Erik Lommatzsch, Gastautor / 16.11.2022 / 15:00 / 14 / Seite ausdrucken

Die historische Fußnote: Der König und die Preßfrechheit

Das „Erneuerte Censuredikt für die preußischen Staaten“ ist vielleicht nicht das wichtigste, wohl aber ein erinnerungswürdiges Werk des preußischen Königs Friedrich Wilhelm II., der heute seinen 225. Todestag hat.

Sonderlich schmeichelhaft ist es nicht, schon zu Lebzeiten unter der Bezeichnung der „dicke Lüderjahn“ ein Begriff zu werden, zumal wenn man beruflich als König tätig war. Erschwerend dann noch der Kontrast zum Amtsvorgänger, dem wurde, ebenfalls schon zu Lebzeiten, der Beiname „der Große“ zugedacht.

Nein, ein Großer war er wirklich nicht, der preußische König Friedrich Wilhelm II., der Neffe und Nachfolger Friedrichs II. Der hielt selbst nicht sonderlich viel vom Thronerben, aber bekanntlich ließ und lässt sich bei dynastischen Reihungen da nur wenig machen.

Friedrich Wilhelm II. war nicht direkt bekannt dafür, ein Kostverächter zu sein, der persönlich eher asketische Lebensstil des muffligen und zunehmend auch muffigen Onkels war ihm fremd. Unter seinen vielfältigen Liebschaften ragt die Beziehung zu Wilhelmine Encke, später zur Gräfin Lichtenau erhoben, heraus – Stoff für ebenfalls vielfältige, mehr oder weniger gute literarische Verarbeitungen. Die Zeitläufte brachten es mit sich, dass der zunächst gar nicht so unbeliebte König, der seit August 1786 regierte, ob der Veränderungen in Frankreich den ewigen preußischen Dauerzwist mit Österreich einstellen musste. Am Ende seiner Herrschaft hatte er, hier stark profitierend von der zweiten und dritten polnischen Teilung, Preußen mehr Gebiete zugeführt als der Herr Onkel – was von der Art Geschichtsschreibung, die derartiges zum Maßstab nimmt, übrigens relativ wenig gewürdigt wurde.

Eindeutig auf der Haben-Seite zu verorten ist sein Mäzenatentum. Friedrich Wilhelm II., der nicht nur regierte und lüderte, spielte hervorragend Cello. Mit den namhaften Musikern seiner Zeit stand er in Kontakt, insbesondere mit Haydn, es gibt Hinweise darauf, dass er sich bemühte, Mozart zu verpflichten. Im Gegensatz zu seinem Herrn Onkel förderte er ausdrücklich die deutsche Kultur, die Theaterbühne verdankt ihm vieles, und auch die Architektur kam nicht zu kurz, wohlwollende Historiker vermuten sogar, dass die Grundform des Brandenburger Tors von ihm selbst entworfen wurde.

„Zügellosigkeit der jetzigen sogenannten Aufklärer"

Erinnert werden soll an Friedrich Wilhelm II., der 1797 starb und heute, am 16. November seinen 225. Todestag hat (als „Jubiläum“ etwas unrund, aber sei’s drum), allerdings aus einem anderen Grund. Am 9. Dezember 1788 erließ er das „Erneuerte Censuredikt für die preußischen Staaten“. Das war nicht allein die Idee des Königs, sein Ratgeber Johann Christoph Woellner ist in der Reihe der Urheber ganz vorn zu verorten, Woellner war es auch, der den König noch als Kronprinz dem Rosenkreuzer-Orden zugeführt hatte.

Paradiesisch pressefrei war Preußen unter Friedrich II. ebenfalls nicht (was die Toleranz angeht, hat „der Große“ überhaupt einen etwas zu guten Ruf), aber unter seinem Neffen gab es noch einmal besondere Akzente. So schrieb dieser etwa im Vorfeld des Zensur-Edikts, er vernehme daß die Preßfreiheit in Berlin in Preßfrechheit ausartet und die Bücherzensur völlig eingeschlafen ist, mithin gegen das [vorausgegangene, am 9. Juli 1788 erlassene Religions-] Edikt allerlei aufrührerische Scharteken gedruckt werden. Gegen die Buchhändler und Buchdrucker sei sofort vorzugehen und dem König seien Vorschläge zu tun, wie die Bücherzensur auf einen besseren Fuß eingerichtet werden kann. Friedrich Wilhelm II. weiter: Ich will meinen Untertanen alle erlaubten Freiheiten gern akkordieren, aber ich will auch Ordnung im Lande halten, welche durch die Zügellosigkeit der jetzigen sogenannten Aufklärer, die sich über alles wegsetzen, gar sehr gelitten hat.

