Gastautor / 31.01.2017 / 20:00 / 1 / Seite ausdrucken

Die gute alte ZEIT

Von Klaus-Jürgen Gadamer.

Wie sich die ZEIT doch ändert. Normalerweise ist es sinnlos und darüber hinaus auch noch falsch, über die guten alten Zeiten zu jammern. Das tun vor allem die, die sich im Neuen nicht zurechtfinden und mit Hilfe ihres selektiven Gedächtnisses ihre schöne Jugend hoch leben lassen, eine Jugend, die sie damals meist gar nicht so schön fanden.

Aber manchmal ändern sich die Zeiten eben doch zum Negativen. In der guten alten ZEIT, als die Herausgeber noch Marion Gräfin Dönhoff und Helmut Schmidt hießen, bedeutete liberal vor allem Meinungsvielfalt. Nachrichten waren Nachrichten und Meinungen aus unterschiedlichsten Richtungen kamen zu Wort. Ganz so, wie es sich für eine führende Wochenzeitung gehört. Meinungsvielfalt ist unerlässlich für die Meinungsbildung.

Nun gibt es neben der ZEIT auch ZON (ZEIT ONLINE) und ich lese das noch immer, inzwischen aber aus einem anderen Grund. Heute lese ich ZON, um aus der Auseinandersetzung zwischen den Artikeln einer linken Redaktion und den meist nichtlinken Kommentaren einer liberalen Leserschaft meine Schlüsse zu ziehen. Oftmals überfliege ich die Artikel nur, um mich dann den wesentlich interessanteren Zuschriften zuzuwenden.

1.800 Kommentare zu einem einzigen Artikel

Ich möchte anhand eines Beispiel-Artikels illustrieren, woher bei ZON inzwischen der Wind weht. Mit über 1.800(!) Leser-Kommentaren erregte der Artikel Studenten verhindern Auftritt von André Poggenburg einiges Aufsehen und veranlaßte dreimal soviel Leser wie sonst üblich, ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen

Poggenburg, Landesvorsitzender der AfD in Sachsen-Anhalt, wollte an der Uni Magdeburg aufgrund einer Einladung einer konservativen Hochschulgruppe eine Rede halten. Aber 400 randalierende Hochschüler verhinderten seinen Vortrag. Die linken Demonstranten hielten ein Transparent vor Poggenburg, damit er für die Zuhörer nicht mehr zu sehen war. Daraufhin versuchten Poggenburg-Unterstützer, die Transparent-Träger abzudrängen. Eine normale Reaktion auf eine unverschämte Aktion, so denkt man.

Wie beschreibt nun der anonyme(!) Autor von ZON die Szene? Für ihn sind die Poggenburg-Unterstützer die Aggressoren. „Die Demonstranten wehren sich dann gegen die Angreifer. Die Bilder zeigen zudem, wie die Studenten Poggenburgs Manuskript vom Rednerpult reißen während dieser noch versucht, Gehör zu finden.“ Der Bock wird zum Gärtner gemacht, die Angegriffenen zu Angreifern.

Dass aufgrund von „Rangeleien“ ein AfD-Anhänger verletzt wurde, wird zwar erwähnt, bleibt aber genauso unbewertet wie das Herunterreißen des Poggenburg Manuskripts. Der anonyme Autor scheint damit vollkommen einverstanden zu sein.

Wer laut genug schreit, hat Recht

Noch etwas anderes zeigt sein Verständnis von Demokratie: Unkommentiert, quasi indirekt zustimmend, wird der Dekan der Fakultät für Humanwissenschaft, Michael Dick, zitiert: „Die Unmutsäußerungen der Studierenden und Besucher waren so eindeutig, dass ich glaube, vernünftige Veranstalter hätten sich zurückgezogen und hätten es dabei belassen", sagte er dem MDR. Dick meint also, wer nur laut genug schreit, hat Recht und damit ist das Recht auf freie Meinungsäußerung in einer von der Uni genehmigten Veranstaltung hinfällig, jedenfalls wenn es sich um die „falsche“ Meinung handelt. Der anonyme Autor des ZON-Artikels sieht es offenbar genauso.

