Die Grenzen der Tagesschau

Von Reinhard Mohr.

Historische Bildung, genaue Einordung von Nachrichten in das Gesamtgeschehen, präzise Formulierungen: Das alles ist heutzutage Glückssache in der deutschen Medienlandschaft. So auch in der 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau vom 13. August 2019, dem 58. Jahrestag des Baus der Berliner Mauer. Angesichts der Tatsache, dass Daniel Küblböcks Zusammenstoß mit einem Gurkenlaster dem Flaggschiff der ARD-Nachrichtenkultur einst eine eigene Meldung wert war, ist es immerhin erfreulich, dass überhaupt noch an die mörderische Grenze zwischen der DDR und der Bundesrepublik erinnert wurde.

Im Filmbeitrag über die Gedenkstätte an der Bernauer Straße war die schriftliche Forderung "No more walls!" zu sehen, die die meisten Besucher teilen würden. Also keine Mauern mehr, "so wie zwischen den USA und Mexiko und in Israel".

Da stutzt der GEZ-geplagte Zuschauer, in den meisten Fällen tatsächlich nur noch ein alter weißer Mann, der Walter Ulbrichts sächselnde Fistelstimme noch im Ohr hat: Werden Amerikaner daran gehindert, nach Mexiko zu flüchten? Gibt es Selbstschussanlagen, Sprengfallen und Hundestaffeln an der Grenze zwischen Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten? 

Nein, aber ein tief sitzendes Ressentiment scheint auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen dazu zu führen, dass Vergleiche mit dem absolut Bösen stets nach Amerika und Israel führen. Dass am Ende auch noch Nordkorea genannt wurde, macht das Ganze nur noch schlimmer.

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Leserpost

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Wilfried Düring / 14.08.2019

Danke an Herrn Mohr für seinen Beitrag und danke an Frau Drewes für den klugen Kommentar. Die Bürger Israels möchte ich um Verzeihung bitten. Ich schäme mich für ‘unseren’ Staat, ‘unsere’ Regierung und ‘unser’ gelenktes Staats- und Regierungsfernsehen (‘Tagesmärchen’ und ‘Zweites Deutschen FakeSehen’; danke an @RainerKüper für die präzisen Begriffe). Wer Mauer in Berlin und die innerdeutsche Grenze mit der Grenze zwischen Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten vergleicht, verharmlost ein mörderisches System namens SOZIALISMUS (weit mehr als 100 Millionen Tote; die Stalin, Mao sowie ihre Nachfolger, Bewunderer und Satelliten zu verantworten haben) und bedient mit ‘klammheimlicher’ (?) Freude widerwärtige Klischees des Anti-Semitismus. Alle die sich dieser Position anschließen, grüße ich mit einem Zitat von Geert Wilders: ‘Wir alle sind Israel - und Israel ist uns allen!’

Alexander Wildenhoff / 14.08.2019

Früher – ich meine in den 70er und 80er Jahren – war es unter „Gebildeten“ schick, die „BILD-Zeitung“ zu lesen. Man musste es aber argumentieren: ich lese das nur, um zu wissen, was die da unten denken sollen. Genau die gleiche Argumentation gilt heute für Leute, die die Tagesschau regelmäßig „sich antun“. Der Unterschied ist allerdings, die BILD musste man „freiwillig“ kaufen, die Tagesschau wird durch Zwangsabgaben finanziert.

Max Wedell / 14.08.2019

Nicht nur unterscheiden sich die Mauern der DDR und der USA in ihrer grundsätzlichen Funktion sowie in der technischen Realisation fundamental, sondern in einem Fall wurde die Mauer von einem Mann gebaut, der nicht demokratisch gewählt wurde und seinem Volk gesagt hatte: “Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen”, während sie im anderen Fall von einem Mann in erheblichem Maß weitergebaut werden soll, der demokratisch gewählt wurde, u.a. weil er den Menschen gesagt hatte: “I will build a beautiful, beautiful wall!” Wer auch in diesen Umständen keinen fundamentalen Unterschied erkennen kann, scheint mir mehr als nur ein wenig meschugge zu sein. Warum wurde von der tagesschau-Reporterin ausgerechnet eine solche verschrobene Ansicht aus den Besucherreaktionen des Mauermuseums herausgesucht? Sollte uns gezeigt werden: Schaut mal, auch Knalltüten besuchen dieses Museum? Oder hat vielleicht eher genau dieser einfältige Mauern-Vergleich bei der berichtenden Reporterin eine Saite wohliger Gefühlsduselei zum Schwingen gebracht, die nicht durch ein Minimum an kritischem Denken gedämpft werden wollte? Im letzteren Fall sollten die tagesschau-Macher mal ihr Personal überprüfen, bevor aus der tagesschau die tägliche Lore-Kurzgeschichtensammlung geworden ist. Populär, weil ans Herz gehend, aber doch irgendwie nicht mehr so ganz der klassischen Vorstellung von einer Nachrichtensendung entsprechend.

sybille eden / 14.08.2019

Liebe Andrea NÖTH, dass hat mich erschauern lassen wie sie das analysieren.  In dieser Deutlichkeit macht man es sich ja kaum klar ! Hierzu fällt mir der Ausspruch Napoleon Bonapartes ein ,der sagte :” Die Deutschen sind ein merkwürdiges Volk, wegen einer simplen Parole bekämpfen sie sich untereinander schlimmer, als sie es gegen ihre auswärtigen Feinde tun !” Das muss man nur mal auf unsere Zeit übersetzen ! Wenn ihm das schon vor 200 (!) Jahren klar wahr, warum sollten wir die Hoffnung hegen das es jemals anders sein könnte ?

Hjalmar Kreutzer / 14.08.2019

Bezeichnenderweise wurde umgekehrt während meines „Ehrendienstes in der Nationalen Volksarmee“ die „Sicherung der Staatsgrenze der DDR“ mit der Grenzsicherung der USA gegen Mexico relativiert, so wie heute diese Grenzsicherung mittels der Erinnerung an die „Mauer“ verteufelt wird.

Gabriele Schulze / 14.08.2019

Ich tue mir die ÖR-Nachrichten schon länger nicht mehr an. Nun passiert es aber schon mal, daß in Gaststätten oder anderswo die Glotze oder das Radio laufen und mein Gehör erreichen. Sehr seltsam! Einerseits ein Hauch von Vertrautheit, andererseits unglaublich fremd. Ein Paralleluniversum, leider kein imaginäres. Ich leide stumm, bis erlösende Lala kommt…

M. Pört / 14.08.2019

Auch in Teilen der Presse kennt man den Unterschied zwischen Haus- und Zellentür nicht Die Sächsische Zeitung (Teil der SPD-Medientruppe) vom 13.08, findet (auf Seite 2 mit Bild) eine neue Bezeichnung für die Mauer: In etwa 120 Wörtern verwendet man dreimal den Begriff “Bollwerk,”  einmal davon prominent in der Überschrift. Historische Bezeichnungen wie “Antifaschistischer Schutzwall” oder “Eiserner Vorhang” kommen dagegen nicht vor.

Gert Köppe / 14.08.2019

Zu erwähnen wären, in diesem Zusammenhang, auch noch die vernagelten Bretterzäune vor den Köpfen der Tagesschau-Redakteure.

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