Die Welt kann aufatmen. Anders als die Nahostkrise und der deutsch-amerikanische Ausspähkonflikt scheint die transatlantische Handtaschenkrise zügig beigelegt zu werden. Beide Seiten haben sich entschuldigt. Zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und der amerikanischen Fernseh-Prinzessin Oprah Winfrey hat ein Annäherungsprozess begonnen, der zu einem Waffenstillstand, wenn nicht gar zu einem dauerhaften Frieden führen dürfte.
Dabei ging es nicht etwa um banale Datenspeicherungen sondern um eine Handtasche im Wert von immerhin 35000 Franken. Oprah Winfrey hat ihr Recht geltend gemacht, in einem Zürcher Milliardärsbedarfsgeschäft die 35000-Franken-Handtasche zu erwerben. Die Milliardärsbedarfsfachverkäuferin aber hat ihr dieses Recht, das man durchaus ein Menschenrecht nennen kann, brutal verweigert.
Warum? Oprah Winfrey sagt, die Verweigerung habe einen rassistischen Hintergrund. Die Zürcher Milliardärsbedarfsfachverkäuferin bestreitet dies. Was also könnte der Grund für die Handtaschenverweigerung gewesen sein, wenn nicht Rassismus gegenüber der dunkelhäutigen Kundin?
Um dies zu ergründen, stelle ich mir vor, ich würde versuchen, in dem Milliardärsbedarfsgeschäft eine Handtasche für 35000 Franken zu kaufen. Ich kann hier nur theoretisieren, da ich so etwas noch nie versucht habe. Auch würde meine Kreditkarte da nicht mitspielen. Aber das würde die Verkäuferin ja erst bemerken, wenn es ans Bezahlen ginge. Was also bemerkt sie, wenn ich das Geschäft betrete?
Wahrscheinlich bemerkt sie, dass meine Jeans von Peek und Cloppenburg stammen, mein kariertes Hemd von Tchibo und meine Boat-Schuhe vom Schuh-Schmidt. Mit anderen Worten, sie würde mit geschultem Blick erkennen, dass ich nicht der klassische Käufer von Milliardärsbedarf bin und wahrscheinlich nur ihre Zeit verschwenden werde. Ich würde darum die Weigerung, mir die edle Tasche an die Hand zu geben, als schicksalhaft hinnehmen und ein paar Straßen weiter bei C&A erneut und günstiger mein Glück versuchen. Rassismus würde ich in meinem Fall nicht vermuten. Allenfalls käme ein Hauch von Antigermanismus in Frage. Aber auch den würde ich als schicksalhaft hinnehmen.
Bei Oprah Winfrey liegt der Fall sicher anders. Als reichste Frau der USA hat sie das Zürcher Milliardärsbedarfsgeschäft vermutlich nicht mit einer Bluse vom Kaffeehändler und mit Schuhen vom Discounter betreten. Es ist sogar denkbar, dass ihre Jeans und ihre Bluse, oder was immer sie am Leibe trug, genauso hochpreisig waren wie die Handtasche, die ihr Herz begehrte. Eine geschulte Miliardärsbedarfsfachverkäuferin hätte dies erkennen können.
Vielleicht hat sie es auch und wollte der Amerikanerin nur auf indirekte Weise zu verstehen geben, dass die 35000-Franken-Handtasche von Material und Muster her nicht zu Oprahs 50000-Franken-Jeans und 75000-Franken-Bluse passte. Eine diskrete geschmackliche Beratung also. Denkbar ist auch, dass die Verkäuferin den extremen Prominenten-Status der Kundin nicht erkannt und versäumt hat, in gehöriger Weise vor ihr niederzuknien.
Natürlich kann es auch schlichter Rassismus gewesen sein. Erfahren werden wir es nie genau, da beide Seiten durch ihre Politik der Entschuldigung vermieden haben, dass ein internationaler Untersuchungsausschuss der Krise öffentlich auf den Grund geht.
Schade eigentlich. Man wüsste doch zu gerne die exakten Hintergründe des 35000-Franken-Handtaschen-Skandals. Ich wüsste zum Beispiel gerne, ob die Skandalhandtasche inzwischen eine andere Käuferin gefunden hat und ob sie wegen der Oprah-Winfrey-Krise an Wert verloren hat oder gar als Liebhaberstück im Preis gestiegen ist. Auch, ob sie kariert, gestreift oder gepunktet ist, würde ich gerne erfahren. Und schließlich fände ich auch den Quadratzentimeterpreis der Handtasche interessant.
Aber wie die Dinge liegen, wird man auf Vermutungen angewiesen bleiben.