der Genosse ja treu als Außenminister an ihrer Seite gestanden, davon etliche Jahre auch als ihr Vizekanzler.

Angeblich soll sie jetzt dafür gewürdigt werden, dass sie Deutschland gut durch die vielen großen Krisen während ihrer Amtszeit gebracht hätte. Aber war nicht ihre Politik eher ein wesentlicher Teil der Krisen-Probleme als irgendein Ansatz zu deren Lösung? Egal ob bei der Banken- und sogenannten Euro-Rettung, beim Ukraine-Konflikt des Jahres 2014, der durch ihre bedingungslose „Willkommenskultur“ verstärkten Migrationskrise der Jahre 2015 ff. oder dem verheerenden Kurs des Corona-Ausnahmezustands – angesichts der Folgen für Deutschland kann man doch nicht ernsthaft von einem gelungenen Krisenmanagement sprechen. 

Sie hätte im Februar 2020 aus Südafrika nicht erklären dürfen, die ordnungsgemäße Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) müsse rückgängig gemacht werden, um so in den Parteien und Medien hinreichend Druck zu dessen Rücktritt zu erzeugen. Das attestierte ihr das Bundesverfassungsgericht im letzten Jahr.  Da war sie nicht mehr Kanzlerin, weshalb dieser Urteilsspruch folgenlos blieb. Aber dass ausgerechnet eine Kanzlerin, der die höchsten Richter letztlich bescheinigen, ihr Amt nicht hinreichend verfassungstreu ausgeübt zu haben, die allerhöchsten Ehren verdient hätte, zeugt schon von recht merkwürdigen Maßstäben der Ordensverleiher. 

Kritische Töne

Immerhin klangen gestern selbst in den Medien, die sich einst in treuer Gefolgschaft der „alternativlosen“ (Merkel über Merkel-Entscheidungen) Kanzlerin-Politik gefielen, in den Vorberichten zur Ordensverleihung kritische Töne an. „Gibt Merkels politisches Vermächtnis diese Ehrung her?“ titelte die FAZ. „Wird Angela Merkel zu Recht geehrt?“, fragte die Südwestpresse. Auch ein Weggefährte, wie Merkels langjähriger Minister Wolfgang Schäuble, ging auf Distanz. Medien berichten, dass er kürzlich dem „Handelsblatt“ sagte, es sei noch zu früh, abschließend zu beurteilen, ob Merkel unter den großen Kanzlern wie Adenauer, Kohl oder Willy Brandt einzuordnen wäre. Wie der Tagesspiegel berichtet, habe auch der Chef der CDU-Grundwertekommission, Andreas Rödder, die Verleihung des Großkreuzes an Merkel als Fehler bezeichnet. Als Grund habe er ihre Russlandpolitik, ihre Migrationspolitik und den Atomausstieg genannt. 

Nun ist die Kritik aus ihrer Partei vielleicht bemerkenswert, aber kaum verwunderlich, denn zu all dem Schaden, den sie der CDU mit gründlicher inhaltlicher Entkernung zugefügt hat, kommt ja noch ein aktueller Affront. Niemanden aus der gegenwärtigen Parteiführung hat sie zur Ordensverleihung eingeladen, dafür aber den SPD-Bundeskanzler. 

Parteifreunde kommen natürlich trotzdem, allerdings finden sich auf der Gästeliste nur treue Merkelianer wie ihre früheren Kanzleramtschefs Thomas de Maizière, Ronald Pofalla, Peter Altmaier und Helge Braun. Aus Brüssel fliegt auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) nach Berlin, um Deutschlands höchste Ordensfrau zu ehren. 

Die Entscheidung, den SPD-Kanzler einzuladen und den CDU-Vorsitzenden nicht, ist kaum überraschend, denn schließlich setzt die Ampel-Koalition die Merkel-Politik bruchlos und verstärkt fort. Die heutige CDU muss dagegen jetzt opponieren, weil sie die Oppositionsrolle ja nicht allein der AfD und den SED-Erben überlassen kann.

