Die Höchststrafe für Satiriker

Eines vorweg: Mit den aktuellen Kabarettisten können Sie mich in aller Regel jagen. Ja. Ob „Extra 3“, oder „Neues aus der Anstalt“. Ob Pispers, Rether und wie sie alle heißen. Meist überzeugt mich ihr Programm nicht. Nicht nur, weil die Themenauswahl selektiv ist und in das Weltbild der Protagonisten zu passen hat, was wiederum zur Folge hat, dass andere, wichtige Themen nicht vorkommen. Vor allem aber nervt mich das gewollt Ernste in den Nummern, wenn die Künstler von Bedeutung nur so triefend ihre völlig unmaßgebliche moralische Agenda präsentieren.

Auch viele Beiträge von Dieter Nuhr oder Lisa Eckhart hauen mich nicht vom Hocker. Sie sind nett, ja, ja, Ok. Aber Sie wissen ja, wie die Schwester von „nett“ heißt. Einzig die skurrilen Interviews mit der Eckart unterhalten mich sehr, da sie auf eine unglaublich authentische und gleichzeitig so künstlich-sterile Weise eine Originalität an den Tag legt, die vielleicht noch an die wunderbare Monika Gruber heranreicht, wenn sie mal wieder in Altbairisch die Merkwürdigkeiten des Alltags beschreibt. Noch mehr als das erheitert mich jedoch der regelmäßige Shitstorm um Lisa Eckhart von Leuten, die tatsächlich nicht in der Lage sind, zwischen Person und Kunstfigur zu unterscheiden. So doof zu sein, ist auch irgendwie Kunst. 

Lachen First, sich langweilen Second

Aber dennoch: Deutsches Kabarett ist seit Hanns Dieter Hüsch, Wolfgang Neuss und Dieter Hildebrandt nicht mehr das, was es war oder vielmehr das, was es sein sollte: den herrschenden Herrschaften mit Satire und Biss wenigstens für einen Moment das selbstgerechte Grinsen aus dem Gesicht zu zaubern. Ich selbst durfte Hüsch, aber auch Neuss, Beltz und Degenharts Werke einmal in einer kabarettistischen Revue, in der ich mitspielte, interpretieren. Mich beeindruckten damals vor allem die Texte von Wolfgang Neuss („Ich finde Weizsäcker gut. Aber nicht so gut, wie er tut“) und die vom schwarzen Schaf vom Niederrhein.

Wo Hüsch noch in „Die sogenannten Intellektuellen“ das Establishment auf seine Art verhöhnte, scheinen mir viele der heutigen Spaßerzeuger eben diesem Establishment gefallen zu wollen. Genauso spielte es sich in diesen Tagen in München ab. Auf dem Nockherberg, wo in diesem Jahr wieder das „Derblecken“ stattfand. Doch da mir die Sendung wärmstens empfohlen wurde, freute ich mich auf den Abend. Vielleicht werde ich eines Besseren belehrt beim diesjährigen Nockherberg. Weiß man‘s? 

„Derblecken“ ist Bayrisch und heißt kritisieren, verspotten. Gerne laut und gerne derb. Klassischerweise sitzen die Großkopferten vor Wurschtplatten, Riesenbrez‘n und Metallkrügen voll Starkbier und lachen sich bei jeder noch so schiefen Pointe ein Loch in den Bauch. Mit hochroter Visage und dem Puls kurz vorm Kammerflimmern schütteln sich die Politiker durch den Abend. Was sind unsere Herrschaften doch für humorige Wesen! Ja nicht den Anschein erwecken, man sei mit dem Programm nicht so einverstanden. Lachen first, sich langweilen second. 

Maxi Schafroth war wie sein Vorname: lieb und harmlos

Nachdem der Nockherberg 2020 aus lauter Schreck vor dem pandemischen Massensterben ausgefallen war, was dann selbst ausfiel, fand das Derblecken 2021 ohne Zuschauer statt. Maxi Schafroth führte in einem Solo den Zuschauer durch das Programm, in dem die Großkopferten, vom Aiwanger bis zur Schulze und natürlich unser aller Führer, Dr. Markus Söder, via Webcam zugeschaltet waren. Jeder hatte seinen eigenen Bildschirm und jede Partei war auch vertreten. Schön. Moment, jede Partei? Leider hatten der Bayrische Rundfunk die größte Oppositionspartei im Bundestag vergessen. Dafür sah man Dietmar Bartsch, DIE LINKE, von einer Partei, die überhaupt nicht im Maximilianeum sitzt. 

