Thomas Rietzschel / 17.08.2020 / 12:48 / Foto: Bibliothek Gallica / 29 / Seite ausdrucken

Die Gnade der späten Einfalt

Der Roman unserer Tage entstand vor bald 150 Jahren. Der Franzose Gustave Flaubert hat ihn als Fragment hinterlassen. Erzählt wird die Geschichte zweier Tölpel. Beide, „Bouvard und Pécuchet“, genießen die Gnade ihrer Einfalt. Weil sie nichts können, gibt es nichts, das sie sich nicht zutrauen würden. Allein das Schicksal stand ihnen lange im Weg.

Als Abschreiber kopieren sie amtliche Schriftstücke von morgens bis abends. Langweilig verdämmern ihre Tage, bis sie dank einer stattlichen Erbschaft die Ärmelschoner abstreifen und privatisieren können. Um die nunmehr freie Zeit totzuschlagen, beginnen sie darzustellen, wozu sie sich berufen fühlen. Da sie aber nicht wissen, was man können muss, um etwas zu können, gilt ihnen alles gleichviel. 

Zuerst befassen sie sich mit der Landwirtschaft und dem Gartenbau. Als dann nach und nach verkümmert, was sie pflanzen, bereitet ihnen das weiter kein Kopfzerbrechen. Gibt es doch auf der Welt noch mehr, wovon sie nichts verstehen. Hals über Kopf stürzen sich die gescheiterten Landwirte in das Studium der Naturwissenschaften. Dass sie mit bahnbrechenden Entdeckungen in die Geschichte eingehen werden, steht außer Frage. Bücher, möglichst dick und teuer, in Leder gebunden, werden stapelweise angeschafft. Jedes dieser Werke könnten sie fein säuberlich abschreiben. Nur was die Sätze bedeuten, will sich keinem der Beiden erschließen. Macht nichts. 

Schuld sind immer die Anderen

Vielleicht sollten sie sich zum Nutzen der Menschheit doch besser auf etwas anderes verlegen, auf Archäologie, Architektur oder die Reform der Grammatik. Auch in der Schriftstellerei erkennen sie ein Feld, das sie beackern könnten, ebenso wie das der Religion. Dass sie bei jedem neuen Anlauf so zuverlässig auf der Nase landen wie beim vorherigen, liegt immer nur an den Umständen und dem Unverstand der Fachleute. Die studierten Besserwisser sind schlichtweg zu borniert, um das Universalgenie der Dilettanten zu erkennen. Greta grüßt aus der Zukunft. 

Als er den Roman über „Bouvard und Pécuchet“ schrieb, war Gustave Flaubert seiner Zeit so weit voraus, dass sich das Buch, abgesehen vom historischen Kolorit, heute wie ein Gesellschaftsroman der Gegenwart liest. Erkennen die Helden nach der Häufung ihrer Missgeschicke doch sogar, dass sie mit ihrem intellektuellen Vermögen wie geschaffen wären für die Politik, für das Metier, in dem die Alleskönner ungeniert zeigen, was sie nicht draufhaben.

Stolz könnten sich die literarisch erfundenenTrottel an der Seite einer Ursula von der Leyen aufblasen, mit ihr darüber fachsimpeln, wie man aus einer Armee eine Gurkentruppe macht, um nachher, auf dem nächst höheren Posten, die Mitglieder der EU gegeneinander aufzubringen.

Hand in Hand mit Heiko und Frank-Walter

Mit Heiko Maas könnten sie darüber sprechen, wie man sich als Außenminister lächerlich macht, indem man die Großmächte anbellt wie der Hund den Mond. Mit Olaf Scholz wären sie sich schnell darin einig, dass ein Finanzminister Geld, das er nicht hat, zum Fenster hinauswerfen muss, um zu zeigen, was er alles kann. 

Und wie würden sich Bouvard und Pécuchet erst neben Frank-Walter Steinmeier ausnehmen, dem Genossen, der zum Bundespräsidenten aufstieg, nachdem er sich Jahr um Jahr durch die Welt schwadroniert hatte, ohne irgendetwas zu bewegen oder einen Krisenherd einzudämmen. 

Die Einfältigen wären unter sich, nicht zuletzt mit der deutschen Bundeskanzlerin. War sie es doch, die das Credo aller Dilettanten und Heimwerker zur politischen Leitlinie erhob, als sie verfügte: „Wir schaffen das!“ 

Davon waren auch die Figuren Flauberts überzeugt, wann immer sie sich berufen fühlten, etwas zu unternehmen, das der Welt den Atem verschlägt, als Natur- oder als Geisteswissenschaftler, als Dichter oder Politiker.

