Manfred Haferburg / 10.11.2018 / 16:00 / Foto: Abbey Hendrickson / 30 / Seite ausdrucken

Die Herausforderung, Wählerstimmen richtig zu zählen

Was haben die Flüchtlingskrise, die Energiewende – die ja eigentlich eine Energiekrise ist – und die Finanzkrise miteinander zu tun? Dass sie die größten „Herausforderungen“ des 21. Jahrhunderts sind. Es sind für meinen Geschmack ein paar zu viele „historische Herausforderungen“, insbesondere wegen ihrer Gleichzeitigkeit. Und ich werde das Gefühl nicht los, dass „Krisen“ in „Herausforderungen“ umbenannt wurden. Klingt ja gleich viel optimistischer.

Der Finanzminister Schäuble sah schon 2011 in der Rettung Europas aus der Schuldenkrise „eine historische Herausforderung“. Heute kostet die Schuldenkrise den Steuerzahler mehr als die Energiewende.

Kanzleramtsminister Altmaier schrieb 2013: „Hinter der Energiewende verbirgt sich nichts weniger als die größte wirtschaftspolitische Herausforderung seit dem Wiederaufbau und die größte umweltpolitische Herausforderung überhaupt“. Die Energiewende kostet jährlich mehr, als der gesamte Staatshaushalt Verkehr und Infrastruktur.

Und die Kanzlerin sagte im November 2015: „Die Flüchtlingskrise ist die größte Herausforderung nach der deutschen Einheit." Heute kostet die Herausforderung Migration mehr als die Bundeswehr

Alle drei „historischen Herausforderungen“ sind auch heute noch unbewältigt. Manchmal bitte ich den lieben Gott darum, uns doch die Probleme, die wir in den neunziger Jahren hatten, zurückzugeben und gegen die neuen „Herausforderungen“ einzutauschen. Da war wenigstens ein Ende abzusehen.

Bei der Bewältigung der Herausforderungen passieren dann hin und wieder ein paar „Pannen“. Eine Panne ist ein peinlicher, durch Ungeschicktheit verursachter Vorfall beim Ablauf von etwas. Das Wichtige an einer Panne – sie ist nicht strafbar.

Im Zählcomputer landeten die Stimmen anderswo

Es fing mit Pannen bei der Wahl in Bremen an. Bei einigen Stimmzetteln war der Fall klar: Sie trugen Kreuze für die AfD, doch bei der Eingabe in den Zählcomputer landeten die Stimmen anderswo. Da seien die Wahlhelfer wohl versehentlich in die falsche Spalte geraten, vermutete ein den Fall untersuchender Gerichtsvorsitzender wohlwollend. 

Dann kamen die Pannen bei der Wahl in NRW zu Ungunsten der AfD. "Der Wahlvorstand hat sich vergaloppiert", sagte ein Sprecher der Stadt Mönchengladbach. "Sowas darf nicht passieren." Ist es aber, na ja – Schwamm drüber.

Und jetzt bei der Hessenwahl kam es zu erheblichen Pannen. Von einer „Computerpanne“ ist die Rede. Hat sich hier der Computer vergaloppiert? In „einigen Wahlbezirken“ wurden gravierende Mängel bei der Auszählung von Stimmen festgestellt. So seien Ergebnisse vertauscht, Zahlen verdreht und ganze Stapel mit Stimmzetteln vergessen worden, berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ unter Berufung auf eine Sitzung des Kreiswahlausschusses. Zudem seien die Ergebnisse in einigen Bezirken nur geschätzt worden, was zu Differenzen von jeweils mehreren hundert Stimmen gegenüber dem tatsächlichen Wahlausgang geführt haben soll. Wegen auffälligen Ergebnissen mit unter anderem sehr niedrigem Werten für die CDU und AfD muss nun in mehreren Wahlbezirken neu ausgezählt werden. 

So etwas hätte ich eigentlich eher von einem Entwicklungsland erwartet, aber nicht von der Bundesrepublik Deutschland, die Wahlbeobachter in alle möglichen Bananenrepubliken entsendet. Das erinnert mich daran, dass es in der DDR keine Wahlpannen gab. Es war doch nicht alles schlecht in der DDR. Dort erreichte die Einheitsliste der Nationalen Front, besehend aus SED, Liberalen, Christdemokraten, Demokratischen Bauern, Nationaldemokraten und den Massenorganisationen der Gewerkschaften, Jugend, Frauen, Kultur und Antifaschisten stets mehr als 99 Prozent und damit eine überwältigende Zustimmung der Bevölkerung. Sogar im Mai 1989, fünf Monate vor der Wende waren es noch 98,77 Prozent. Aber das Ergebnis war wohl eher Wahlpannen bei der Auszählung der Stimmen zuzuschreiben. Gegen DDR-Funktionäre wurden danach wegen Wahlfälschung mehr als 20 Gerichtsverfahren eingeleitet, die mit Bewährungsstrafen endeten oder eingestellt wurden. 

