Carlos A. Gebauer, Gastautor / 25.09.2024 / 13:00 / Foto: KI / 9 / Seite ausdrucken

Die große Hayek-Serie: Planwirtschaft und Totalitarismus (8)

Vor 80 Jahren erschien „Der Weg zur Knechtschaft“. Darin zeigt Hayek die Parallelen der kommunistischen und der nationalsozialistischen Zentralverwaltungswirtschaft auf. Hayek ist aktueller denn je.

Nachdem Hayek das Verhältnis der Planwirtschaft zu Demokratie und Rechtsstaat analysiert hat, widmet er sich im 7. Kapitel des Buches dem Verhältnis zwischen Planwirtschaft und Totalitarismus: „Die meisten Planwirtschaftler, die sich ernsthaft mit der praktischen Seite ihrer Aufgabe beschäftigt haben, geben sich keiner Illusion darüber hin, dass eine Planwirtschaft mehr oder weniger nach den Prinzipien der Diktatur betrieben werden muss.“

Warum ist das so? In modernen Massengesellschaften lebt kein Mensch mehr für sich alleine, sondern er ist praktisch für alles, was er zu seinem Leben benötigt, auf die Hilfe anderer angewiesen. Wird der Warenstrom zwischen Produzenten und Konsumenten aber nicht mehr von einzelnen frei agierenden Menschen koordiniert, sondern von einer zentral gelenkten Wirtschaftsplanungsbehörde, dann muss diese sowohl über den Einsatz aller Mittel als auch über die Festlegung aller Ziele bestimmen: „Wer die gesamte Wirtschaftstätigkeit lenkt, verfügt über alle Mittel zur Erfüllung aller Wünsche und muss daher entscheiden, welche befriedigt werden und welche nicht.“ Das führt zu der Definition: „Wirtschaftliches Kommando ist die Herrschaft über die Mittel für all unsere Ziele.“

Da allerdings auch Behörden selbst nur aus Menschen bestehen, die ihre eigenen Ansichten zur Grundlage ihres planenden Tuns machen, werden die privaten Präferenzen der Hersteller und Konsumenten nun durch die der Beamten ersetzt: „Nicht unsere Ansicht über unsere Neigungen und Anstrengungen wäre [in einem solchen System] maßgebend für das, was wir erhalten würden, sondern die Privatansicht eines anderen.“ Und: „Die mit der Überwachung der Produktion und der Preise verbundene Macht ist fast unbegrenzt.“

Aus der Sicht des Jahres 2024 lesen sich manche von Hayek verwendete Konjunktive geradezu beklemmend. Wo er noch formulierte, dass die Neigungen der Konsumenten in einer Planwirtschaft nicht mehr maßgebend „wären“, da ist heute, 80 Jahre später, dieser Zustand in weiten Teilen bereits erreicht. Die Ansichten der staatlichen Planungsbehörden über Verbrennungsmotoren, Kernkraftwerke, Gasheizungen oder Fleischkonsum verdrängen aktuell mit Macht die freien Wahlentscheidungen der Bürger. Und auch im Bereich des Geldes schickt sich die Realität an, die Warnungen Hayeks zu überholen: „Wir werden die Tragweite dieser Funktion des Geldes [als eines der großartigsten Freiheitswerkzeuge, das der Mensch je erfunden hat] besser verstehen, wenn wir uns überlegen, was die weitgehende Ersetzung des ‚Gewinnmotivs‘ durch ‚nichtökonomische Anreize‘ in Wahrheit bedeuten würde. Wenn alle Belohnungen statt in Geld in Form von öffentlichen Auszeichnungen ausgeteilt würden, so hieße dies nichts anderes, als dass der Empfänger nicht mehr wählen darf“. Hayek nimmt mit dieser Beschreibung die Dystopie vorweg, die droht, wenn Bezahlungen nicht mit Geld, sondern mit digitalen Sozialbelohnungspunkten erfolgen.