Dennoch täten wir den harmlosen Spinnern unrecht, würden wir sie mit Markus Söder, Martin Schulz, Andrea Nahles, Annalena Baerbock, Robert Habeck oder Saskia Esken in einen Topf werfen. Immerhin waren sie noch Narren, über die man lachen kann. Auch verprassten sie nur, was sie ererbt hatten, indes ihre Nachgeborenen jeglichen Unsinn auf Kosten der Steuerzahler verzapfen. 

In einem Schelmen-Roman, wie ihn Flaubert hinterließ, wären die politischen Knallchargen unserer Tage jedenfalls fehl am Platz.

Foto: Bibliothek Gallica via Wikimedia Commons

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toni Keller / 17.08.2020

Treffer! Versenkt!

sybille eden / 17.08.2020

Flaubert ist ja gut, aber die grösste “Knallcharge” war ja wohl ein gewisser Kunstmaler aus Braunau, der meinte er könnte riesige Armeen über den Erdball jagen um eine neue Welt- ordnung zu schaffen. Sowas hat Tradition in Deutschland, daß gibt man nicht freiwillig auf, da bedarf es der “Hilfe” kulturfremder Mächte” von jenseits des Ozeans oder der Steppen Sibiriens. Heute ist es wieder soweit, der Traum einer neuen Weltordnung steht vor der Tür, die Einfältigen wetzen schon die Messer, aber wer kann sie noch verhindern ?

Dr. Yvonne-Patricia Alefeld / 17.08.2020

In die literarische Ahnengalerie des politischen Dilettantismus gehört auf jeden Fall auch E. T. A. Hoffmanns Satire „Klein Zaches genannt Zinnober“ (1819) – ein verwachsener und unverschämter Flegel, der seine beispiellose Karriere als Minister rücksichtslos als Plagiator betreibt. Das gelingt ihm insbesondere in einem politischen Milieu, das jede kritische und abweichende Meinung abgeschafft hat.

K.Bucher / 17.08.2020

Interessanter Bericht -Danke ! und ja in der tat auch Andere immer noch Sehr Bekannte haben einst so manche WARNUNG Hinterlassen .Leider wurden Deren Warnungen zumindest Teilweise überhört , da man ja sonst kaum in der Heutigen Lage zum jeweiligem Thema wäre . (Natürlich mit Quellen Angabe so wie es sich gehört) +++ Voltaire: Correspondance II. 1739–1748. Texte établi et annoté par Theodore Bestermann, [Paris] 1965 (Bibliothéque de la Pléiade), p 414–418.+++ Dass Voltaire über den historischen Mohammed recht gut informiert war, zeigt folgender Brief an Friedrich den Großen:+++„Ich gebe zu, dass wir ihn hoch achten müssten, wenn er Gesetze des Friedens hinterlassen hätte. Doch dass ein Kamel Händler in seinem Nest Aufruhr entfacht, dass er seinen Mitbürgern Glauben machen will, dass er sich mit dem Erzengel Gabriel unterhielte; dass er sich damit brüstet, in den Himmel entrückt worden zu sein und dort einen Teil jenes unverdaulichen Buches empfangen zu haben, das bei jeder Seite den gesunden Menschenverstand erbeben lässt, dass er, um diesem Werke Respekt zu verschaffen, sein Vaterland mit Feuer und Eisen überzieht, dass er Väter erwürgt, Töchter fort schleift, dass er den Geschlagenen die freie Wahl zwischen Tod und seinem Glauben lässt: Das ist mit Sicherheit etwas, das kein Mensch entschuldigen kann, es sei denn, er ist als Türke [Synonym für Moslem] auf die Welt gekommen, es sei denn, der Aberglaube hat ihm jedes natürliche Licht erstickt.“+++ Mich würde ja auch Heute noch Brennend Interessieren wie die ganzen zuvor hier genannten Politik Darsteller auf diesen Brief geantwortet hätten ? beziehungsweise -Hätte Sie überhaupt darauf geantwortet ?

Jürgen Fischer / 17.08.2020

Herr Rietzschel, sind Sie sicher, dass unsere Allesnichtskönner dieses Buch neben »1984« nicht auch als Gebrauchsanleitung für ihre eigenen Kapriolen hergenommen haben? In diesem Fall könnte man ihnen jedoch nicht mehr einen Mangel an literarischer Bildung vorwerfen. Das Buch muss ich haben.

