Seit rund zehn Jahren kritisiere ich den Islam als eine Ideologie der Gewalt und der Intoleranz. Warne vor der Islamisierung Deutschlands und Europas, weil der Islam mit dem Anspruch auf Weltgeltung auftritt. Moment mal, was heißt hier Ideologie? Der Islam ist doch eine Religion, eine Weltreligion sogar, nach dem Christentum die mit den meisten Anhängern. Und nach Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 20. Dezember 1948 sowie nach Artikel 4 unseres Grundgesetzes besteht Religionsfreiheit. Außerdem beansprucht auch das Christentum Weltgeltung, getreu dem Missionsbefehl Jesu „Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“.
Damit sind wir genau da, wo ich auf keinen Fall hin wollte: bei der Religion. Deshalb habe ich von Ideologie gesprochen. Ich hätte auch Politreligion sagen können. Denn der Islam ist mehr als eine Religion. Zwar ist es durchaus nicht einfach, zu definieren, was Religion ist. Deshalb will ich es gar nicht erst versuchen. Klar ist aber, jedenfalls für Europäer und all jene, die „westlich“ denken, dass Religion und Staat zwei getrennte Bereiche sind. Im Islam ist aber genau dies nicht der Fall. Din wa daula (ﺪﻴﻦ ﻮ ﺪﻮﻟﺔ), Glaube/Religion und Politik/Staat sind im Islam untrennbar verbunden. Deshalb unterscheide ich zwischen der spirituellen Seite des Islam (das ist die Religion) und der gesellschaftlichen, politischen und vor allem rechtlichen Seite. Nur diese und die darauf basierenden Bestrebungen sind Gegenstand meiner Kritik.
Mich treibt die Sorge um Muslimen unrecht zu tun
Doch an sich will ich auf etwas ganz anderes hinaus. Mich treibt die Sorge um, ob ich den Menschen, die sich als gläubige Muslime verstehen, nicht Unrecht tue, wenn ich den Islam kritisiere. Ja, ob ich nicht „Volksverhetzung“ im Sinne des § 130 unseres Strafgesetzbuchs betreibe, wenn ich vor einer Islamisierung warne. Danach macht sich strafbar, „Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet“.
Nun, nichts liegt mir ferner, als zum Hass oder gar zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen Muslime aufzustacheln. Zwar halte ich den politischen Islam für eine totalitäre Ideologie, genau wie Kommunismus und Nationalsozialismus. Aber damit sage ich noch nichts über seine Anhänger. Diese beurteile ich individuell nach ihren Worten und vor allem Taten. So habe ich den Kommunismus stets kritisiert, insbesondere nachdem ich ihn während meines Studiums in Berlin bei meinen Besuchen im Osten der Stadt nach dem Mauerbau unmittelbar kennen gelernt habe.
Warum ich zwischen Islam und Muslimen unterscheide
Das hat mich aber nicht gehindert, über fast zwei Jahrzehnte freundschaftliche Beziehungen zu einem Kommunisten aus Sarajewo zu pflegen und mich bereit zu erklären, dessen drei Kinder während des Bosnienkrieges bei uns aufzunehmen, als er uns über das Rote Kreuz darum bat (allerdings hat er es nicht geschafft, die Kinder aus der Stadt herauszubringen; bald darauf ist der Kontakt abgebrochen, vermutlich weil er an den Folgen einer Verletzung gestorben ist). Und genauso unterscheide ich zwischen dem Islam und den Muslimen.
Außerdem bemühe ich mich, bei der Kritik des Islams sachlich zu bleiben, auch wenn das nicht immer einfach ist. Ich begründe jede meiner Aussagen und vermeide Vokabeln, die als beleidigend empfunden werden könnten. Ich bezeichne Mohammed nicht als Kinderschänder oder Massenmörder oder Muslime, wie Theo van Gogh dies getan hat, als „Ziegenficker“ oder den Koran als „Handbuch des Terrorismus“. Nicht vermeiden kann ich allerdings, dass Muslime die Kritik eines „Ungläubigen“ als solche bereits als Beleidigung empfinden.
Es bleibt eine Gratwanderung
Subjektiv fühle ich mich also durchaus auf sicherem Boden. Aber es bleibt eine Gratwanderung. Denn niemand kann sich bei diesem Thema vor Beifall von der falschen Seite schützen. Doch muss man das letztlich genauso aushalten wie die Verunglimpfung als Rassist oder Rechtsextremist. Schwerer auszuhalten wäre jedoch, wenn jemand die Warnung vor Islamisierung zum Anlass nähme, Muslime zu töten. So wie Josef Bachmann angeblich durch Artikel in der Springer-Presse zum Attentat auf Rudi Dutschke am 11. April 1968 auf dem Berliner Kurfürstendamm verleitet wurde.
In Wirklichkeit war es wohl ein Aufruf in der Deutschen National-Zeitung „Stoppt den roten Rudi jetzt“. Und auch der norwegische Massenmörder Anders Behring Breivik beruft sich in seiner über 1500-seitigen Schrift „2083: A European Declaration of Independence“ auf den norwegischen Islamkritiker „Fjordman“ sowie auf Robert Spencer, Daniel Pipes und Henryk M. Broder sowie andere, die vor einer Islamisierung Europas warnen, bevor er insgesamt 85 Menschen tötete (in Oslo bei einem Brandanschlag acht und auf der Insel Utøya 77). Eine solche missbräuchliche Berufung auf Texte, die Kritik an einer Ideologie üben, kann niemals als Grund angeführt werden, diese Kritik gefälligst zu unterlassen. Ansonsten würden bald nur noch Psychopathen den Gang der Dinge bestimmen.
Letztlich gilt, was der Schweizer Autor Bernhard Steiner (geb. 1973) gesagt hat: „Das Leben ist eine Gratwanderung zwischen Selbstzerstörung und Erbauung.”