Im Zensur-Edikt selbst heißt es einleitend: Ob Wir gleich von den großen und mannigfaltigen Vortheilen einer gemäßigten und wohlgeordneten Preßfreyheit, zur Ausbreitung der Wissenschaften, und aller gemeinnützigen Kenntnisse, vollkommen überzeugt, und daher solche in Unseren Staaten möglichst zu begünstigen entschlossen sind, so hat die Erfahrung gelehrt, was für schädliche Folgen eine gänzliche Ungebundenheit der Presse hervorbringe und wie häufig dieselbe von unbesonnenen oder gar boßhaften Schriftstellern, zur Verbreitung gemeinschädlicher praktischer Irrthümer über die wichtigsten Angelegenheiten der Menschen genutzt werde.

Und weiter: Die Absicht der Censur ist keineswegs, eine anständige, ernsthafte und bescheidene Untersuchung der Wahrheit zu hindern, oder sonst den Schriftstellern irgendeinen unnützen und lästigen Zwang aufzulegen, sondern nur vornehmlich demjenigen zu steuern, was wider die allgemeinen Grundsätze der Religion, wider den Staat, und sowohl moralischer als bürgerlicher Ordnung entgegen ist, oder zur Kränkung der persönlichen Ehre, und des guten Namens anderer abzielet.

Worte aus vergangener Zeit, wie schon am Duktus erkennbar. Glücklicherweise ist so etwas heute völlig unvorstellbar, schließlich haben wir ja das absolutistische Zeitalter weit hinter uns gelassen.

 

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Arne Ausländer / 16.11.2022

Ja, Preßfreiheit hieß ursprünglich die Freiheit, unzensiert zu drucken. Das ist in Deutschland seit 1933 schon durch das in den meisten Fällen vorgeschriebene Impressum eingeschränkt. Nur von Nov.1918-Feb.1933 war diese Freiheit unbeschränkt. Denn für Anonymität kann es viele Gründe geben, daher gehört das Recht auf sie zur vollen Freiheit. - Abgesehen davon kann man - in eigenen Erzeugnissen - derzeit in Deutschland ja noch alles drucken und schreiben, wiederum mit einigen mehr und auch weniger klaren legalen inhaltlichen Einschränkungen. Noch sollte es also kein Problem sein, über die Lage von politischen Gefangenen wie Ballweg zu berichten, oder politisch Verfolgten wie Bakhdi. Oder über die Montagsdemos, deren Teilnehmerzahlen gerade wieder stark ansteigen. Auch über deren Problem der immer diffuseren Ziele: Gegen andauernde Coronadrangsalierung und Vernachlässigung der Impfopfer, gegen Preissteigerungen und vermeidbare Energieverknappung, gegen Krieg (bei uneinheitlicher Schuldzuweisung) und politische Hetze von Staats wegen (wenn alle Kritiker in die Neonazi-Ecke gestellt werden, wie gerade jetzt erst durch Ramelow in Thüringen ganz explizit) usw. Alles wichtige Themen, außer in der Kriegsschuldfrage (welch Déja-vue in Deutschland!) herrscht weitgehend Einigkeit - aber ist so eine diffuse Zusammenklumpung der Themen den Erfolgsaussichten zuträglich? Wäre nicht eine themenbezogene Akzentuierung und Strukturierung sinnvoller? Oder auch kommunikativere Aktionsformen, als durch die kälter werdenden Straßen zu latschen? Und das Eine müßte das Andere ja nicht ausschließen. So nun droht es sich totzulaufen, drohen die Verfolgten allein zu bleiben (immerhin jeweils mit einem Kreis treuer Freunde). Wir nutzen unsere Restfreiheit zaghaft und planlos, scheint mir.

wilfried Düring / 16.11.2022

‘zur Kränkung der persönlichen Ehre, und des guten Namens anderer’. Wieso ‘des guten Namens’ anderer? Das sind doch alles Hetzer, Ketzer, Schwätzer, Donkel-Deutsche, Loigner, Querrr-Denker und und und - Nathzies!

Ludwig Luhmann / 16.11.2022

“(...) it stands, inscribed with a simple message for preserving future generations. (...)”—- Der Text ist so schmierig kitschig wie die Inschriften auf dem Schandmal selbst. Und sehr typisch ist auch die für “Eliten” charakterisierende Verdrehung der Tatsachen. Es geht eben um Massenmord. Und egal aus welcher Perspektive ich die Sache betrachte, diese Leute scheinen mir einen schlechten Geschmack, wenig Phantasie und eine nicht allzu hohe Bildung zu haben. Ich stelle mir vor, dass es ein Neureicher war, der sich vom Schuhputzer nach oben gearbeitet hat.  So einer der seinen Reichtum mit sehr teuren Rokokoimitaten zur Schau trägt. - Ein wahrer Wohltäter, der sich erbarmt hat, diesen kranken Mist ein bisschen anzusprengen ...

