Von Sascha Adamek.
Vom Fußball zum Terror ist es in Katar manchmal nicht weit. Denn der seit 2013 als Terrorfinanzier gelistete Geschäftsmann al-Nuaymi war Jahre bereits an der Spitze der Qatar Football Association gewesen. 2010 wurde er vom Olympischen Komitee des Landes für sein Lebenswerk und seine Leistungen für den Sport ausgezeichnet.
Aber wie passen die Scharia und eine moderne wirtschaftliche Entwicklung zusammen? Katar hat – wie Saudi-Arabien und die Emirate – längst beschlossen, auf eine von Rohstoffen unabhängige Volkswirtschaft hinzuarbeiten. Hierzu gehört vor allem der Tourismus, der nicht zuletzt durch die Fußball-WM angekurbelt werden soll. Kommen zurzeit etwa drei Viertel aller Reisenden als Geschäftsreisende in das Emirat, sollen spätestens bis 2030 die Freizeittouristen überwiegen. Zwar machte auch 2015 noch der Gasexport 51 Prozent der Einnahmen des Emirats aus, doch zugleich investiert das Land nach Kräften in die übrige Infrastruktur von der Metro bis zu den Stadien.
Um ihr Land für die Ausrichtung der Fußballspiele zu ertüchtigen, legten die Scheichs im Haushalt 2017 noch einmal 2,6 Prozent obendrauf und beschlossen Ausgaben von 25 Milliarden US-Dollar. Am meisten lassen sie sich mit 8,5 Milliarden Dollar die Sportstätten kosten, dann mit 6,8 Milliarden Dollar Infrastruktur- und Transportprojekte. Für Gesundheit und Bildung immerhin noch 1,6 Milliarden. Wer also im Westen Geschäfte mit dem Emirat machen möchte, konnte sich bislang zur richtigen Zeit am richtigen Ort wähnen. Das kann man im Kalender des German Business Council Qatar CBCQ nachlesen: Allianz, DB Schenker, Hochtief, KPMG, Lufthansa, SAP, Siemens, Strabag, Thyssenkrupp und zahlreiche wichtige mittelständische Unternehmen treiben in dem umstrittenen Emirat Geschäfte. Einer, der glaubte, auch am richtigen Ort zur richtigen Zeit gewesen zu sein, ist Franz Beckenbauer. Ein Rückblick auf die Umstände der WM-Bewerbung 2022 klärt darüber auf, wie es im Kernland des Scharia-Kapitalismus zugeht.
Beckenbauers Gewährsmann drohte, „Köpfe abzuhacken“
In Anbetracht von Berichten über Unfälle auf WM-Baustellen und menschenrechtsfeindlichen Arbeitsverträgen hat Beckenbauer zweifellos den ersten Platz unter den Katar-Verteidigern verdient. Vor internationalen Medien sagte er: „Ich habe noch keinen einzigen Sklaven in Katar gesehen. Die laufen alle frei herum, weder in Ketten gefesselt noch in irgendwelcher Büßerkappe am Kopf, also das habe ich noch nicht gesehen. Wo diese Meldungen herkommen, ich weiß es nicht. Vom arabischen Raum habe ich mir ein anderes Bild gemacht, und ich glaube, mein Bild ist realistischer.“
Das Bild, das Beckenbauer sich machen konnte, dürfte allerdings nach allem, was wir wissen, ein eher eingeschränktes gewesen sein. Im Dezember 2010 erzählte Beckenbauer in einer Talksendung von Servus TV sehr locker, warum Katar für die WM keine schlechte Wahl sei: „Wieso Katar? In der Wüste, im Sommer – 40, 50 Grad (…) Im ersten Moment ist es … auch für mich, der Emir von Katar ist ja ein guter Freund von uns, der uns auch bei der Bewerbung 2006 geholfen hat, das darf man nicht übersehen. Also, der Emir war ein wichtiger Wegbegleiter. Ohne ihn, ich weiß nicht, ob wir es geschafft hätten.“ Der TV-Moderator hakte nun nach: „Was heißt geholfen? Um Geld ging’s nicht?“
„Nein, es ging nicht um Geld. Ein Gesandter von ihm ist der Mohammed bin Hammam, (…) der damals ein ordentliches Mitglied der Exekutive war, ein Katari. Den hat er angewiesen, dafür zu sorgen, uns ein paar Stimmen zu holen. Das hat er getan.“ – „Angewiesen?“, fragte der Moderator, worauf Beckenbauer erklärte: „Ja, in diesen Ländern wirst du irgendwo angewiesen, da gibt’s keine Diskussion. Da sagt der Chef, der Emir sagt: Das hast du zu tun. Und das hat er gemacht.“
In ihrem 380 Seiten starken Untersuchungsbericht zu den dubiosen Zahlungen rund um die deutsche WM-Bewerbung stellt die Kanzlei Freshfields, Bruckhaus, Deringer klar, dass insgesamt 6 Millionen Euro an den katarischen FIFA-Funktionär Mohammed bin Hammam geflossen sind:
„Fest steht, dass die CHF 10 Mio. im Jahre 2002 auf ein Konto der KEMCO Scaffolding Co. bei der Doha Bank in Katar geflossen sind. Fest steht auch, dass sich nach dem aktuellen Kenntnisstand ausschließen lässt, dass die Zahlung der CHF 10 Mio. der FIFA als Verband zugutekommen sollte. Zudem erfolgte die Rückzahlung der CHF 10 Mio. Ende April 2005 durch Überweisung der EUR 6,7 Mio. auf das Konto von Robert Louis-Dreyfus über ein offizielles Konto der FIFA.“
Alleineigentümer der KEMCO sei bin Hammam, heißt es in dem Bericht. So hält es auch der Bericht der Wirtschaftsprüfer im Auftrag der FIFA fest: „Nach dem Ergebnis unserer Untersuchung steht fest, dass die Zahlung in Höhe von EUR 6,7 Mio. im Jahr 2005 vom OK WM 2006 bewusst falsch deklariert worden ist. Sie war als Beitrag für die FIFA-Eröffnungsgala ausgewiesen, aber für Robert Louis-Dreyfus gedacht.“ Aber wer ist dieser Mohammed bin Hammam? Er war ein enger Vertrauter des langjährigen Emirs von Katar, Hamad bin Khalifa al-Thani. Der Guardian zitiert bin Hammam, der habe im Vorfeld der Wahlen zum FIFA-Exekutivkomitee 2009 gedroht, Rivalen die „Köpfe abzuhacken“. Hammam bestritt stets, mit Drohungen oder Geldzahlungen operiert zu haben.