Nennenswerte Proteste gegen die Großkreuz-Verleihung an Angela Merkel aus der Bevölkerung sind wohl nicht zu erwarten. Noch spüren die Bürger die Folgen der Merkel-Politik und ihrer kontinuierlichen Fortsetzung nicht in voller Härte. Aber sie lassen sich erkennen und erahnen, wenn man hinschauen will. Die Abwanderung und Schließung von produzierenden Unternehmen aufgrund der steigenden Energiepreise und der schwindenden Energiesicherheit hat bereits begonnen. Auch die Verknappung des Energieangebots durch Kraftwerksabschaltungen in einer Energiekrise wird nicht folgenlos bleiben. Die „Wir schaffen das“-Beschwörungsformel, die die Politik ungesteuerter und ungebremster Zuwanderung in die Sozialssysteme begleitete, zerschellt gerade an der Realität der immer schrilleren Alarmrufe aus Gemeinden, Städten und Landkreisen. Und der Euro bleibt wohl vorerst so weich wie einst die Drachme, was die Deutschen zwingt, zu lernen, mit dem Alltag dauernder hoher Inflation zu leben. 

Eine kleine Hoffnung

Natürlich ist an all dem nicht nur Angela Merkel schuld. Aber sie trägt einen entscheidenden Teil der Verantwortung. Nur in einem Absurdistan kann man doch auf die Idee kommen, Regierende für eine solche „Erfolgsbilanz“ mit dem höchsten Orden ehren zu wollen. Und nur um zu erkennen, dass sich die Bundesrepublik immer mehr zu einem Absurdistan entwickelt, hätte es dieser Ordensverleihung wiederum nicht bedurft. Gibt es denn nun gar nichts, um diesen launigen Kommentar etwas hoffnungsvoller ausklingen zu lassen? Doch, gibt es: Vielleicht schaffen es der Bundespräsident und die Geehrte ja, dem Publikum wenigstens eine Verleihungszeremonie mit angemessenem realsatirischen Unterhaltungswert zu bieten. 

Foto: Illustration Rudolf Wildermann

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Holger Chavez / 17.04.2023

Julian Reichelt hat dazu einen herausragend guten, einen dichten Beitrag geliefert.  Höchst professionell gemacht, Überaus sehenswert. Warum verlinken Sie nicht darauf? Der “Mäusezahhn” ist sicher anmaßend arrogant und dadurch persönlich verletzend. Ja und?

Steffen Schwarz / 17.04.2023

Das Bild zum Beitrag ist ja genial. Ich hau mich weg… Kann die Achse das als Pdf zum herunterladen beistellen.?

Thorsten Lehr / 17.04.2023

Die Verleihung dieses Karnevalsorden aus der Hand des peinlichsten Bundespräsidenten seit Bestehen der bunten Republik an die ‚größte Kanzlerin aller Zeiten‘ zeigt überdeutlich, wie verrottet dieses Land mittlerweile ist. Der erstaunte Bürger zuckt mit den Achseln und lässt es geschehen, spielt ohnehin keine Rolle mehr. Deutschland taumelt mal wieder einem Untergang entgegen, so langsam hat man damit ja hier fast Routine. Allerdings wird diesmal wohl niemand mit einer Wiederaufbauhilfe um die Ecke kommen, was bei einer islamisch dominierten Zukunft des Landes auch egal ist. So verabschiedet sich eines der größten Kulturvölker aus eigenem Entschluss aus der Geschichte. Aber immerhin mit entsprechenden Pomp!

Tobias Meier / 17.04.2023

Vielleicht muss es nicht “das Großkreuz” sondern “der Großkreu(t)z” heißen. In Anlehnung an den vor Bälle tretenden AufdemPapierWeltmeister von 2014 und späteren Döner-Weitwerfer Kevin. Schon in ruhmreicheren Tagen glänzte dieser junge Mann durch unsoziale Beiträge in sozialen Medien, sportlich ging es von der deutschen und Weltmeisterschaft schnurstracks in die Niederungen des deutschen Amateurfußballs. Vielleicht eine Analogie zur Kanzlerschaft von Angela der Großen: am Beginn der Karriere weltmeisterlich überschätzt, zeigte sie schon bald ihr wahres provinzielles Potenzial.

