Roger Letsch / 23.09.2022 / 14:00 / Foto: E. R. Tilton / 21 / Seite ausdrucken

Die „Grausamkeiten“ von Martha’s Vineyard

Ron DeSantis' Husarenstück hat ein bizarres Nachspiel: Die Anwälte des Bostoner Büros der „Lawyers for Civil Rights“, nicht die Migranten selbst, haben Klage eingereicht. Die Anklageschrift könnte einem Comedy-Programm entnommen worden sein.

When you’re in a hole, stop digging.
(Denis Healy)

Als ich die Geschichte schrieb, dachte ich wirklich, mit der raschen Abschiebung der 50 auf Martha’s Vineyard gelandeten illegal eingewanderten Venezolaner sei in dieser Causa bereits der Gipfel der Scheinheiligkeit erreicht. Falsch gedacht! Das blamierte linke Milieu will die Schmach nicht auf sich sitzen lassen, derart vorgeführt worden zu sein. Und wie stets, wenn die politische Aktion versagt, werden Gerichte bemüht. „Die Migranten, die nach Martha’s Vineyard geflogen wurden, reichen Sammelklage gegen DeSantis ein“ titelte Axios etwas voreilig. Eine Sammelklage vor einem US-Gericht, eingereicht von Nicht-US-Bürgern? Merkwürdig! Und in der Tat weiß CNN es besser.

Die Klage kommt vom Bostoner Büro der „Lawyers for Civil Rights“, das im Auftrag von Alianza Americas, einer Lobbyorganisation handelt. Sie ist also ebensowenig auf dem Mist der Betroffenen gewachsen wie beispielsweise die Abmahnung einer Deutschen Kanzlei gegen irgendeinen Bäckerladen, weil dessen Webseite Google-Fonts benutzt und deshalb von einem „geschädigten“ Mandanten losgetreten wurde, der nie einen Fuß in den Laden gesetzt hat.

Der Vorwurf lautet, DeSantis habe die Migranten getäuscht, sie mit Gutscheinen bestochen und ein Dokument unterschreiben lassen, welche diese gar nicht hätten lesen oder hinreichend verstehen können. Außerdem sei ihnen am Zielort der Reise Arbeit und Wohnung versprochen worden. Die Anklageschrift umfasst 35 Seiten und enthält Formulierungen, die einem Comedy-Programm entnommen sein könnten:

„Diese Einwanderer, die den ordnungsgemäßen Weg zur Erlangung eines legalen Einwanderungsstatus in den Vereinigten Staaten beschreiten, erlebten Grausamkeiten, die denen ähneln, vor denen sie in ihrem Heimatland geflohen sind. Die Beklagten haben sie manipuliert, sie ihrer Würde beraubt, sie ihrer Freiheit, ihrer körperlichen Autonomie, eines ordnungsgemäßen Verfahrens und des gleichen Schutzes durch das Gesetz beraubt und in unzulässiger Weise in die ausschließliche Kontrolle der Bundesregierung über die Einwanderung eingegriffen, um ein unrechtmäßiges Ziel und eine persönliche politische Agenda zu fördern.“

Rassismus der gesenkten Erwartung

Da wäre zunächst der „ordnungsgemäße Weg“, den die Einwanderer eben gerade nicht beschritten haben. Dann die „Grausamkeiten“, die denen ähneln, vor denen die Menschen aus Venezuela geflohen waren. Die Annehmlichkeiten eines Privatjets und die etwas pikiert wirkende und äußerst kurze Gastfreundschaft der netten Einwohner von Martha’s Vineyard mit den Zuständen in Maduros Caracas zu vergleichen, kann man nur als äußerst gewagt bezeichnen.

Die Anwälte von „Lawyers for Civil Rights“ sehen Würde und Freiheit also eher im Zustand der Obdachlosigkeit oder in einem Flüchtlingslager in Texas verwirklicht als an den Stränden oder in den pittoresken Dörfern von Martha’s Vineyard. Letzteres ist einfach zu nahe an Boston gelegen. Der Punkt „ausschließliche Kontrolle der Bundesregierung über die Einwanderung“ ist schon ehrlicher. Spiegelt er doch die Angst der Biden-Regierung wider, die Staaten könnten die aus dem Ruder gelaufene Migrationspolitik in die eigenen Hände nehmen. Doch sollten sich die Anwälte hier nicht vielmehr darüber empören, dass es ja gerade die Biden-Regierung ist, die sich um die Einwanderer und deren Probleme überhaupt nicht kümmert?

