Die Geheimwaffe der Schweiz gegen das Virus

Man weiß im Ausland, dass die Schweiz über eine Milizarmee verfügt. Das bedeutet, dass jeder wehrfähige Schweizer nach Absolvierung der Rekrutenschule in regelmäßigen Abständen einrückt, um das Vaterland zu verteidigen. In der Zwischenzeit hat er alle nötigen Ausrüstungsgegenstände, inklusive Sturmgewehr mitsamt Munition, bei sich zu Hause.

Trotz dieser flächendeckenden Bewaffnung der Eidgenossen kommt es zu erstaunlich wenig Gewalttaten unter Verwendung dieser militärischen Ausrüstung. Sie ist nun, vielleicht abgesehen von der Gasmaske, allerdings nicht von großem Nutzen bei der Abwehr der Attacke eines nur 150 nm (Nanometer, ein Millionstel Millimeter) kleinen Eindringlings. Denn der Corona-Virus macht natürlich auch vor der Schweiz nicht halt.

Aber die Schweiz hat etwas, was die umliegenden Staaten nicht haben. Nicht einmal die USA oder Russland verfügen darüber. China hatte einmal etwas Ähnliches, aber das war wirklich nicht praxistauglich: Das rote Buch. In der chinesischen Version umfasste es Sinnsprüche des großen Steuermanns Mao. Die aber zur Bewältigung des Alltags ungefähr so nützlich waren wie seine absurden Ideen vom großen Sprung nach vorne oder von der Kulturrevolution.

In der Schweizer Version heißt es schlicht „Zivilverteidigung“. Im September 1969 hielt es der damalige Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, also der Justizminister, für geboten, „im Hinblick auf künftige Prüfungen“ diesen 320-seitigen Wegweiser an alle Haushalte in der Schweiz verteilen zu lassen. Er gab den Empfängern noch mit auf den Weg: „Bewahren Sie das Buch sorgfältig auf, lesen Sie es besinnlich durch, vergewissern Sie sich von Zeit zu Zeit, ob alles vorbereitet sei.“

Abgerundet wird es durch „Vaterlandslieder“

Natürlich ist gerade heute genau der richtige Zeitpunkt, das sorgfältig aufbewahrte Werk hervorzuholen, um sich an seinen Ratschlägen zu orientieren. Denn, wie heißt es im Geleit so hellsichtig, es soll den „Lebens- und Widerstandswillen lebendig“ erhalten. Genau das braucht es bei der aktuellen Bedrohung durch ein Killer-Virus, das, wie anders, aus dem Osten kommt, wo auch 1969 immer der Feind herkam.

Umsichtig aufgeteilt ist das von namhaften „Persönlichkeiten“ geschriebene Werk in die Kapitel „Frieden“, „Kriegsgefahr“, „Krieg“, „Die zweite Form des Krieges“, „Widerstand“ und „Merkblätter“. Abgerundet wird es durch „Vaterlandslieder“. Bevor wir diese anstimmen, lenken wir unser Augenmerk auf die im ersten Anlauf etwas unverständliche „zweite Form des Krieges“. Darunter wird „Defätismus und Pazifismus“ verstanden, „Einschüchterungspropaganda“, „Zermürbung und Subversion“, die schließlich zum „Staatsstreich“ führen würde.

Dafür wurde die Figur eines „Adolf Wühler“ erfunden, der versucht, die Schweizer Bevölkerung zu verführen, ihre „Wehrkraft zu zersetzen“, er will „einen Keil zwischen Volk und Behörden treiben“. Aber das gelingt ihm natürlich nicht, denn die Eidgenossen wissen sich, dank diesem Buch, zu helfen. Das gehört schließlich zur „geistigen Landesverteidigung“.

Besonders wertvoll sind dafür auch die Merkblätter. Sie orientieren über die nötige Ausstattung der Schutzräume, inklusive „Behälter für verstrahlte und vergiftete Kleidungsstücke“, wobei auch „Büchsenöffner, Zapfenzieher und Taschenlampe“ nicht zu vergessen sind, aber auch „Toilettenpapier, Gesellschaftsspiele“ und eine gefüllte „Notapotheke“ müssen vorhanden sein.

