Henryk M. Broder / 01.04.2009 / 17:08 / / Seite ausdrucken

Die Hermann-Schlacht und das Karussell der Gutmenschen

Wissen Sie, was eine humanitäre Katastrophe ist? Die Erhöhung der Mehrwertsteuer? Die Kürzung der Kilometerpauschale? Die Pleite von Schiesser? Das Drama um Opel? Oder vielleicht die Notlage der Hamas, die aufgrund der Blockade von Gaza nur selbst gebastelte Raketen einsetzen kann, weil die großen nicht durch die Versorgungstunnels passen? Vergessen Sie’s. Das hier ist eine humanitäre Katastrophe:

http://magazine.web.de/sidbabhdfd.1238503065.30712.kpxof3cdxt.74.aba/de/themen/nachrichten/ausland/7888068-Hunderte-Fluechtlinge-vermutlich-ertrunken,cc=000005507900078880681TKUoV.html
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,507456,00.html

Tausende von Afrikanern ertrinken jedes Jahr bei dem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren. Den Europäern geht das am Arsch vorbei, sie sorgen sich, wenn überhaupt, um andere Spezies. Die Eisbären, denen das Eis unter den Tatzen wegbricht und die Palästinenser in Gaza, die nicht frei und ungehindert nach Israel einreisen können, um dort Busse, Cafes und Supermärkte ein wenig aufzumischen. Keine Pax-Christi-Gruppe macht sich auf den weg nach Lampedusa, kein Friedensfreund aus Kassel chartert ein Boot, um den Schiffbrüchigen zu Hilfe zu kommen. Nicht einmal Rupert Neudeck, der mit der Cap Anamur Tausende von Vietnamesen gerettet hat und dem wir deswegen alles nachsehen, was er heute treibt. 

Denn es gibt Wichtigeres zu tun. Wieder einmal hat sich eine Gruppe von Friedensaktivisten mit “jüdischem Hintergrund” zusammengetan, um gegen ein Unrecht zu kämpfen, das zum Himmel stinkt: Die Tatsache, dass der Duisburger Kommunalpolitiker Hermann Dierkes sich selbst ins Knie geschissen und um die Chance gebracht hat, OB der Stadt Duisburg zu werden. Das ist die humanitäre Katastrophe schlechthin! Gerade wir Juden, die wir so viel gelitten haben und so brutal verfolgt wurden, müssen uns mit dem Opfer solidarisieren: Hermann Dierkes, den sogar seine Partei für einen Deppen hält, der Links von Rechts nicht unterscheiden kann. Schauen Sie mal

http://www.zcommunications.org/znet/viewArticle/21016
http://usacbi.wordpress.com/2009/03/31/on-anti-semitism-boycotts-and-the-case-of-hermann-dierkes-an-open-letter-from-jewish-peace-activists/

Die meisten Unterzeichner sind No names, viele gehören zu den üblichen Verdächtigen, manche haben sich als Bruchpiloten einen Namen gemacht, wie mein alter Freund Abi, andere treten als Hochstapler auf, wie der Zürcher “Recherchierjournalist”, der mit einem australischen Preis eine Riesenwelle angibt, den er sich mit vier weiteren Rechercheuren teilen musste (http://de.wikipedia.org/wiki/Shraga_Elam), nur wenige sind richtig prominent wie die “Globalisierungskritikerin” Naomi Klein. Nun kann man als sicher annehmen, dass Naomi nicht einmal weiss, wo Duisburg liegt, dennoch wacht sie jeden Morgen mit dem Gedanken auf: “Wie geht es Hermann Dierkes?” und geht jeden Abend mit dem Gedanken schlafen: “Was macht Hermann Dierkes?” Und wenn sie die Globalisierung endgültig in den Keller geschrieben hat, wird sie ein Buch über Hermann Dierkes schreiben: “The Hero and his Henchmen”, hat er sich doch kürzlich darüber beschwert, dass er öffentlich gesteinigt wurde.

Was an diesem Sturm im Fingerhut interessant ist: Liegen die Unterschriftenlisten irgendwo bereit oder werden sie von Fall zu Fall neu konfiguriert? Sitzt da einer tagelang am Telefon und Computer und kommuniziert rund um den Globus, um die Unterschrift von Naomi Klein zu bekommen, so wie früher hysterische Teens tagelang vor der Westfalenhalle ausharrten, um ein Autogramm von Freddy Mercury zu ergattern? Fest steht jedenfalls: Das sind die menschlichen Katastrophen, die unsere Gutmenschen um den Schlaf bringen. Das letzte Mal gab es so einen Bohei als Felicia Langer die Teilnahme an einem ELS-Symposium in Zürich verweigert wurde. Jetzt sind Felicia und ihr bezaubernder Mann Mieciu bei den Unterzeichnern dabei. So klein ist das Karussell der Gutmenschen. Man dreht sich im Kreise.

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