Und worin besteht wohl das „unrechtmäßige Ziel“, von dem da die Rede ist? Die Venezolaner sind Arbeitsmigranten, die auf abenteuerlichen und gefährlichen Wegen tausende Kilometer – großenteils zu Fuß – zurücklegten, um in die USA zu kommen. Sie wissen, was sie wollen: Arbeit. Dass die Regierung von Joe Biden durch das Versprechen einer „weichen Tür“ sie erst dazu brachte, statt nur ins sichere Kolumbien oder vielleicht nach Mexiko zu laufen, sich auf den Weg in die USA machten, ist deutlich grausamer, als sie in einem Privatjet auf eine Luxusinsel zu fliegen. Noch dazu freiwillig und nachdem sie ein auf Englisch und Spanisch verfasstes Dokument unterzeichnet hatten, in dem genau dargestellt war, wohin die Reise geht und wie die Chancen am Zielort sind. Diesen Menschen Ahnungslosigkeit zu unterstellen, ist praktizierter Rassismus der gesenkten Erwartung.

Vielsagende Nagelprobe

Das Vertrackte an der Sache ist nämlich die Unterstellung, den 50 seien Festanstellung und Geld versprochen worden, während in Wirklichkeit stets nur von „opportunity“, also von Chancen die Rede war. Denn auch alles Anwaltsgeschwätz ändert an der Tatsache nichts, dass Migranten und Asylbewerber während ihres Anerkennungsprozesses nur in den selbsterklärten „Sanctuary States“ arbeiten dürfen, nicht aber in Staaten wie Florida oder Texas, wo auf dieses Virtue Signalling gänzlich verzichtet wird.

Die Menschen dorthin zu bringen, wo sie legal arbeiten können, ist das Angebot, das Staaten wie Texas und Florida machen. Den Migranten ist das sonnenklar. Möchte man sie etwa dauerhaft zu Mündeln staatlicher Fürsorge machen? Die Anwälte sind nämlich der Meinung, illegal in Florida zu arbeiten, sei irgendwie besser als legal auf Marthas Vineyard nach Arbeit zu suchen. Zu dumm nur, dass man es auf Martha’s Vineyard gar nicht erst dazu kommen ließ, diese Menschen arbeiten zu lassen und die Wartezeit bis zu ihrer Anerkennung sinnvoll zu verbringen. Man schob sie schleunigst und mit Freudentränen in den Augen auf eine Militärbasis ab.

Insgesamt strotzt die Klage nur so von Formulierungen, die deutlich machen, für wie unmündig, ungebildet und dumm man die Migranten hält. Willenlos würden sie hin und her geschubst, betrogen, misshandelt und missverstanden. Meiner Einschätzung nach haben die 50 ein sehr viel realistischeres Bild von ihrer Lage und ihren Möglichkeiten, als die Seite der Kläger ihnen zugestehen will. Mittlerweile dürfte jedenfalls auch dem letzten der 50 klargeworden sein, was die Bezeichnung „Sanctuary State“ tatsächlich wert ist. Nämlich viel für das Gewissen der Politiker und nichts für Betroffene. Bei der Nagelprobe tritt unter dem goldglänzenden Titel nämlich sehr schnell das graue Blei der Indolenz hervor. Und DeSantis war der Nagel, der das besorgte.

Spannend ist nun, ob es einen Richter gibt, der diese Klage zulässt, ohne in schallendes Gelächter auszubrechen.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.