Bernart Welser / 17.08.2020

Beim Lesen des Artikels fiel mir zunächst wieder ein Ausspruch ein, den ich gestern bereits im Kommentarbereich zur Sonntagsfrage (“Wer hat’s gesagt?”) zum Allerbesten gegeben habe. Er stammt von Deng Xiaoping und richtet sich gegen eine gewisse Spezies von Partei- und Staatsfunktionären - diese würden “den Lokus besetzt halten, ohne zu scheißen” (chin.:  占着茅坑不拉屎 zhàn zhe máo kēng bù lā shǐ).  -  Nun handelt es sich laut Herrn Rietzschel bei den von Flaubert beschriebenen Typen “um harmlose Spinner” und “Narren, über die man lachen kann. Auch verprassten sie nur, was sie ererbt hatten, indes ihre Nachgeborenen jeglichen Unsinn auf Kosten der Steuerzahler verzapfen.” - Dagegen bekommt der Bundesbürger - ich komme jetzt wieder auf die Deng Xiaoping’sche Formulierung zurück - die Scheiße, die “unsere” Politschranzen absondern, tagtäglich zu sehen, zu riechen und zu fühlen. Damit nicht genug: wir müssen diese übelriechenden Fäkalien auch noch mit unseren Steuergroschen finanzieren. Derweil bläuen die regime-affinen Propagandatröten uns ein, dass wir in Wirklichkeit mit leckerster Schokolade beschenkt werden. Diejenigen, welche angesichts dieser Großherzigkeit nicht lauthals ihren Dank bekunden, sondern vielleicht noch ihr Näs’chen rümpfen (“Stinkt ja widerlich!”), erhalten stehenden Fußes ein Etikett aufgeklebt: “Pack”, “Mischpoche”, “xy-Leugner”, “Nartzieh”...

Uta Buhr / 17.08.2020

Trefflich, trefflich, lieber Herr Rietzschel! Diesen Schelmenroman Gustave Flauberts kenne ich auch, habe ihn während meines Studiums im französischen Original gelesen. Flaubert war ein Stilist erster Ordnung und hat jeden Satz mehrfach umgeschrieben, bevor er mit dem Ergebnis zufrieden war. Seine Bücher zu lesen ist ein Hochgenuss. Das gilt vor allem für “Madame Bovary.” Hierin seziert der Autor die verlogene Gesellschaft der Belle Époque bis auf die Knochen und entlarvt gnadenlos ihren pathologischen Fortschrittsglauben. Kein Wunder, dass die “Großkopferten” jener Zeit diesen Roman gern verboten hätten. Auf dem Index stand er allemal, wurde deshalb aber umso lieber gelesen. Meinen Sie, lieber Autor, dass die von Ihnen benannten Knallchargen “Bouvard und Pécuchet” gelesen haben, um sich an diesen Ignoranten ein Vorbild für ihre eigenen Taten zu nehmen? Wohl eher nicht, denn - wie Sie schreiben - taten die beiden liebenswerten Nichts- und Alleskönner dies ja auf eigene Kosten. Finde den Fehler!

Rainer Niersberger / 17.08.2020

So ist es. Mir scheint allerdings in diesen Zeiten, auch von Sloterdijk schon beschrieben, ein ergänzendes Phänomen hinzuzukommen, das ich aus der von mir “sehr geschätzten Personalentwicklung” kenne, die Aufforderung, sich taeglich mindestens einmal zu blamieren, d. h. es als eine Tugend zu kreieren,  ohne Talent, Koennen oder Wissen irgendetwas, und sei es noch so banal oder dilletantisch tisch, vor einer Öffentlichkeit abzusondern. Diese Oeffentlichkeit “bewertet” dann auch folgerichtig, auch mangels eigener Kompetenz und ästhetischem Empfinden, positiv den “Mut”, sich zu produzieren, früher sicher anders klassifiziert, und sorgt fuer Prominenz und Bestätigung auf der Darstellerseite, fuer eine Art Wohlfuehlgefuehl auf der eigenen Seite. Inzwischen scheint es auf die Qualität der Buehnenhopser und Quassler nicht mehr anzukommen, wenn nur Event, Masse und Selbstberauschung funktionieren, frueher ein Privileg der 16- bis 18- jährigen, heute kann man die verklaerten Blicke auch 40 bis 50 jähriger auf diese Prominenz bewundern. Hauptsache Präsenz, Prominenz und Zerstreuung. Die inflationaeren Zahlen der DarstellerInn en sprechen fuer sich, denn eine derartige explosionsartige Zunahme an “Talenten” ist eher unwahrscheinlich. Die verschwundenen oder abgeschafften Qualitaetsmassstaebe machen auch vor Politik und Journalismus nicht Halt. Der Auftritt als solcher genügt. Der Drang nach Geltung, auch nach projizierter Geltung, und nach Schein statt (unbefriedigendem) Sein ist auf beiden Seiten uebermaechtig. Beide Seiten hängen wie Junkies an der narzisstischen Kompensation. Fuer eine nüchterne, klare und unbelastete Sicht auf die DarstellerInnen und den bestenfalls (konfliktfreien, das ist wichtig) Bullshit reicht es in der Zeit der (Selbst) Taeuscher und Gaukler nicht mehr. Da koennten Illusionsblasen unangenemerweise platzen, bei Merkel und Co. wie auch bei den “Entertainern” und “Künstlern”. Wohin dann, ausser natuerlich dem “Dating” , mit der inneren Leere?

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