Thilo Schneider / 28.02.2018 / 14:00 / Foto: Kani / 10 / Seite ausdrucken

Die Glocke von Herxheim

Herxheim am Berg hat gut 700 Einwohner und wurde 744 n. Chr. das erste Mal urkundlich erwähnt. Und bis ins Jahr 2017 wahrscheinlich auch das letzte Mal. Aber dann…!

Herxheim hat nämlich eine Kirche, und die wiederum hat, wie sich das für eine ordentliche Kirche gehört, eine Glocke. Die gelegentlich läutet. Diese Glocke hat jene Kirche seit 1934. Also rund ein Jahr später, nachdem gewisse Leute mit Fackeln nachts durch das Brandenburger Tor gelatscht sind, damals noch völlig unbehelligt von der Antifa oder den Grün*Innen. Das alleine wäre auch noch nichts Besonderes, denn die Grün*Innen wurden erst 1980 gegründet. Außerdem gibt es viele Kirchen mit Glocken, und der ein oder andere Gong dürfte ebenfalls 1934 in irgendwelche Kirchtürme eingebaut worden sein.

Was die Herxheimer Glocke, die seit immerhin 84 Jahren die Gläubigen zum Gebet ruft, tatsächlich besonders macht, ist ein fettes Hakenkreuz mit der Überschrift „Alles fuer’s Vaterland – Adolf Hitler“. Diese eine von ursprünglich drei Glocken – die anderen wurden eingeschmolzen und „taten alles für’s Vaterland“ in neuer Form als Tiger-Panzerwannen und 8.8-Geschütze – ist, der Gauleiter weiß warum, erhalten geblieben. Der Gauleiter ist gestorben und nach 1945 hatte anscheinend irgendwie auch kein Herxheimer Lust, mal auf die Glocke zu kriechen und sie zu putzen, und so ist das quasi vergessen worden. Bis dann endlich, im Jahre 2 n. FlüKri („Flüchtlingskrise“) eine harmlose Organistin auf die völlig abwegige Idee kam, den Glockenturm zu erklimmen, um festzustellen, wer sie da beim Herumorgeln immer unterbricht.

Natürlich hat die arme Organistin im Jahr 2018 fast der Glockenschlag getroffen, orgelte sie doch seit Jahren sozusagen unter’m Hakenkreuz, und wenn das die Nachbarn ’rauskriegen – und sie beschloss, die Sache mit der braunen Glocke sozusagen (nein, nicht „an die große Glocke zu hängen“, obwohl die Versuchung da war) heraus zu posaunen. In einem Satz: Sie hat das mit der Glocke und dem Hakenkreuz gepetzt.

Nun ist es ja im empfindsamen und zartbesaiteten Deutschland des Jahres 2 nach Wir-schaffen-das so, dass alleine schon ein Kreuz ohne Haken, beispielsweise im Gerichtssaal, zu Ohnmachtsanfällen und Traumata von Nicht-mehr-Christen führt. Wenn dann am Kreuz auch noch Haken sind, dann ist natürlich Kirmes im Reichstag. Das gibt dann auch Fragen. Unangenehme Fragen. Wer wusste von der Glocke wann und warum nicht, und warum läutet die noch und ist nicht längst auch eingeschmolzen, sind die Herxheimer gar ein 700-Naziseelen-Zombiedorf und lassen sich ohne Widerrede in den evangelischen Gottesdienst läuten, und was ist hier eigentlich Trumpf mit dem Hitler und seiner einen Glocke? Und was wurde aus der läutseligen Organistin?

Die Schlagworte  „Autobahn“ und „Konkordat“ 

Jedenfalls weigerten sich Pfarrer Meinhardt und Bürgermeister Becker (der eine evangelisch, der andere Freier Wähler), die Glocke des Teufels zu entfernen, was die stets fürsorgende Presse nicht gut fand. Denn Glocken können ja auch Gefühle verletzen. Allerdings sei zur Ehrenrettung der Aufgeregt-Medien auch gesagt, dass Bürgermeister Becker meinte, kundtun zu müssen, dass „mit dem Namen Hitler ‚immer gleich die Judenverfolgung und die Kriegszeiten‘ verbunden seien.“ Was natürlich eine Sauerei ist. Schließlich hat er ja auch Homosexuelle, psychisch Kranke und Sozialisten getötet. Bürgermeister Becker geht aber noch einen Schritt weiter und damit zu weit: „Wenn man über solche Sachen berichtet, soll man umfangreich berichten", und er meint damit, „dass man sagt, das waren die Gräueltaten, und das waren auch Sachen, die er in die Wege geleitet hat und die wir heute noch benutzen." Deswegen ist Becker jetzt Bürgermeister mit dem Zusatz „a.D.“