Umsichtig werden auch Anleitungen gegeben, was vorgekehrt werden muss, bevor der Rückzug in den Schutzraum erfolgt. Zunächst einmal braucht es Notgepäck, „in griffbereiten Rucksäcken in der Wohnung“. Darin natürlich Leibwäsche, Ersatzbrille, Gasmaske und andere überlebensnotwendige Utensilien. Das Mäppchen mit persönlichen Ausweispapieren, dem „Krankenkassenbüchlein, Erkennungsmarken für das Rote Kreuz“ und natürlich mit diesem Zivilverteidigungsbuch nicht vergessen.

„Schutzraumvorrat“ für 14 Tage

Aber es braucht auch etwas zu futtern in Krisenzeiten. Da unterscheidet das Werk fein zwischen einem „staubdicht“ zu verpackenden Notvorrat für zwei Tage. Der wird ergänzt durch den „Schutzraumvorrat“ für 14 Tage. Hinzu kommt der „Haushaltsvorrat“, der die Ernährung für zwei Monate sicherstellen soll. Pro Person besteht hier der „Grundvorrat aus 2 kg Zucker, 2 kg Fett/Öl, 1 kg Reis, 1 kg Teigwaren“. Der wird dann mit einem „Ergänzungsvorrat nach Bedarf“ aufgestockt, zum Beispiel mit „Fleisch-, Fisch-, Käse- und Fruchtkonserven“. Und bitte auch an Seifen und Brennstoff denken.

Leider, das muss man einräumen, hat sich der Wunsch des damaligen Bundesrats Ludwig von Moos, dass der wehrhafte Eidgenosse von Zeit zu Zeit einen prüfenden Blick in dieses Buch wirft, nicht erfüllt. Obwohl ihm hochrangige Militärs, Parlamentarier, Professoren und begabte Illustratoren „ihre Unterstützung geliehen“ haben.  Schon damals, bei seiner Publikation, wurde es als „Zuvielverteidigungs-Buch“ verspottet, als Ausdruck der Paranoia, dass der damals noch existierende Ostblock es auf die Schweiz abgesehen habe. Entweder mit kriegerischen oder aber mit subversiven und eben wühlerischen Aktivitäten.

Nun ist der Feind aus dem Osten dennoch unbemerkt in die Schweiz eingedrungen, und es steht zu befürchten, dass der Schweizer Wehrwille und auch die Fähigkeit dazu, mangels aktiver Benützung dieses Büchleins, sehr zu wünschen übrig lassen. Gibt es Rettung? Das muss bezweifelt werden. Denn bislang hat die Schweizer Regierung bei all ihren Ankündigungen kein Wort darüber verloren, dass an eine Neuauflage und Verteilung an alle Haushalte dieses Leitfadens fürs Überleben gedacht sei.

Foto: Polizeiinspektion Flughafen München

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Johannes Schuster / 31.03.2020

Lieber Herr Zeyer: Ich kenne auch die großen Skandale im Schweizer Militär, angefangen von zu schwach armierten Bunker und fehlenden Beständen in den Notfallapotheken, was man jetzt beschämt feststellen mußte, daß eben die Vorräte doch nicht so ganz da sind, wo sie sein sollten. Von der Doktrin der “Zivilverteidigung” ist die Schweiz heute meilenweit entfernt. Das rote Buch habe ich auch, es ist für eine andere Zeit gedacht. Auch die Schweiz wurde in den 90ern umgebaut und hat heute das gleiche Problem der Hörigkeit vor dem Konsens. Freilich neigt sie nicht zum negativen Mitmachen, aber bei Corona sind die Maßnahmen so schwachsinnig wie sonstwo auch. Offene Brötchen gab es heute noch, und versiffte Laufkarten mit Nummern für jeden Kunden. Ich habe diese Bazillennummernschilder dann in eine Tüte eingepackt, so widerlich war das. Kundenvereinzelung und jeder darf aufs Gemüse husen, das lernt man nicht im WK, das ist ziviler Schwachsinn. Warum kein ABC - Truppenchef hier mal auf den Tisch haut wundert mich ebenfalls. Warum sich die Armee in der Schweiz gegen diesen Mist nicht wehrt verstehe wer will. Das ist kein Seuchenfall, auch wenn der Bundesrat das den Leuten so verkaufen will. Man hat die Trams und die SBB - Verbindungen gekürzt, toll um die Dichte der Leute in den Zügen zu erhöhen, wer macht so einen widersinnigen Schrott. Die Schweiz reagiert im Vergleich zu ihrer Aufstellung vor noch 20 Jahren kopflos und aktionistisch - sie hab ebenfalls ein pazifistisches Denkproblem und das wird sich nach Corona in eine komplizierte Aufarbeitung überführen.