Foto: E. R. Tilton via Wikimedia Commons

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Gudrun Meyer / 23.09.2022

Für die Wokeria in den USA und Westeuropa, nicht zuletzt bei den deutschen MSM, ist nicht besonders relevant, ob selbst ihre Anhänger noch allzu schmierige und allzu dumme Unterstellungen glauben oder nicht. Es ist auch nicht besonders relevant, ob ein in Gang gesetztes Verfahren Aussichten hat oder nicht. Selbst, wenn Ron de Santis der nächste Präsident wird, können die Bolschewoken ihm Trumps Schicksal bereiten, und auch, wenn er sich genauso wenig von medial aufgeblähten Nichtigkeiten und von Verleumdungen abschrecken lässt wie Trump, steht er vor der “Öffentlichkeit” als “moralischer” Verlierer da. Zur Strategie der Bolschewoken gehören Zermürbungen auch ohne Aussicht auf juristische Erfolge. In Deutschland wurden die Wohnungen missliebiger Richter, Ärzte und ihrer Angehörigen gefilzt. Die Polizei “fand” nichts Verbotenes (schleppte allerdings die Laptops und Smartphones der “Corona-Leugner” ab), und laut den Gefilzten wurde nichts gestohlen. Die Absicht war die, Kritiker zu nerven und einzuschüchtern, nicht mehr und nicht weniger. Vermutlich setzte man auch darauf, dass die besonders willkürlich gefilzten Angehörigen Druck auf die “Leugner” machten: “Nur, weil du dauernd die Fresse aufreißen musst, kommt die Polizei bei mir an, während mein Mann und ich UNGESTÖRT SEIN WOLLEN! Und dann sind noch die Kinder tagelang ängstlich!” - So läuft das in Ländern, wo der Rechtsstaat noch nicht ganz im Jenseits der Zugehörigkeiten untergegangen ist. Ron de Santis und seine Mitarbeiter sollen genervt, schikaniert und natürlich von CNN-“Jurys” schuldig gesprochen werden. Darum geht es, und nicht um einen juristischen Erfolg der woken Milliardäre gegen de Santis. Übrigens löschen republikanische US-Staaten die unbestellte Fracht schon seit einiger Zeit in demokratischen US-Staaten, und selbst im woken Berlin sind bereits Kreuzberger Grün*innen mit Asylbewerberheimen in ihren Ökotopen belästigt worden. Sie reagierten nicht anders als die Bolschewoken von Martha´s Vineyard.

Block Andreas / 23.09.2022

Die Linken heißen ja nicht umsonst die ” Linken “..... anderes Wort….Hinterfotzig…...

Thomas Schmidt / 23.09.2022

Spielt alles keine Rolle, egal wie dumm oder verlogen, ist wie im Sozialismus, das System herrscht.

H.Milde / 23.09.2022

Es könnte ja auch gut passsieren, daß einige der illegalen Migranten jetzt widerum diese herzensguten Anwälte persönlich und deren sicherlich nicht armen menschenliebenden “NIMBY-Auftraggeber” (Not in my backyard), auch persönlich verklagen,  zB. wegen nicht in ihren Namen und Auftrag gefertigter Klagen gegen ein Land, in dem man Aufnahme und Lebenschancen möchte, und das somit gefährdet, sogar verunmöglicht wird? Wenn man schon in den US wegen eines heißen Kaffees, den man sich selbst tölpelhafterweise über´s Gemächt kippt zigtausende US $ bekommt, wieviel wohl dabei? Das würde man dann in´s eigene Knie schießen nennen. Beidseitig.

Rosemarie Könen / 23.09.2022

Jaja, was wären alle Armen und Unterdrückten in der Welt ohne selbsternannte Retter aka NGOS. Seit solchen auch bei uns ein eigenes Klagerecht ,Stichwort Umwelthilfe, eingeräumt wurde, wird selbst das bedürftige,  vom menschengemachtem CO2 in Atemnot gebrachte Klima gerettet. Zu NGOs:  Diese sind brotnötig, denn ausschließlich alle, selbst die rechtmäßig gewählten Regierungen, sind immer böse, weshalb ein paar nicht gewählte und damit nicht legitimiert Hanseln das zurecht rücken müssen. Gute wissen halt, was gut ist für die Mehrheit. Da ist nix zu meckern.

Marcel Seiler / 23.09.2022

Sowohl der Flug der Illegalen nach Martha’s Vineyard als auch die Klage der Bostoner Kanzlei sind politische Spielzüge im gegenwärtigen Kulturkampf. Auf die gerichtliche Würdigung kommt es wirklich nicht an. Entscheidend ist: Gelingt es, die Öffentlichkeit von der Scheinheiligkeit der Champagner-Sozialisten im Nordosten zu überzeugen? Oder gelingt es der Gegenseite, die Öffentlichkeit mit dem angeblichen Rassismus der Bevölkerung im Süden zu erschrecken? Gerichte sind hier nur die Resonanzkörper, auf denen diese PR-Kampagnen ausgetragen werden.b