Man kann sich regelrecht vorstellen, wie die ZON-Schreiber - im Kampf gegen das Böse von missionarischem Eifer durchdrungen - in die Tasten hauen, auf dass die Leser endlich die richtige Meinung schlucken, und in der Hoffnung, dass nicht schon wieder ungläubige Judasse die meisten Leserkommentare zu ihren Artikeln verfassen.

Aber nun kommen wir zur Meinung der Leser. Immerhin hat ZON, und das ist ihr hoch anzurechnen, im Gegensatz zu FAZ.NET einen wenig zensierten Leserkommentar-Bereich. Während FAZ.NET Kommentare zu Themen, die einen Widerspruch erwarten lassen, gar nicht erst ermöglicht, sind bei ZON-Artikeln immer Leserkommentare möglich.

Bei dem erwähnten ZON-Artikel spalten sich die Leser in zwei Lager. Ein kleineres folgt dem anonymen linksautoritären Autor, während ein doppelt so großes Lager dagegen hält: Das Niederschreien Poggenburgs und das Sprengen der Veranstaltung halten 170 Leser für einen Ausdruck von Meinungsfreiheit, aber immerhin 470 Leser sehen darin das Gegenteil. Sie denken, dies sei viel näher am Faschismus als es die AfD-Sympathisanten sind.

"Pöbler" und "Demonstranten"

Nun folgt in der Gegenrede ein interessanter Vergleich. Als Empfehlung der ZON-Redaktion gilt ein Leserbrief, in dem das Niederbrüllen Poggenburgs mit den Unmutsäußerungen gegenüber Merkel am Tag der Deutschen Einheit gleichgesetzt wird. Als ob Rufe gegen Merkel und andere Politiker mit der rabiaten Verhinderung einer ganzen Veranstaltung verglichen werden könnten, so dass der Redner nicht einmal zu Wort kommt. Hin- und hergerissen, ob dies „nur“ Majestätsbeleidigung sei, oder ob es bereits den Tatbestand der Entehrung von Heiligen erfüllte. Damals hatten die Mainstream-Medien von „Pöblern“ gesprochen, im Falle der Poggenburg-Sabotage waren es plötzlich (berechtigte) „linke Demonstranten“.

Immerhin fällt dann einem Leser ein, dass die Gegendemonstranten hätten demonstrieren können, ohne Poggenburg „mundtot zu machen“.

So wird bei ZON "berichtet". Wer´s mag, ein weiterer tendenziöser Artikel im Gewand neutraler Sachlichkeit: Erika Steinbach - Die CDU ist ihr nichts rechts genug. Die überwiegende Mehrheit der Leser hält auch hier dagegen und folgt nicht dem zunehmend linksautoritären ZON-Stil, mit dem die Leute genau belehrt werden, warum Politiker wie Trump, Steinbach und Poggenburg Teile der „Achse des Bösen“ sind. In seinem oft agitatorischen Ton erinnert ZON immer wieder an die SED-Zeitung "Neues Deutschland". Wie dort auch, erfolgt die tendenziöse Berichterstattung unter dem Mäntelchen der Neutralität. Immerhin hat ZON in diesen beiden Fällen darauf verzichtet, dem Artikel zu Fratzen verzerrte Fotos der „bösen“ Protagonisten beizustellen. Bei ihrer weiterlaufenden Anti-Trump-Kampagne sind die Bilder meist entsprechend dem Artikel: fratzenhaft.

Klaus-Jürgen Gadamer ist ehemaliger Lehrer und lebt in Baden Württemberg

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Dirk Jäckel / 01.02.2017

Es ist richtig: Die restliche Qualität von ZON hat nichts mit den häufig regressivlinken Agitpropbeiträgen zu tun, sondern mit den kommentierenden Lesern. Neben vielen intellektuellen Zumutungen, die der Qualität der Artikelchen entsprechen, kann man dort noch die eine oder andere echte Info herausholen. Allerdings hege ich die starke Vermutung, dass viele ZON-Beiträge absichtlich auf argumentativ niedrigstem Niveau gehalten sind, um Widerspruch und damit zusätzliche Klicks zu generieren. Freilich kurzsichtig. Der Ruf ist dahin.

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