A.Montag / 31.03.2020

Wir Deutsche haben auch so ein Buch. Es trägt den Titel „Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen“ und ist herausgegeben vom Bundesamt für. Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.

Daniel Salzmann / 31.03.2020

Die sogenannte Taschenmunition wird schon seit 2009 nicht mehr abgegeben. Sollte Herr Zeyer eigentlich wissen.

Dr. Andreas Kleemann / 31.03.2020

Ja, die Schweizer schreiben die gefährlichsten Bücher der Welt. Siehe auch: Major von Dach: “Der totale Widerstand”. Mit sehr viel Glück antiquarisch online für nicht unter 100,- EUR zu bekommen.

B. Bozen / 31.03.2020

Die Frage von M. Dost, wie ein solches Büchlein wohl aussehen würde, kann ich beantworten. Es gibt so etwas schon seit ca. 8-10 Jahren in Form einer Excel-Datei. Dort ist alles aufgelistet, was man in Not- und Katastrophenzeiten so bräuchte; als Einzelperson oder als x-köpfige Familie. Selbst die Kalkulation ist in Form von Berechnungen schon vorgefertigt und hinterlegt. Es gibt nur ein Problem: Wenn man das mal spaßeshalber nach gutem Gewissen ausfüllt, dann muß man nicht nur sein Konto räumen und beim Nachbarn Geld pumpen, sondern benötigt ein gut überdachtes Fußballstadion zwecks Unterbringung all der Notvorräte. Außerdem ist es auch nötig, soweit es sich um Nahrungsmittel handelt, selbige in Vornotzeiten regelmäßig “umzuwälzen”, also zu vermampfen. Diese Excel-Datei wurde erstellt von dem Ministerium, welches zwar den tollen Namen trägt, aber in der aktuellen Katastrophenzeit völlig abgetaucht ist und sich auch nicht dem Bevölkerungsschutz widmet. Jedenfalls hat man davon nichts bemerkt.

Burkhart Berthold / 31.03.2020

Freunde, spottet nicht über die Schweizer! Ich hatte als deutscher Soldat einmal Gelegenheit, an einer schweizerischen Übung teilzunehmen. Manches machte, vom Standpunkt des gewandten (West-)Deutschen aus betrachtet, einen etwas umständlichen Eindruck. Aber das täuscht und sagt vielleicht mehr aus über unsere Oberflächlichkeit als über deren Rückständigkeit. Im Fall des Falles hätte ich jedenfalls gern Schweizer als Nachbarn.  Die Brüder sind in Ordnung.

Dr. R. Moeller / 31.03.2020

Es braucht keine Schutzmasken, ABC Ausruestung, Hausarrest fuer alle und bei Verstoss Strafandrohung bis bald zur Lynchjustiz fuer “Leugner”. Verstand - insbesondere gesunder Menschenverstand waeren vollkommen ausreichend. Wenn immer ich die Kommentare lese: mehr, mehr und noch mehr Freiheitsentzug, Versklavung und Anarchie,. dann ja dann … Wahrscheinlich wird man versuchen die Zahlen geheim zu halten, aber schon jetzt zeichnet sich ab, dass Covid 19 die Gesamtmortalitat nicht erhoeht. Falls die Zahlen nicht zu unterdruecken sind wird es heissen, ja schon aber dies nur aufgrund unserer Massnahmen. Dieser Virus zerstoert unsere westliche Zivilisation - um praeziser zu sein, nicht das Virus aber unsere Aktionen. Leute wacht auf - nicht der Virus ist gefaehrlich sondern die Panik !

Jens Richter / 31.03.2020

@Leo Hohenstein: Gute Idee, das mit dem Widerstand. Können wir uns auf Ende Mai einigen? Das Wetter ist dann besonders widerstandsgünstig. Hoffentlich ist die kleine Grippe bis dahin nicht verschwunden oder die Teilnehmer (haha, kleiner Scherz). Wenn ja, sparen Sie Geld. Deal? Der Ausrichter des Widerstands muss natürlich ruhig bleiben. Sind nur noch zwei Monate.

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