Eine totalitäre Wirtschaftsstruktur hinter Mauer und Stacheldraht

Doch noch weit schlimmer als die Eingriffe der Planwirtschaft auf die Konsumentenseite wirken sich die Bevormundungen auf der Produktionsseite aus: „Die meisten Planwirtschaftler versprechen uns zwar, dass die Freiheit der Berufswahl in der neuen kollektivistischen Gesellschaft gewissenhaft beibehalten oder sogar noch ausgedehnt werden wird. Aber in dieser Hinsicht versprechen sie mehr, als sie beim besten Willen halten können. Wollen sie Planwirtschaft betreiben, so müssen sie entweder den Zustrom zu den verschiedenen Erwerbszweigen und Berufen überwachen oder die Lohnbedingungen oder beides.“ Auch diese Effekte sind aus heutiger Sicht mit feingliedrigen Berufszugangsbeschränkungen und Preisregulierungen längst verwirklicht.  Und damit niemand aus der Reihe tanzt, was den Gesellschaftsapparat stören könnte, muss alles streng vereinheitlicht werden: „Wir alle müssen uns dem Standard anpassen, den die Planwirtschaftsbehörde zur Vereinfachung ihrer Aufgabe festlegen muss.“

In Ansehung gesellschaftlicher Verhältnisse, die sich zunehmend – planwirtschaftlicher Notwenigkeit folgend – totalisieren, stellt sich natürlich die Frage, warum Menschen diesen Organisationsbestrebungen für ihr Gemeinwesen überhaupt folgen. Ursache der Bereitschaft, sich diesen Bestrebungen zu unterwerfen sei, beschreibt Hayek, der Wunschtraum eines möglichen Güterüberflusses: „Der Leser kann sich darauf verlassen, dass jeder, der vom möglichen Güterüberfluss spricht, entweder unehrlich ist oder nicht weiß, was er redet!“ Denn Güterüberfluss wird es nicht geben, auch wenn menschlich noch so verständlich sei, diesen glücksverheißenden Zustand zu erträumen: „Die Begeisterung für die ‚Kollektivbefriedigung unserer Bedürfnisse‘, durch die unsere Sozialisten dem Totalitarismus den Weg geebnet haben, muss zum Teil als ein Mittel der politischen Erziehung verstanden werden. Aber wir haben es hier wiederum mit einem notwendigen Ergebnis der Planwirtschaft zu tun, deren Wesen darin besteht, dass sie uns die Freiheit der Wahl nimmt, um uns das zuzuteilen, was gerade am besten in den Plan hineinpasst.“

Gut fünf Jahre nachdem Hayek diese Zeilen publiziert hatte, wurde in Ost-Berlin von überzeugten Sozialisten die Deutsche Demokratische Republik gegründet. Deren Bewohner sollten lernen, welche prophetische Kraft die rechtliche und ökonomische Analyse Hayeks hatte. Hinter Mauer und Stacheldraht entstand – für gewöhnliche Bürger unentrinnbar – eine totalitäre Wirtschaftsstruktur, die Produktion und Konsum staatsplanerisch vorgab. Privatwirtschaftliches Handeln wurde verunmöglicht, die Währung war gegen westliche Devisen nicht konvertibel, und Schlangen bildeten sich vor solchen Läden, die umständehalber gerade den einen oder den anderen Gegenstand breiten Interesses anbieten konnten. Die praktisch umgesetzte Planphantasie war – wie in der theoretischen Beschreibung als erwartbar vorausgesagt – zur real existierenden Diktatur erstarrt.

 

Den ersten Teil dieser Serie finden Sie hier:

Die große Serie: Hayeks Warnung vor der Knechtschaft (1)

Den zweiten Teil dieser Serie finden Sie hier:

Die große Serie: Der verlassene Weg (2)

Den dritten Teil dieser Serie finden Sie hier:

Die Hayek-Serie: Die große Illusion (3)

Den vierten Teil dieser Serie finden Sie hier:

Die große Hayek-Serie: Individualismus und Kollektivismus (4)

Den fünften Teil dieser Serie finden Sie hier:

Die große Hayek-Serie: Zwangsläufigkeit der Planwirtschaft? (5)

Den sechsten Teil dieser Serie finden Sie hier:

Die große Hayek-Serie: Planwirtschaft und Demokratie (6)

Den siebten Teil dieser Serie finden Sie hier:

Die große Hayek-Serie: Planwirtschaft und Rechtsstaat (7)

Den neunten Teil dieser Serie finden Sie hier:

Die große Hayek-Serie: Wer regiert wen? (9)

Den zehnten Teil dieser Serie finden Sie hier:

Die große Hayek-Serie: Sicherheit und Freiheit (10)

Den elften Teil dieser Serie finden Sie hier:

Die große Hayek-Serie: Der Triumph der menschlichen Gemeinheit (11)

Den zwölften Teil dieser Serie finden Sie hier:

Die große Hayek-Serie: Das Ende der Wahrheit (12)

Den dreizehnten Teil dieser Serie finden Sie hier:

Die große Hayek-Serie: Die sozialistische Wurzel des Nationalsozialismus (13)

 

 

Carlos Alexander Gebauer, geb. 1964 in Düsseldorf, ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht und Publizist. Er wurde als Darsteller der seit 2002 ausgestrahlten RTL-Gerichtssendung „Das Strafgericht“ einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Im Juni 2015 wählte ihn die Friedrich-August-von-Hayek-Gesellschaft zu ihrem Stellvertretenden Vorsitzenden.

