Gerd Buurmann / 28.04.2020 / 14:00 / 8 / Seite ausdrucken

Die Gefahr ist jetzt klein und still

Vor ein paar Wochen habe ich noch gedacht, wenn unsere Welt mal so richtig aus der Bahn geworfen wird, dann wegen eines Kometen oder eines Erdbebens. Ich habe an Vulkanausbrüche gedacht und an Atomkriege. An irgendwas Großes und Lautes halt. Zum Beispiel Nazis, die grölen und tottrampeln, oder Islamisten, die Sachen und Menschen in die Luft sprengen. Alles war immer laut und groß. Dabei ist die Gefahr jetzt klein und still.

Lange Zeit dachte ich, ich hätte so unglaubliche Angst vor dem Tod, weil ich keine Ahnung habe, was danach kommt. Aber das ist Quatsch. Jetzt weiß ich, dass ich diese unglaubliche Angst habe, weil ich genau weiß, was danach kommt. Wir wissen es alle ganz genau. Da brauchen wir uns überhaupt nichts vormachen. Es gibt, rein logisch betrachtet, nur zwei Möglichkeiten: Nicht mehr sein oder Für immer sein.

Für immer! In zehn Jahren werden wir darüber lachen.

Ich war zwölf, vielleicht elf, als ich das erste Mal versuchte, die Unendlichkeit zu sehen. Das war so eine fixe Idee von mir. Im Schlafzimmer meiner Eltern standen damals zwei große Spiegel, einer für Vater und einer für Mutter. Ich stellte sie einander gegenüber und schon war sie da, die Unendlichkeit. Ich musste nur noch nachschauen. Ich stellte mich also zwischen die beiden Spiegel und sah …

Mich.

Was hatte ich denn auch erwartet? Ich stand im Weg. Die Unendlichkeit war hinter mir. Ich war zwar noch ein Kind, aber die Unendlichkeit war kleiner. Die Unendlichkeit ist immer kleiner. An dem Tag wurde mir klar: Es geht immer noch kleiner.

Alles wird irgendwann widerlegt

Das Virus ist klein. Kleiner als wir alle. Und es wirft uns aus der Bahn.

„Gott würfelt nicht“, hat Einstein mal gesagt. „Gott würfelt nicht nur, er wirft die Würfel sogar manchmal so, dass man sie nicht sehen kann“, hat Hawking gesagt. Beide sind tot.

Das Virus ist klein, aber es geht immer noch kleiner: Atome, Neutronen, Elementarteilchen, vielleicht sogar Strings, fast unendlich kleine Fäden und Saiten, eine schöne Theorie. Was auf diesen Saiten wohl für Melodien gespielt werden können?

Ob Stringtheorie oder Relativitätstheorie, wir Menschen formen Theorien und hoffen, dass in der Zeit, in der wir leben, atmen, singen und lieben, die Theorie nicht widerlegt wird. Aber sie wird widerlegt; alles wird irgendwann widerlegt. Auch ich werde eines Tages widerlegt werden, sogar für immer und ewig. Deshalb ist das Leben so kostbar.

Das Leben ist größer als die Unendlichkeit und länger als die Ewigkeit. Das Leben ist sogar so groß, dass es endet.

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Leserpost

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herbert binder / 28.04.2020

“Wir leben ewig, trotz all der Not / in jeder Stunde, die uns bedroht / wir wollen leben und erleben, schlechte Zeiten überleben / wir leben ewig, bis in den Tod” [Wolf Biermann] Mit anderen Worgen: “Solange wir leben, leben wir ewig”.....the end….. Danke Gerd Buurmann.

Juliane Mertz / 28.04.2020

Das Virus ist ein totes Stück Gencode. Ein epidemisches Atemwegs-Virus löst eine Epidemie aus und dann verschwindet es wieder.  Wenn es sich nicht schneller vermehrt als dass es von unseren Immunsystemen vernichtet wird, dann beginnt seine Ausrottungsphase unumkehrbar.  Ab dem Höhepunkt der Neuansteckungen verliert es an Vorsprung, bis es von unseren Immunsystemen eingeholt wird. Das passiert lange bevor jeder Kontakt mit dem Virus hatte. China wird dieses Jahr das einzige Land mit Wirtschaftswachstum sein - die haben nie wirklich aufgehört zu produzieren, während hier außer Schweden keiner kapiert, was los ist. Dummheit wird ganz einfach bestraft.

Michael Fasse / 28.04.2020

Ein schöner, nachdenklicher Text, Herr Buurmann. Wir alle werden entweder hören: „Komm herein, zu deines Herrn Freude!“(Mt.25,23) oder: „Ich kenne euch nicht…Weicht alle von mir, ihr Übeltäter“(Lk.13,28). Entscheidend für das Jenseits wird sein, welche Beziehung wir im Diesseits zu dem hatten, der allein die Macht hat, so zu sprechen: Jesus Christus.

D. Schmidt / 28.04.2020

Eben. Das Universum ist auch unendlich und zwar so unendlich unendlich das man es sich im Gehirn nicht vorstellen kann. Leider nehmen sich bei uns aber manche unendliche wichtig. Wenn die wüssten wie unendlich unwichtig sie eigentlich sind. Relativ betrachtet.

Wilfried Cremer / 28.04.2020

Das endliche Leben ist eingebettet in die Ewigkeit. Die aber bleibt, mit allem, was darinnen ist.

Wolfgang Kaufmann / 28.04.2020

Vor vielen Jahren musste ich mal meinen Chef kutschieren. Damals gab es noch Herbstmanöver, und das war so ein Tag. Ich fuhr einen großen Umweg, um eben nicht in eine kolonnenbedingten Stau zu kommen. Daheim angekommen sagte er mit: „Herr Kaufmann, dieser Umweg war doch nicht nötig. Wir haben ja gar keinen Stau gesehen.“ – Das ist es, was Drosten mit Präventionsparadoxon meint. Wenn wir mit einem blauen Auge davon gekommen sind, sagt sicher irgend ein Intellikakaist: Das wäre doch gar nicht nötig gewesen.

Christoph Schriever / 28.04.2020

Endlich mal was Vernünftiges zu lesen.

A. Ostrovsky / 28.04.2020

Na das hat uns ja gerade noch gefehlt: Unendlichkeitsnachdenkungsorgien. Das Alternativlose ist nie klein. Basta! Rückgängig machen, sofort! Haben Sie etwa noch gar keinen Maulkorb um, Herr Baumann? Ich desinfektioniere meinen Maulkorb gerade durch langsames Sintern der Gummibänder bei 80 Grad im Backofen. Sonst steigt der Fake-Faktor R-Null wieder.

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