Peter Grimm / 21.04.2016 / 16:00 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 13 / Seite ausdrucken

Die Hauptmännin von Köpenick lässt Nackte abhängen

Im Rathaus Köpenick im Berliner Südosten wird traditionell gern der deutsche Untertanen- und Unterwerfungsgeist vorgeführt. Heute wie vor 110 Jahren. Damals, im Oktober 1906, war es der Schuster Wilhelm Voigt, dem es allein durch das Anziehen einer preußischen Hauptmannsuniform gelang, einen kleinen Trupp Soldaten unter seinen Befehl zu stellen, das Köpenicker Rathaus zu besetzen, den Bürgermeister zu verhaften und die Stadtkasse zu beschlagnahmen. Anschließend lachte die Welt darüber, was ein Uniformierter mit den Deutschen alles machen kann

Heute genießen Uniformen nicht mehr diese Autorität. Aber dafür gibt es andere allgegenwärtige Unterwerfungsreflexe, die es vorzuführen lohnt. Wo könnte man das besser tun, als im Köpenicker Rathaus, mag sich die dort ansässige Kulturamtsleiterin gedacht haben, um dann die Rolle als Hauptfrau von Köpenick zu übernehmen. Annette Indetzki braucht dazu keine Uniform, sondern nur einen Briefkopf ihres Amtes und die geeignete Gelegenheit für eine schöne Köpenickiade

Die bot sich mit einer Fotoausstellung in den Fluren des geschichtsträchtigen Rathauses. Anfang März wurde das „22. Fotoklub Forum Berlin“ von Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD) eröffnet. Rund 300 Bilder von 191 Fotografen hingen seitdem in den Fluren des Rathauses in der Köpenicker Altstadt, ohne den inneren Frieden zu stören. Darunter zwei künstlerische Aktfotos, ein Schwarz-Weiß-Bild von Jan Gießmann und eines von Wolfgang Hiob.

Zwei Aktfotos sollen im Tresor verschwinden

Sie ahnen schon, was jetzt kommt? Wochenlang passiert nichts, bis plötzlich Kulturamtsleiterin Indetzki an die Fotografen schreibt, sie mögen die anstößigen Fotos entfernen. Und war es 1906 die Hauptmannsuniform, vor der alle stramm standen und taten, was befohlen wurde, so reicht dafür 110 Jahre später die Behauptung, die Regeln einer ganz bestimmte Gruppe von Menschen, die leicht reizbar und deshalb besonders rücksichtsvoll zu behandeln ist, würden verletzt. Das heutzutage selbst in deutschen Amtsstuben fremde Glaubensregeln beachtet werden, wollte die Hauptfrau von Köpenick doch sicher vorführen, als sie begründete, warum die künstlerischen Akte weg müssen: Es „kommen viele Menschen mit Migrationshintergrund in das Rathaus, deren religiöse Gefühle durch Aktfotos nicht verletzt werden sollen.“

Das ist doch eine gelungene Satire, oder? Annette Indetzki wollte uns wie weiland Wilhelm Voigt vorführen, welche absurden Züge die freiwillige Unterwerfung inzwischen annimmt. Was Italiens Regierung jüngst ernsthaft praktizierte, als sie in den Kapitolinischen Museen in Rom mehrere nackte Statuen aus Respekt gegenüber dem Glauben des iranischen Präsidenten Ruhani verhüllen ließ, wollte Frau Indetzki doch sicher nur auf eine weitere absurde Spitze treiben.