Da brauchen sich die heutigen Wahlpannenpechvögel wohl keine Sorgen zu machen. Jedenfalls nicht, solange sie sich in die richtige Richtung irren. Jedenfalls ist nach meinem Wissen bisher keine der Wahlpannen gerichtlich verfolgt worden. Es heißt ja auch im Strafgesetz nicht „Wahlpanne“, sondern Wahlfälschung, §107a: 

(1) Wer unbefugt wählt oder sonst ein unrichtiges Ergebnis einer Wahl herbeiführt oder das Ergebnis verfälscht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer das Ergebnis einer Wahl unrichtig verkündet oder verkünden lässt.
(3) Der Versuch ist strafbar.

Und da sind wir schon direkt bei der „Deutungshoheit“. Der Kampf um die politische Deutungshoheit ist voll entbrannt. Das heißt, es wird um den heißen Brei herumgeschwurbelt, dass es nur so raucht – von den verbalen Nebelbomben. Da nennt man es „Fiktion einer Nichteinreise“, wenn Flüchtlinge zwar körperlich in Deutschland sind, aber juristisch woanders. Oder ein „Transitzentrum“ kann wahlweise „Expresszentrum“, Internierungslager“ oder eine „Transitzone“ sein, ganz abhängig von der politischen Ausrichtung des Deutungshoheitskriegers.

Die Sturmgeschütze im Kampf um die Deutungshoheit werden in Stellung gebracht: das Netzwerk-Durchsetzungsgesetz (NetzDG), das den sozialen Medien einen Maulkorb verpasst, und die Datenschutz-Grundverordnung DSGVO, die Mailinglisten und Privatfotos unter Kontrolle bringt. Auch der UN-Migrationspakt enthält eine Forderung, nach der über Migration grundsätzlich positiv zu berichten ist. 

Wer die Deutungshoheit besitzt, kann Krisen dauerhaft in Herausforderungen umbenennen. Wer sie nicht hat, sollte besser nicht mal mehr „liken“.

In der DDR hatte die SED die absolute Deutungshoheit, dank Mielkes Aasgeiern der Staatssicherheit sowohl über den Stammtischen, als auch in den Medien. Deswegen waren die Wahlergebnisse die ganzen 40 Jahre auch stets besser als 99 Prozent. In der Bundesrepublik wird die Deutungshoheit noch hart umkämpft. Soll nun der Bundestag über die Unterzeichnung des UN-Migrationspaktes abstimmen oder nicht?  Eine Frage der Deutungshoheit, statt einer Frage ans Parlament. Wer Lufthoheit am Deutungshimmel erreicht hat, braucht sich um Wahlergebnisse nicht mehr zu sorgen. Denn dann wird aus einer Krise eine Herausforderung und aus einer Wahlfälschung automatisch eine Wahlpanne. Herausforderungen nimmt man sportlich, und Wahlpannen sind nicht strafbar.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Sabine Drewes / 10.11.2018

Herr Haaaaferburg! Wollen Sie mir angst machen? Oder habe ich doofe Nuss mich einfach zu viel und zu lange (und dies auch noch freiwillig!) mit der SED-Diktatur beschäftigt, dass ich anfange, Gespenster zu sehen? Nein, bestimmt wache ich gleich aus dem Albtraum auf! Ist doch alles bestens in einem Deutschland, in dem wir so gut und gerne leben!

Robert Jankowski / 10.11.2018

Solange da nicht mal ein Exempel statuiert wird und Leute, die massiv die Wahlergebnisse verfälscht haben, zumindest vorbestraft werden, wird das so weiter gehen. Wir leben mittlerweile in einer Bananenrepublik wo man statt Stammezugehörigkeit jetzt “für oder gegen Rechts” sein muss. Alles andere, die Wahrheit oder andere Kleinigkeiten, bleiben dabei auf der Strecke. Schönen Gruß an den wohlwollenden Richter, er wäre wohl doch besser Sozialarbeiter geworden. deren Rechtsverständnis deckt sich mit seinem.

Werner Geiselhart / 10.11.2018

Die Wahlhelfer waren wahrscheinlich Absolventen der Waldorfschule. Da werden die Zahlen getanzt und das verkraftet die neue Software noch nicht, folgt in der nächsten Version.

Hans-Peter Dollhopf / 10.11.2018

Wie seltsam, von allen Parteien sind die Wahlplakate der AfD immer am Längsten öffentlich sichtbar: Weil nämlich im Herbst Hecken an Straßenrändern allerorten ihr Laub verlieren, kommen die Plakate wieder zum Vorschein! Verantwortlich für dieses Phänomen sind zumeist absolut “schon länger hier lebende” Mitbürger-Menschen. Solche, die eine von Bundespräsident bis Chefredakteur geforderte “Haltung” straf-tätlich an Wahlplakaten und bei Wahlauszählungen befolgen! “Wahlpannen”, wie sie dieser Artikel thematisiert und mit klarer Sprache als Wahlbetrug benennt, sind neuerdeutschdings alle unsere Wahlabende! Unsere nicht mehr ohne Sachbeschädigungs"argumente” stattfindenden Wahlkämpfe werden von solchen willfährigen Haltungsträgern mittlerweile auch bei der Auszählung nachjustiert! Wahlbezirke, in denen die AfD nicht wie selbstverständlich um Stimmen ihrer Wählerinnen und Wähler betrogen werden kann, liegen in Ostdeutschland, wo sich einfach die zivilgesellschaftliche Mehrheit der unser aller Staatssystem beherrschenden Elite quer stellt.

von Kullmann / 10.11.2018

Die Bonner Republik hatte keine Merkel. Da war auch die CDU noch schön.