Der Standard will doppelt sein. Gerade radikalisierte sich die Linke mit ihren beiden neuen Vorsitzenden. Susanne Hennig-Wellsow unterzeichnete den Appell für eine antikapitalistische Linke, eine Gruppierung, die der Verfassungsschutz als verfassungsfeindlich einstuft. Ebenso wie Marx 21, ein Bündnis, das die Co-Vorsitzende Janine Wissler mitgründete. All das wären Steilvorlagen fürs Derblecken, wenn schon mal der Fraktionsvorsitzende Bartsch „vor Ort“ ist. Wäre. Kein Wort davon. Auch der Versuch, die AfD per Verfassungsschutz zu beobachten, was vorerst krachend scheiterte, fand im Programm keinen Platz, ebenso wie die 20 Abgeordneten der Ex-SED, die verfassungsfeindliche Gruppierungen unterstützen

Das Programm vom Maxi Schafroth war wie sein Vorname: lieb und harmlos. Mühe gab er sich, keine Frage, und die choralen Gesangseinlagen waren wirklich hörenswert. Doch zu zaghaft, zu nett und zu respektvoll, fast schon anbiedernd schlingelte sich der Allgäuer durch den Abend. Und die Politiker? Sie lachten standesgemäß, was man, je länger der Abend wurde, um so häufiger und lauter hörte. Eigentlich hörte man irgendwann nur noch Katharina Schulze, die grüne fleischgewordene Infantilität. Jede Pointe beantwortete Mrs. Femizid mit einem Kichern oder gar einem Lachen. Ich habe keine Ahnung, welchen Sinn es macht, die völlig uninteressanten Reaktionen von Katharina Schulze zu präsentieren. Eins jedoch weiß ich ganz bestimmt: Es nervte tierisch. 

Zweimal „Sieben Jahre in Tibet“

Eingebettet war Schafroths Programm in eine 45-minütige An- und eine 30-minütige Abmoderation, die sich wie zweimal „Sieben Jahre in Tibet“ anfühlte. Ja. Ich habe keinen Schimmer, weshalb man alle 28 geschalteten Politiker vorher fragen muss: „Was erwarten Sie vom Nockherberg 2021?“ Und nach der Show dann fragen muss: „Wie fanden Sie den Nockherberg 2021?“ Oder, vielleicht weiß ich es doch? Diese anbiedernde Moderation erregt den Verdacht der Gefälligkeit. „Hoffentlich g'fällt‘s dem Margus und dem Hubert!“

Kurze Antwort auf die Sorge: Ja, es gefiel. Ein jeder Politiker wurde nach dem Programm interviewt und jeder, wirklich jeder sagte das gleiche: „Mei, der Maxi hat des so schee gemocht!“ Ja, ja. So schee. Der Schwiegersohn vom Nockherberg wurde von allen herzlich geherzt, und wäre es eine echte Live-Veranstaltung ohne Abstandsregeln, käme er aus den Umarmungen nicht mehr raus. Den einzigen, eher sphärischen Unterschied machte Hubert Aiwanger. Der bayrische Wirtschaftsminister hörte sich an, als sei er gerade auf dieser Mars Mission und repräsentierte eindrucksvoll den Stand der Digitalisierung in Bayern. „Aber auch so schee hat‘s der Maxi gemacht“, freute sich auch Claudia Roth. Na dann kann ja nix mehr schiefgehen. 

Die Höchststrafe für einen Satiriker ist es, vom Ziel seiner Satire gelobt zu werden. Der Maxi Schafroth wurde von jedem einzelnen Politiker bestraft. Und er hat selber Schuld. Wenn auch nur einer der Herrschaften seine Visage noch im Griff hat, bei mehr als 90 Minuten Zeit für Beleidigung und Spott, der betreibt kein Kabarett, sondern Kabarettismus. Wie der Hofnarr den König bei Laune hielt, so degradiert sich Maxi Schafroth selbst zum Pausenclown des Establishments. Gefälligkeit und Satire geht nicht zusammen. Kabarett und politische Agenda auch nicht. Kabarett sollte nicht zum Kabarettismus verkommen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Julian Marius Plutz' Blog Neomarius.

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Leserpost

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Jürgen Keil / 09.03.2021

Zur Charakterisierung dieses Klamauks ist nichts hinzu zufügen. Das die AFD nur in dem Zusammenhang erwähnt wurde, als der bärtige Kaspar verkündete, daß er sie nicht erwähnen wird, könnte Trotzreaktionen provozieren. Könnte mir vorstellen, daß einige sagen werden: “Nu werr mer se erscht recht wähln”

Peer Doerrer / 09.03.2021

Die AfD ist so Schei****eeee , so Nazidreck muss weg . Rassismus huh , huh überall….So und genauso ist der Kulturbeitrag von 99 % unserer ” Kunstschaffenden ” pausenlos egal ob im Fernsehen , im Theater , im Kino oder in Youtube - Videoschnipseln . Ein einziges Beispiel : geben sie bei Youtube das Kürzel AfD ein ...hunderte Beiträge von ” Künstlern ” aus Deutschland , die gegen die bösen Nazis kämpfen ,Liedchen trällern , Sketche zum besten geben . Man kann nur noch brechen und sich von solchen ” Staatskünstlern ” abwenden . DA gefallen mir sogar die Bilder von Marilyn Manson besser , auch wenn seine Kunst recht gewöhnungsbedürftig ist .