Arne Ausländer / 16.11.2022

@Ludwig Luhmann: Es ist schon eine Weile her, daß ich mich mal näher mit diesen Steinen befaßt hatte. Auf Anhieb weiß ich jetzt nicht, wo ich daß Material dazu abgespeichert habe. Aus der Erinnerung: In den 1970ern tauchte angeblich ein R.C. Christian bei einer Steinmetzfirma östlich von Atlanta (Georgia) auf und gab diese Steine in Auftrag. Der Name ist offensichtlich ein sprechendes Pseudonym für Rosenkreuzer, der Eigentümer der Firma auch Mitglied in einschlägigen Vereinen. Um die bald darauf errichteten Steine wurde immer mal wieder etwas Rummel veranstaltet, auch Inschriften ergänzt. Der Inhalt widerspiegelt typische Ansichten im Freimaurermilieu, das aber bedeutend weiter gefächert ist, als daß man sie als repräsentativ bezeichnen könnte. Zwar ist Atlanta (und hier ist der Bezug, nicht bei dem zufälligen kleinen Nest in der Nähe, wo die Steine standen) eine nicht unwichtige Großstadt, aber nichts deutet daraufhin, daß der Verein dort auch nur annähernd die Macht hätte, die genannte Optimalzahl für die Menschheit von 500 Millionen praktisch durchzusetzen. Vielmehr wurden die Steine gern von anderen interessierten Seiten benutzt, um diese Zahl ins Gespräch zu bringen, von Befürwortern wie Gegnern, die es in vielen Lagern gibt. - Auf archive,org findet man, wenn man zu “Georgia Guidestones” nur nach Texten sucht, ganz oben eine gleichnamige 100seitige Broschüre der Urheber selber, frei downloadbar oder im Browser zu lesen (auf englisch natürlich).

Xaver Huber / 16.11.2022

Sehr geehrter Herr Lommatzsch, vielen Dank für Ihr Bemühen, Fakten gegen historische Erzählungen anzuführen, was auch bedeutet, am Denkmal des großen Friedrichs zu rütteln, möge er auch an Spitze der Erinnerung an das (große), vergangene Deutschland stehen.\\\In ähnlicher Weise ist auch das Bewußtsein für die monarchistische Herrschaft zum Nutzen des Individuums vergangen.\\\Insofern drängt sich der Verdacht auf, es sei vor allem die Geschichtsvergessenheit - ohne Kenntnis der Vergangenheit ist die Gegenwart unverständlich -, die die heutigen Eliten davor bewahrt , von dem Volkszorn hinweggefegt zu werden.\\\In diesem Sinne haben Internet, Mobil-Flatrate und Klimahysterie ihre funktionale, “demokratie”-stabilisierende Bedeutung.

sybille eden / 16.11.2022

Donnerwetter ! Dann hat ja die heutige Regierung ja doch ihre Tradition !

Marc Blenk / 16.11.2022

Lieber Herr Lommatzsch, es ist offensichtlich, dass unser Staat der Maas und Faeser -Jahre, vor allem was den Umgang mit der Meinungsfreiheit angeht, sowie dem ganzen Staatsverständnis, auch intellektuell noch hinter das fällt, was Friedrich Wilhelm II dem Volk dem Dekret nach zugemutet hatte. Wenn die Gesellschaft nicht dermaßen geschichtsvergessen wäre, hätten die Abrissbirnen unserer Demokratie nicht solch leichtes Spiel. Wenn früher die Majestäten aus ihren goldenen Kutschen dem Volke zugewunken haben, waren sie allerdings besser angezogen als die heutigen Darsteller des neuen Parteiabsolutismus, für welche die Bundesbahn seit neuestem Sauberkeit und unbedingte Pünktlichkeit ihrer Züge dem Personal auferlegt, für den Fall, dass einmal einer dieser Parteifreaks sich in einen ICE verirren sollte. Das aktuelle Verhältnis von Bundespolitiker und Bürger entspricht dem der Obrigkeit zum Untertan. Nur dass die Obrigkeit heute auf sehr unentspannte Weise getrieben scheint von einem gesteigerten und gequälten Erziehungsdranges dem kleinmütigen Volk gegenüber. Das macht müde und tackert den jugendbewegtesten politischen Despoten schneller die Falten ins Gesicht als erwartet. Des Volkes obszöne Begierde und Spiel mit dem Ekel, dürfte der sinnbildliche Wunsch sein, diese Herr - und Frauschaft, diese FrauennundHerrenmenschen endlich nackt zu sehen, mit ihren alternden Tattoos, frierend und zitternd vor dem Spiegel ihrer schlechten und menschenfeindlichen Ideologien. Und einen von ihnen hört man sprechen: Ich liebe, ich liebe doch alle, alle Menschen….

Ludwig Luhmann / 16.11.2022

@Arne Ausländer / 16.11.2022 - “Da ja auch die “Georgia Guidestones” von Rosenkreuzern errichtet worden waren, sollte man dieses Label wohl mal etwas beleuchten. (....)”—- Soweit ich weiß, scheint es noch immer nicht sicher bekannt zu sein, wer jene kitschigen Guidestones hat errichten lassen. Vielleicht kennen Sie ja Ross und Reiter und noch viel mehr?

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