Thomas Szabó / 23.09.2022

Ich würde auf Martha’s Vineyard ein ganzes Asylzentrum mit tausenden von Migranten errichten. Die reichen Heuchler von Martha’s Vineyard spielen sich als Menschenrechtsaktivisten auf, indem sie Migranten in die USA einladen. Dann bürden sie die Migranten anderen auf, sollen andere sie durchfüttern und die Migrantenkriminalität erdulden. Sie sind “Moralparasiten”, die sich auf Kosten anderer moralisch erheben. Ja, sie sind Parasiten, da sie ihren Scheinhumanismus von anderen bezahlen lassen. Sie sind wie Carola Rackete. Carola stellt einen Migranten vor deine Haustüre: “Beherberge, finanziere und füttere du ihn!” und spielt sich als eine Lebensretterin auf. Das sind typisch Gutmenschen. Sie gehen, oder wie Carola schwimmen, über Leichen, um als gute Menschen zu erscheinen. Mit dem Geld was unsere parasitären Parallelgesellschaften kosten, könnte man tatsächlich die Welt retten. Aber das wollen sie gar nicht.

Gerard Doering / 23.09.2022

Wo kommen denn die Amis hin wenn bereits die Tellerwäscher auf Luxusinseln verbracht werden. Und da Reichtum blendet, ja sogar blind macht,wäre es ja regelrecht eine artfremde Haltung. Also gebt ihnen doch etwas Zeit und als Millionäre sind sie dann willkommen. Eines kann ich ihrem Artikel entnehmen: die Amerikaner haben die gleichen Probleme und es gibt dort wohl genauso viel Gutmenschen wie in Deutschland. Es könnten doch wenigstens drei bis fünf Alibi Migranten aufgenommen werden, da sind die Deutschen schon etwas weiter, schaut nur nach Sylt.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Roger Letsch / 24.04.2024 / 12:00 / 44

Meuterer auf der Energiewende-Bounty

Es wird viel über den Rückbau der Gasnetze diskutiert. Bei den Kostenbetrachtungen wird aber meist vergessen: Wenn die eine Infrastruktur rückgebaut wird, muss eine andere her,…/ mehr

Roger Letsch / 01.04.2024 / 12:00 / 58

Der große Lastenfahrrad-Test

Der Versuch einer Jugendgruppe, die nachhaltige Kaffeeversorgung der Kreisstadt Eberswalde per Lastenfahrrad-Ferntransport sicherzustellen, führte zu aufschlussreichen Erkenntnissen. Wir leben in aufregenden Zeiten, denn dank unserer…/ mehr

Roger Letsch / 27.03.2024 / 06:00 / 81

Die „Young Leaders“ werden vom Himmel geholt

In den letzten Jahren brillierten im Westen junge, aktivistische Politiker mit woker Superkraft. Nun disqualifiziert sich einer nach dem anderen selbst. In vielen westlichen Staaten…/ mehr

Roger Letsch / 11.03.2024 / 06:00 / 89

Das Phänomen Trump und die deutsche Angst

Er ist wieder da! Und in Deutschland zittern die Medienschaffenden beim Gedanken an Donald Trumps Rückkehr an die Macht. Das Grinsen von Heusgen und Maas bei der…/ mehr

Roger Letsch / 07.03.2024 / 06:00 / 55

Wer die Demokratie wirklich rettet

Demokraten-Darsteller versuchen, die Demokratie mit undemokratischen Mitteln zu retten. Doch Gerichte und Institutionen wachen langsam auf – vom Supreme Court in USA bis zum Wissenschaftlichen Dienst des…/ mehr

Roger Letsch / 05.03.2024 / 16:00 / 7

Die schiefe Verachtung nach unten

Alexander Wendt analysiert in seinem neuen Buch die Entwicklung des Kulturkampfes und zeigt auf, wie man sich dagegen wehren kann. Das macht fast ein bisschen optimistisch.…/ mehr

Roger Letsch / 20.02.2024 / 14:00 / 33

Die Risiken und Nebenwirkungen des Trump-Urteils

In New York ist Donald Trump zu einer bemerkenswert hohen Strafzahlung verurteilt worden. In dem Eifer, Trump zu schaden, riskieren die Akteure eine verhängnisvolle Entwicklung.…/ mehr

Roger Letsch / 15.02.2024 / 06:10 / 99

Notbremse: Biden soll vor der Wahl weg

Ein innerer Kreis um den Präsidenten der USA versucht, ihn aus dem Amt zu bekommen, bevor es zu spät ist. Bidens kognitive Ausfälle werden beängstigend. Das…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com