Wie bitte, das war keine Satire? Das sollte man ernst nehmen? Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Allein dieser kunstvolle Formulierung: „Menschen mit Migrationshintergrund“ und  „deren religiöse Gefühle“. Als hätten alle Migranten nur eine Religion. Und die nennt man sicherheitshalber nicht einmal beim Namen. Denn auch da ist der Islam ja empfindlich. Seine Regeln sollen gelten und werden von seinen Anhänger gern auch brutal durchgesetzt. Doch diese Brutalität wiederum hat nie etwas mit dem Islam zu tun. Wer auf diese Verbindung hinweist, der provoziert ja nur wieder die sensiblen Muslime.  Wie Frau Indetzki diese schon weitgehend akzeptierte Absurdität in einem Halbsatz vorführen kann, das ist doch eine großartige satirische Verknappung, oder?

Das Köpenicker Rathaus ist jetzt eine verhüllte Zone

Leider werden Satiriker ja derzeit oft missverstanden. Die Fotografen jedenfalls haben ihre Bilder abgehängt und andere Kollegen ihre Werke aus Protest gleich mit. Statt einfach nur darüber zu lachen. Aber wir sind ja in Köpenick, da folgte man damals widerspruchslos der Uniform und steht heute stramm, wenn ein möglicher Konflikt mit islamischen Gepflogenheiten angemahnt wird. Erst später lacht die Welt darüber. Hoffentlich.

Dabei sollte das satirische Talent der Hauptfrau von Köpenick wirklich endlich anerkannt werden, denn die Kulturamtsleiterin strebt nach Höherem und immer wurden ihre Stärken offenbar übersehen. Schon seit drei Jahren ist sie nämlich bei der Bewerbung um andere Ämter erfolglos. 2013 wollte sie Bezirksamtsleiterin in Hamburg-Altona werden und wurde dort einfach nicht gewählt. Im Jahr darauf versuchte sie es als Sozialsenatorin in Rostock. Als sie hier nicht gewählt wurde, zog Indetzki vors Verwaltungsgericht. Damit brachte sie seinerzeit zwar Unruhe ins Rostocker Rathaus, doch Senatorin wurde sie nicht. Versucht sie sich jetzt mit Satire zu empfehlen? Oder sollte ich sie missverstanden haben und sie empfiehlt sich bloß als Meisterin der behördlichen Unterwerfung für höhere öffentliche Ämter. Vielleicht hat ja Bundesjustizminister Heiko Maas eine Stelle für sie, denn der Kampf gegen nackte Haut auf öffentlichen Abbildungen verbindet beide ja offenbar.

Zuerst erschienen auf Peter Grimms Blog sichtplatz.de

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Leserpost

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R. Helene van Thiel / 22.04.2016

Das ausgewählte Bild ist zu diesem Text wirklich die passende Illustration.

Tomas Poth / 22.04.2016

Danke für dieses kleine schriftliche Kunstwerk garniert mit dem Archivbild - Entartete Kunst - . Hoffentlich hat die Hauptmännin von Köpenick die Geisteskraft ihre eigenen Abgründe zu erkennen.

Rolf Permeier / 22.04.2016

Das tragische ist, dass diese Verhüllungsempörung nur ein temporäres Phänomen ist. Mit jedem medial durchgekauten Fall werden die örtlichen Kleinkader (oder Hauptmänner und Hauptmännerinnen von Köpenick) dazulernen. Einmal wollte man eine Mohammedkarikaturenschau veranstalten. Dann kamen die Drohungen, ein Aufschrei, der Polizeischutz und am Ende die Absage. Das war dann die letzte Schau dieser Art in diesem Land. Dann gibt es diesen Fall von “falsch” verstandener Offenheit gegenüber künstlerischer Offenheit und ich meine es gab bereits 2 oder 3 andere. Vielleicht wird es nochmal fünf davon brauchen. Aber in spätestens 10 Jahren (=eine Politgeneration) werden sie es gelernt haben: Keine Nackedeis in öffentlich zugänglichen Bereichen! Zensurschere und Anpassungsappeasement gehören nämlich schon seit einiger Zeit zum Fleisch und Blut der Politkaspertruppe. Und was anecken könnte wird einfach weggelassen. So bekommen wir dann am Ende überall das selbe Grau geliefert. Dass es um für Moslems unerträgliche Nackedeis geht oder wahlweise um sexualdarstellungssensible Gender-Identitäten ist völlig egal. Es ist mehr oder weniger Zufall, dass diese ihre gerümpfte Nase so prominent in die Öffentlichkeit strecken. Letztlich ist es nichts anderes als ein Symptom der Professionalisierung. So wie im Konsumreigen Starbucks, H&M und Media Markt überall alles gleich und gleich professionell machen, so machn es eben auch die professionalisierten Parteilisten GmbHs.