Theo Zwanziger ist noch heute empört
Franz Beckenbauer jedenfalls sagt aus, von den Umständen der Zahlungen an bin Hammam nichts gewusst zu haben. Wie sich später herausstellte, hat Beckenbauer in seiner Zeit als Leiter des Organisationskomitees für die WM 2006 einiges Geld zusätzlich verdient. So habe er 5,5 Millionen Euro vom DFB erhalten – allerdings für Werbetätigkeiten für das Wettunternehmen Oddset. Spiegel-Online schrieb dazu: „Die Frage, warum er dafür nicht direkt einen Vertrag mit Oddset schloss, sondern aus dem DFB-WM-Topf entlohnt wurde, ließ der Verband offen.“
Für seine Bewerbung für die WM 2022 geriet bald Katar selbst in das Visier von Ermittlungen der FIFA. So soll Mohammed bin Hammam bei einem Treffen mit Delegierten aus der Karibik Umschläge mit jeweils 40 000 US-Dollar verteilt haben, um die Gunst für Katar zu gewinnen. Nach weiteren Untersuchungen der FIFA sperrte diese bin Hammam schließlich 2012 lebenslänglich für sämtliche Tätigkeiten im Fußball. Bin Hammam, der sich stets für unschuldig erklärte, trat von allen Ämtern zurück.
Wie das Emirat mit öffentlicher Kritik verfährt, zeigt sich am Vorgehen gegen einen prominenten deutschen Ex-Fußballfunktionär: Theo Zwanziger. Als er sich in einem Interview kritisch über mögliche Korruption äußerte, rief das sogleich die deutschen Anwälte des katarischen Fußballverbandes auf den Plan. Zwanziger hatte Katar wegen der vielen Unregelmäßigkeiten bei der WM-Vergabe als „Krebsgeschwür des Welt-Fußballs“ bezeichnet und gesagt: „Der unendliche Reichtum dieses kleinen Landes Katar breitet sich fast wie ein Krebsgeschwür über den Fußball und den Sport aus. Ich bin ja selbst hin und wieder angesprochen und eingeladen worden. Dieses kleine Land nutzt seine wirtschaftliche Stärke, um Einfluss zu nehmen auf Entscheidungen in der Politik und im Sport.“
Das Landgericht Düsseldorf wies die Klage des katarischen Fußballverbands gegen Zwanziger wegen Beleidigung ab. Die Äußerungen seien von der Meinungsfreiheit gedeckt, schrieben die Richter. Es sei Zwanzigers berechtigtes Interesse gewesen, „die öffentliche Debatte über die Vergabe der Fußball-WM nach Katar (wieder) anzuregen und diese zu kritisieren“. Die Kritik sei berechtigt, auch wenn Schmiergeldzahlungen „nicht erwiesen“ seien.
Theo Zwanziger ist noch heute empört, wenn er an die kommende WM 2022 in Katar denkt. Er hatte bereits frühzeitig vor dieser Vergabe an den Wüstenstaat gewarnt. Das Land bringe weder die sportlichen noch die gesellschaftlichen Voraussetzungen mit. „Stadien, die aus der Retorte gebaut werden unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen“, das sei mit dem Nachhaltigkeitsgedanken nicht vereinbar. „Ein Land mit einer Gesellschaftsordnung, die Menschenrechte mit Füßen tritt, darf nicht noch mit einer WM beehrt werden“, sagt Zwanziger. Katar sei schlicht von einem „Beherrschungsgedanken“ getrieben, und der habe im Sport nichts zu suchen.
Dies ist der erste von drei Auszügen aus dem Buch Scharia Kapitalismus. Den Kampf gegen unsere Freiheit finanzieren wir selbst von Sascha Adamek, die wir als Dreiteiler veröffentlichen. Teil 1 dieses Dreiteilers finden Sie hier, Teil 2 hier, Teil 3 hier.
Sascha Adamek, geb. 1968, arbeitet seit zwanzig Jahren als Journalist und Filmemacher für die ARD, u.a. für die Politikmagazine „Kontraste“ und „Monitor“, aktuell für die Redaktion „Investigatives und Hintergrund“ des rbb.