Ulrich Heuer / 09.03.2021

Ich konnte diese Sendung keine 30 Sekunden ertragen. Der Bayrische Staatsratvorsitzende als Teilnehmer ist ja wohl der Gipfel schlechthin. Die sogenannten Satiriker bekommen nur ein Auftrittsrecht wenn sie irgendeinen Dreck über Trump, Coronaleugner oder die AFD absondern. Dieter Nuhr war mal ein ganz Großer und weil er nicht 100% auf Linie ist kommen nur noch eine handvoll Kollegen in seine Sendung. Man merkt bei jedem seiner Auftritte das er sich im Verteidigungsmodus befindet. Unser Untergang läuft nach Plan. Die einzige Frage für mich ist: Sind diese Leute wirklich so blöd oder so skrupellos ?

Jürgen Althoff / 09.03.2021

In seiner Hoch-Zeit mitte der 60er Jahre, bevor er absackte, hatte Wolfgang Neuss auch aus heutiger Sicht prophetische Sprüche drauf: “Gläubige Dummheit, und niemals die Intelligenz des Zweifels ist es, was den Totalitarismus in diesem Land vernichtend zum Leben erwecken wird.” Das Ziel ist heute in Sichtweite.

Jo Waschl / 09.03.2021

Was will man noch erwarten ? Politische Kabarett wurde in den letzten 2 Jahrzehnten nach und nach durch den ÖR und seine zwangsfinanzierten Speichellecker enteiert. Die sogenannten “Kabarettisten” (und nicht nur die Böhmermanns, Ehrings, Kebekussis - mittlerweile auch der ganze Dreck in den Privaten - H.U. & Winterscheid und die ganzen Möchtegernlustigmigrantifantis) haben ja auch gar keine andere Chance - Regierung gibt einem Verein die Absolution zur Zwangsgebühreneintreibung -> ehemalige Handlanger der Merkel1-Regierung machen sich´s als Intendant mit 400.000 € p. A. und Riesenpensionen gemütlich -> Angestellte des Vereins haben so zu Berichten, wie die Regierung will, sonst gibt´s ; a) Keine üppigen Gehälter & Pensionen; b) Keine getarnten Coronawerbeeinnahmen (Gilt vor allem für ALLE PRIVATEN ! - woher Werbeeinnahmen, wenn bei den Firmen wegen Corona kein Geld mehr da ist ??? Tipp: ...Ihre Bundesregierung / Landesregierung / BGM…); c) Die Drohung: Berichtet auch nur 1x positiv über die AFD - wenn die in EINEM EINZIGEN BUNDESLAND in die Regierung kommen, sind eure Zwangsfinanzierten Arbeitsplätze weg ! Dann heißt es nämlich: Moment…wir haben doch Gesetze, oder ? Verträge zu Lasten Dritter (Tarifautonomie) sind doch nichtig, oder ? Also - was tun ??? Das selbe, was mittlerweile jeder AN macht, wenn er seinen Job behalten will - Maul halten und unterm Radar fliegen, sonst sieht´s für die eigene Zukunft düster aus. Das Klima der Angst wirkt sich in alle Lebensbereiche aus ! Zum Nockherberg: Der war mal nach OTTIS ! SCHLACHTHOF das Beste, was Bayern kabaretistisch zu bieten hatte - Sedlmayr, Grießer, Django Asül, Lerchenberg + überragende Singspiele mit Strauss, Stoiber, Westerwelle, Ude….und dann kam der Abschwung mit Gutmensch Springer, der unsäglich unlustigen Luise Kinseher - die Kamera immer wieder auf das unerträglich aufgesetzte Gegrinse von Drehhofer, Ritalinjunkie Katha Schulze, dem Magggus oder “Deutschland verrecke” Claudia geschwenkt. PFUI DEIFE !

Thomas Koch / 09.03.2021

Dann muss es wohl schlimmer gewesen sein wie zu DDR-Zeiten, wenn im Staatsfernsehen Sendungen mit von der Stasi autorisierten “Honecker-Witzen” ausgestrahlt wurden.

B. Kurz / 09.03.2021

Söder vor vier Tagen bei Illner: „Wir leben nicht in China. Wir können nicht einfach nur verordnen und befehlen - das ganze beruht auf einer hohen Legitimation der Bevölkerung ...”  Mal abgesehen davon, dass wohl Legitimation *durch* die Bevölkerung gemeint ist, ist der 2. Satz angesichts seiner Maßnahmen für mich Satire genug.

Gottfried Meier / 09.03.2021

Meine Frau, nicht besonders politisch interessiert, hat nach einer Stunde umgeschaltet: “Das ist mir zu langatmig und langweilig.” Recht hatte sie!

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