Jorgo Megalospitakis / 22.04.2016

So fängt es an und wie geht es weiter? Im vorauseilenden Gehorsam mit der Schere im Kopf und dem Koran unter dem Arm auf dem GG stehend. Weiter so Deutschland, irgendwann bist du Germanistan.

Reiner Hoefer / 22.04.2016

Ganz großen Dank an Sie Herr Grimm, ganz großen Dank an achgut, dass Sie solche Vorgänge wie hier beschrieben bekannt machen. Eine Frage, die ich mir seit einiger Zeit stelle: warum sind gerade Frauen so aktiv bei der Unterwerfung (Michel Houellebecq) unter den Islam. Kann es sein, dass da unbewusst eine nostalgische Rückbesinnung auf die ach so einfachen Welt des Patriarchats mitspielt (z.B. Katrin Göring Eckart: “unsere Gesellschaft wird in 10 Jahren sehr viel anders aussehen, und ich freue mich darauf”). Da war doch alles viel einfacher, besonders für die Frauen. - War nur so’n Gedanke.

Emmanuel Pracht / 21.04.2016

„Menschen mit Migrationshintergrund“ sind verhaltensoriginell - gell?

Wolfgang Richter / 21.04.2016

Die Dame hat offenbar Houlebeq s “Unterwerfung” gelesen, war dermaßen fasziniert von derBearbeitung des Themas, vor allem der im Buch noch fiktiven Praktizierung des gelebten Islam, daß sie in ihrem Rathaus gleich mal die Praxis im Leben erproben wollte. Vielleicht sollte mal jemand der Dame eine Ausgabe des Grundgesetzes schenken, dabei nicht vergessen, die Artikel, die Freiheit von Kunst, Meinung und Wissenschaft garantieren, anzumarken, bei der Gesinnung der Dame ggf. mit einer kleinen IS-Fahne, damit sie es auch zur Kenntnis nimmt.

Burkhart Berthold / 21.04.2016

Lieber Herr Grimm, was die Frau Amtsleiterin betrifft, haben Sie gewiss recht. Aber der historische Fall Voigt zeigt eigentlich weniger ängstlichen Untertanengeist - wie wir ihn heute erleben, beispielsweise bei den Mitarbeitern von Frau Amtsleiterin -, sondern etwas ganz anderes, uns heute völlig Fremdes: Vertrauen in den Staat. Unsere Urgroßeltern konnten sich einfach nicht vorstellen, dass ein preußischer Hauptmann lügt oder stiehlt oder sonstwie grob inkorrekt handelt. (In dieser Annahme erschütterte sie auch der Fall Voigt nicht, denn dieser war bekanntermaßen nicht echt, sondern in Wirklichkeit Heinz Rühmann.) Dabei hatte zumindest die männliche Hälfte der Deutschen jede Menge Hauptleute in ihrer natürlichen Umgebung reichlich erlebt, eben beim Barras. Die mochten grantig gewesen sein, vielleicht auch beschränkt, aber offenbar wurden sie durch die Bank wahrgenommen als Männer von Ehre - und Soldaten entwickeln immer einen ziemlich scharfen Blick für ihre Vorgesetzten. Gewiss war früher nicht alles besser - manches aber schon. Beispielsweise wusste damals jeder: “Wer sich grün anmalt, den fressen die Ziegen.” Gesagt hat das - Bismarck.

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