Was genau Hitler „in die Wege geleitet hat“, hat Ex-Bürgermeister Becker nicht gesagt, aber ich vermute möglicherweise nicht falsch, wenn ich die Schlagworte „1. Mai“, „Autobahn“ und „Konkordat“ in den Raum werfe. Richtig interpretiert, würde Hitlers Glocke künftig als Dank für die Autobahnen und den Partytag der Hamburger und Berliner Altenpflegeautoanzünder gongen. Was natürlich Schwachsinn wäre.

Deswegen bleibt die Glocke jetzt hängen und läutet sozusagen nicht mehr zum Gottesdienst, sondern als „Anstoß zur Versöhnung und als Mahnmal gegen Gewalt und Unrecht“. Was ich sehr nett von der Glocke finde und wie es der immerhin 12-köpfige Gemeinderat mit zehn zu drei Stimmen (die eine Stimme kommt vom Bürgermeister, daher sind es wilde dreizehn) beschlossen hat.

Damit ist das Gremium einer Empfehlung der „Glockensachverständigen der pfälzischen Landeskirche“ (…doch, so eine Position gibt es tatsächlich. Es gibt in Deutschland Glockensachverständige, speziell der pfälzischen Landeskirche. Jugend aufgepasst – wenn das kein Beruf mit Zukunftsperspektive ist, welcher dann? Welch glücklich Land in dieser Zeit!), Birgit Müller, gefolgt. Die hatte – ich gebe sehr frei und nach meiner Lesart wieder – folgendes verkündet: Die Glocke sei ein Musikinstrument und 84 Jahre habe sich kein Aas dafür interessiert. Jetzt sei es aber leider auch zu spät, denn der Denkmalschutz erlaube es weder, die Glocke zu verkaufen (DEN Käufer hätte ich gerne kennengelernt) noch einzuschmelzen.

Eine Mahntafel geben, die vor irgendetwas mahnt

Dumm gelaufen, „unbesorgte“, nichtsdestotrotz irgendwie „betroffene“ Bürger. Man könne sie höchstens im Museum in einen Keller stellen und dann zu Sonderausstellungen („Hitlers Glocken“ oder so…) quasi herausholen, was allerdings dann auch eine „Flucht vor einer angemessenen und aufgeklärten Erinnerungskultur“ wäre. Warum auch immer. 

Damit sich jetzt aber trotzdem niemand vor dem Klang der Glocke erschrickt und weinen muss oder tot umfällt, wenn sie läutet, wird es eine Mahntafel geben, die vor irgendetwas mahnt. Außerdem will die Gemeinde Herxheim Buße tun und jedes Jahr zu irgendeiner Veranstaltung mit irgendeinem Gedenkklimbim zum Thema „die Geschichte von Gewalt und Unrecht ist eine Geschichte voller Missverständnisse“ oder so ähnlich einladen. Immerhin hat Herxheim durch das öffentliche Brimborium jetzt die Chance, zum Wallfahrtsort von Nazis und Anti-Nazis zu werden, die im Schatten des Kirchturms ihre Schlägereien veranstalten können.

Diese Chance zu zusätzlichem Umsatz von sich wohlig NS-Gruselnden haben sich jedenfalls die Gemeinden Essingen und Mehlingen, die auch Glocken des Bösen hatten, genommen und die Dinger abgehängt. Denn für derartige Abhängaktionen hat die pfälzische Landeskirche 150.000,- Euro zur Verfügung gestellt. Ist auch nicht schön, wenn es Zeugnisse dafür gibt, mit wem sich die deutschen Kirchen schon ins politische Bett gelegt haben.

Und warum das alles? Weil eine Organistin auch einmal eine Heldin des Antifaschismus sein wollte. Weil ja jeder dauernd irgendwie wegen irgendwas irgendwie total betroffen ist und einen #aufschrei hashtaggen möchte. Gespannt bin ich, was in 84 Jahren mit Glocken mit der Aufschrift „Für ein Deutschland, in dem wir alle gut und gerne leben“ passieren wird… Gut, dass ich dann schon tot bin.