Thomas Szabó / 17.04.2023

Mal sehen, ob Merkel denselben Medien zum Fraß vorgeworfen wird, die sie einst so hochgelobt haben.

Heiko Stadler / 17.04.2023

Auch Merkels Vor-Vor-Vorgänger Erich (Honecker, Kohl, Schröder, Merkel) bekam alle wichtigen Auszeichnungen der damaligen DDR: den Karl-Marx-Orden, den Ehrentitel Held der DDR mit dazugehöriger Goldmedaille, den Vaterländischen Verdienstorden mit Ehrenspange, Banner der Arbeit, Held der Arbeit, und den Leninorden. Die zu Merkel passenden Karl-Marx-Orden und Leninorden blieben Merkel nur deshalb verwehrt, weil es sie nicht mehr gibt, aber man weiß ja nie . . . Vielleicht werden sie in Fortschrittsland wieder eingeführt. In Diktaturen behängt man sich bekanntlich gerne mit dem Glitzerzeug. Als Diktator*in hat man ja sonst wenig Freude mit dem undankbaren Pack.

Gerhard Schmidt / 17.04.2023

Alte Volksweisheit: “Orden sind wir Hämorrhoiden - Früher oder später hängen sie an jedem A…loch”...

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Peter Grimm / 22.05.2025 / 06:05 / 54

Das ganz kleine Karo im Bundestag

Deutschland wird immer stärker von Krisen erfasst, und die Neuwahlen sollten bekanntlich einen Politikwechsel bringen. Stattdessen spielt der neue Bundestag das gewohnte Staatstheater und ist…/ mehr

Peter Grimm / 20.05.2025 / 06:00 / 74

Neue Asylpolitik macht schon schlapp

Kanzler Merz will, dass es in Deutschland wenigstens nach Asylwende aussieht. Die Bundespolizei scheint vom Grenzschutz überfordert. Für mehr Abschiebehaft muss die Justiz Pensionäre rekrutieren. Aber die…/ mehr

Peter Grimm / 16.05.2025 / 14:00 / 14

Klingbeils Traum von neuen Schuldenquellen

Der SPD-Bundesfinanzminister erklärte gestern im Bundestag seine Politik. Neben vielen schönen Worten stach sein Plan heraus, noch in diesem Jahr die Schuldenbremse weiter schleifen zu…/ mehr

Peter Grimm / 15.05.2025 / 06:25 / 100

Ein europäischer Führer mit der bald größten Armee?

Die Positionswechsel des Friedrich Merz sind weiterhin atemberaubend. In seiner gestrigen Regierungserklärung steht er treu und fest zu seinem speziellen inhaltlichen Wischiwaschi. Friedrich Merz ist inzwischen…/ mehr

Peter Grimm / 06.05.2025 / 06:25 / 51

Merz, Klingbeil und die Neuordnung der Textbausteine

Der Koalitionsvertrag wurde gestern unterschrieben, heute folgen Kanzlerwahl und Amtsübernahme der neuen Regierung. Und was ist neu? Die Textbausteine. Der „Wumms“ ist weg. Bundeskanzler Olaf Scholz…/ mehr

Peter Grimm / 03.05.2025 / 13:30 / 82

Noch mehr Demokratie-Abbau wagen?

Klar, auf die Rechtsextremismus-Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz folgt sofort die Verbots-Debatte. Das war erwartbar, die harsche Kritik aus der US-Regierung daran offenbar nicht.…/ mehr

Peter Grimm / 28.04.2025 / 06:00 / 109

Lehren aus einem Krieg, der nicht zu gewinnen ist

Der angestrebte Trump-Putin-„Deal“ zeigt, dass der Ukraine-Krieg wohl mit einem bitteren Frieden enden wird. Der Westen sollte sich dringend einiger Lehren aus dem Kalten Krieg…/ mehr

Peter Grimm / 25.04.2025 / 12:00 / 44

Durchsicht: Habecks letzte Null

Der scheidende Bundeswirtschaftsminister verkündete auf seiner letzten Pressekonferenz im Amt wieder einmal Nullwachstum und vermag dennoch keine Wirtschaftskrise zu erkennen, nur unbefriedigende Zahlen. Und es…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com