J.P.Neumann / 10.11.2018

Die Schätzung ist gar nicht so schwer:  Ungefähr 15% AfD. Der Rest: Systemparteien für Merkel, egal welches Etikett draufsteht.

Wolfgang Kaufmann / 10.11.2018

Aber gleichzeitig zerreißt sich der Homo Germanicus Vulgaris das Maul über das amerikanische Wahlsystem und zweifelt am Wahlsieg eines Donald Trump. Da war doch was mit Splitter im Auge und Balken…

E. Albert / 10.11.2018

BRD - Bananrepublik Deutschland. Mich wundert hier leider nichts mehr. Alleine schon, dass man sich im Wahllokal nicht einmal mehr mit dem Perso ausweisen muss! Wahlbriefchen genügt. Ob könnte man sich den nicht auch von einer/m Bekannten aus einem anderen Viertel besorgt haben, der/die keine Lust hatte, zur Wahl zu gehen…als ich das der Wahlhelferin bei der letzten BTW schilderte, wurde die ganz blass. Als ich das dem Bundeswahlleiter schrieb, bekam ich nur allgemeines BlaBla zurück. Das würde ja beobachtet, wer da käme usw. Tja, schön. Aber wenn mich in dem Wahllokal in einem anderen Viertel niemand persönlich kennt, könnte ich auch als Lieselotte Schulze gehen, ohne, dass es jemandem auffiele, oder?! - Da fragt man sich doch gleich, warum das sinnvolle Abgleichen mit dem Perso abgeschafft wurde…Das, was jetzt in Hessen geschehen ist, ist daher wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs. Ich traue schon lange KEINEM Wahlergebnis mehr.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Manfred Haferburg / 25.03.2024 / 12:00 / 107

ISAR 2: Das beste Kernkraftwerk der Welt wird zersägt

Die Rückbaugenehmigung für ISAR 2 ist erteilt, hieß es am Freitag. Der Betreiber Preussen Elektra könne den Rückbau unverzüglich durchführen. Eine wenig beachtete DPA-Meldung leitet…/ mehr

Manfred Haferburg / 08.03.2024 / 10:00 / 110

Bundesrechnungshof delegitimiert Habeck, Müller und Energiewende

Die Energiewende-Delegitimierer sitzen jetzt im Bundesrechnungshof. Ihr vernichtendes Fazit der Energiewende haben die Beamten sogar in einer Grafik (oben) karikiert. Der Bundesrechnungshof ist in der…/ mehr

Manfred Haferburg / 01.03.2024 / 06:00 / 61

Habecks Wetterwenden: Was, wenn Kernenergie wieder salonfähig wird?

Die Bundesegierung hat es sich angewöhnt, die alten Brunnen zuzuschütten, bevor es neue gibt. Jetzt erlaubt sie die bisher verteufelte CO2-Deponierung – und was ist,…/ mehr

Manfred Haferburg / 26.02.2024 / 06:15 / 101

Netzbetreiber warnen: Stromnetz kollapsgefährdet wie nie

Wie steht es um die Versorgungssicherheit, wenn die Stromerzeugung bis zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien erfolgt? Ein Netzbetreiber hat sie jetzt beantwortet. Ein Blitzeinschlag…/ mehr

Manfred Haferburg / 06.02.2024 / 06:00 / 84

Die Kohle bleibt: Ampel halbiert Gaskraftwerks-Pläne

In der neuen Kraftwerksstrategie der Bundesregierung schrumpfen die geplanten Gaskraft-Kapazitäten wie eine Eiskugel im Sommerurlaub – und noch nicht einmal die wird es geben. Verdruckst…/ mehr

Manfred Haferburg / 21.01.2024 / 14:00 / 8

„Ein grünes Requiem“

Die Lektion der unerwünschten Folgen gut gemeinter Projekte ist an den Grünen komplett vorbeigegangen. Das holen sie jetzt nach, auf unsere Kosten. Was Menschen auch…/ mehr

Manfred Haferburg / 08.01.2024 / 06:00 / 103

Nachhaltige Halluzinationen beim Chef der Bundesnetzagentur

Ja, Herr Müller, die Energieversorger brennen darauf, 60 Milliarden Euro in Gaskraftwerke zu investieren, die sich nicht rechnen können, da sie nur bei Flaute und…/ mehr

Manfred Haferburg / 26.12.2023 / 06:00 / 132

Weihnachten unter Räubern

„Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande?“, hieß es von Augustinus vor knapp 1.600 Jahren und diese…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com