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Leserpost

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Cornelia Buchta / 28.02.2018

Da dieses Thema seit einem halben Jahr mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerkes auf der SWR-Website “Nachrichten aus Rheinland Pfalz” erscheint, muss es sich offensichtlich um ein Thema von entscheidender Bedeutung handeln—es gibt nämlich nur 5 Spalten… Armes Rheinland Pfalz!

Klaus Peter / 28.02.2018

Mein Gott, was für ein Drama um diese verdammte Adolf-Glocke?! Kann man nicht einfach das Hakenkreuz abschleifen oder abflexen? Oder einen Smiley- oder Antifa-Aufkleber drüber pappen? Wahrscheinlich wird aber eher BER fertiggestellt als eine Lösung für diese Glocke gefunden….

U. Langer / 28.02.2018

Sehr geehrter Herr Schneider, ich hätte diese Glocke gekauft - schon, um den alten braunen Faschisten den Stinkefinger zu zeigen, weil sie die Glocke dann ja nicht anbeten können und natürlich auch für die neuen rot-grünen Faschisten, denn die Erkenntnis, dass diese Glocke nicht annonym eingeschmolzen wurde und vielleicht irgendwann irgendwo “klingklong” machen könnte, würde da zu Schnappatmung führen. MfG

Dirk Jungnickel / 28.02.2018

Die Sache mit dem Hakenkreuz hat einen Haken, und es wunderte mich, wenn noch keiner drauf gekommen wäre. Manchmal kann man ja Unheil abwenden, wenn man es vorab an die große Glocke hängt. Es könnte nämlich jemand - wenn nicht wie gesagt schon geschehen - eine Glockeninspizierkampagne anzetteln. Glöckner - falls noch irgendwo vorhanden - Organisten und Gemeindepfarrer sollten angewiesen werden, die Kirchtürme zu besteigen um einen kritischen Blick auf die Inschriften werfen.  Landesbischof Bedford-Strohm und Kardinal Marx würden mit gutem Beispiel voran steigen, meinetwegen auf dem Glockenturm des Kölner Doms. Sie müssen ja nicht sogleich notfalls inkriminierte Glocken abhängen wie seinerzeit ihre Kreuze auf dem Tempelberg, aber sie täten damit Buße, was doch schon ein Gewinn für die Christen in Deutschland wäre. Man könnte mit der Kampagne sogar eine zweite Fliege erschlagen: Den schon a priori exkommunizierten Glocken vermag man natürlich nicht mit ein paar Tropfen Weihwasser den Teufel auszutreiben ,  sie müssten selbstverständlich eingeschmolzen werden.  Raten Sie mal, wem das zugute käme. Richtig ! Frau von der Leyen hätte garantiert Verwendung dafür in ihrer herunter gekommenen Bundeswehr. Bitte, liebe Leser, nicht weiter verbreiten. s.o. Sonst ......  

Stefan Lanz / 28.02.2018

Danke fürs Lachen! Ich bin jetzt 46, muss ich in 84 Jahren dann auch schon tot sein? Wenn nicht, werde ich hier nachberichten!

Thomas Gruber / 28.02.2018

Ein wirklich gelungener, satirischer Artikel.  Ich habe mich halb totgelacht! Man kann daran sehen, dass nunmehr die großen Herausforderungen, denen unser Land gegenüber steht, endlich angegangen werden.

Jochen Lindt / 28.02.2018

Ich finde die Glocke muß unbedingt bleiben. Zeigt sie doch das die Kirche nicht immer dem Geschäftsmodell “Refugees Welcome” frönte, sondern sogar zur Marschkompanie des Führers gehörte. Sowas vergißt man ja gerne , wenn man Frau Kässmann und ihre Pfaffen so reden hört.  Dann denkt man die wurden von Gott direkt vom Himmel gesandt, in aller ihrer Pracht und Weisheit. Aber es war nicht Gott und nicht der Himmel. Es waren nur Hitler und Himmler.

klaus Blankenhagel / 28.02.2018

8.8 Geschuetze wohl kaum, weil es sich ja bestimmt um Nichteisen handelt, und als Panzerteile auch nicht!!!

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