Buchhinweis: Die komplette Serie von Carlos Gebauer liegt auch in Buchform vor. Sie können Sie hier im Achgut.com-Shop bestellenHayeks Warnung vor der Knechtschaft – Eine kommentierte Einführung in das Jahrhundertbuch „The Road to Serfdom“ 80 Jahre nach seiner Erstausgabe, 16,90 Euro, Lichtschlag-Verlag

Foto: KI

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Leserpost

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sybille eden / 25.09.2024

Dr. Joachim Lucas, - .... doch, die Sozialisten verstehen es sehr wohl ! Das perfide ist, daß die Sozis es genauso wollen !

Lars Tragl / 25.09.2024

“Genau so machen wir es”, manche Bücher werden missbraucht, so auch “1984”, das immer mehr an Realität gewinnt. Linke Idioten lassen immer auswärts denken, sie tun was ihr ihnen vorhersagt.

Dr. Joachim Lucas / 25.09.2024

Es ist mir schleierhaft warum Sozialisten das nicht verstehen. Und es ist wie beim Kinderkriegen. Entweder schwanger oder nicht schwanger. Ein bißchen schwanger geht nicht. Höre immer wieder im Bekanntenkreis: “Da muss es doch noch einen dritten Weg geben”.  Unausrottbar diese Vorstellungen.

Helmut Driesel / 25.09.2024

  Nur eine einzige Frage bleibt übrig: Warum war er nie studienhalber in der DDR?

K.Schönfeld / 25.09.2024

Wer immer noch glaubt, daß wir noch Marktwirtschaft haben, hat die Kontrolle über sein Hirn verloren.

Thomas Szabó / 25.09.2024

Im Sozialismus gab es statt Gehaltserhöhungen glänzende Orden aus Plastik. So sah jeder verdiente Vorarbeiter in Sonntagsstaat wie ein General aus, verdiente aber einen Sch…dreck.

Rainer Niersberger / 25.09.2024

Wobei die Verbindungen zwischen Staatsform und Wirtschaftssystem nicht ganz so eindeutig und zwingend sind buw sein muessen wie hier insinuiert. Zumindest dann nicht, wenn wir “Demokratie “nicht etwas präzisieren und erweitern.  Wir wissen inzwischen, die alten Griechen wussten es auch, dass diese Demokratie nicht nur diverse” Ausprägungen ” haben kann, sondern auch Entwicklungen unterliegt, wiewohl immer noch Demokratie genannt. Aktuell sogar in Sch’land zu besichtigen. Es fehlen zumindest faktisch nahezu alle essentiellen Elemente, selbst die Wahl ist nicht mehr das, was sie mal war, und fast alle faseln immer noch von Demokratie. Offensichtlich wird der freiheitliche und rechtsstaatliche Teil ueberbewertet. Und die Sklavenmentalitaet ist der Demokratie nicht gerade fern. Jedenfalls in Sch’land. Zudem gibt es wirtschaftliche Unsauberkeiten, vormals z. B. in Frankreich zu besichtigen, seit geraumer Zeit und heute extrem auch in Sch’land. Die hier eigentlich beschriebene freie Marktwirtschaft verlor mit Erhardt ihren einzigen Apologeten mit einer gewissen Macht. Aber auch er hatte letztlich keine realistische Chance. Man entdeckte die soziale M und damit begann erwartbar der Prozess.  Demokratie hin oder her. Es sieht so aus, als ob die Bedürfnisse ” des Menschen” und die ihm von Hajek und anderen unterstellten nicht kompatibel sind, auch wenn es immer wieder behauptet wird. Tocqueville und alle Massenforscher danach kämmen und kommen regelmaessig zu Ergebnissen, die weder demokratisch, noch marktwirtschaftlich passen. In China gibt es eine eigene Kombination zwischen Politik - und Wirtschaftssystem und den meisten scheint es cum grano salis zu gefallen.  Wie der homo sapiens sich verhält, wenn er tatsaechlich frei waere, was bisher in Gesellschaften nicht der Fall war, wissen wir nicht. Manche bezweifeln seine Kompetenz, damit hinreichend zivil und sozial umzugehen bzw sich dahin qua System gezwungenermassen zu entwickeln.  Die Idee ist es nicht, aber der homo.

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