DAMALS – (3/3) >>>> In den Nachrichten kam die Meldung dass jemand an der Zonengrenze erschossen worden sei. Der Name ist bis heute im Gedächtnis des Jungen. Friese, doch der Vorname ist entfallen. Der Junge verstand es nicht. Da ist doch das gute Land? Warum erschießen die Menschen? Er wollte Antworten, doch „Rosa Luxemburg“ fertigte ihn ab: Der Sozialismus muss vor Revanchisten geschützt werden. Und wenn er das nicht verstehe sei er noch nicht reif für die Revolution. Ohne Opfer kein Sieg und… Die Worte rauschten dahin und der Junge verließ den Raum. Immer noch Rauchverhangen, doch mit einem Weihnachtsbaum versehen auf dessen Spitze ein Stern thronte. Rot. Rot wie Blut. Und er begann zu lesen, begann mit anderen zu reden, traf jemanden der in dem besseren Deutschland gelebt hatte und traf eine Entscheidung: Für die Freiheit. Nicht für den Sozialismus. Und er las das Grundgesetz, verglich es mit der Wirklichkeit, las andere Verfassungen und verglich diese Schriften mit dem was war und ist. - Und so schreit ihn ein heute ein Teenager (sagt man doch so) an, der in der einen Hand ein Smartphone hält und die andere Hand zur Faust ballt. „Nazis raus!“ Ja, Nazis raus. Und er sieht sich. Sich selbst, als er jung war. Hohl, unwissend manipuliert. Ein Name taucht vor ihm auf: Friese. Doch der Brüller versteht es nicht. „Heul nur, alter Sack“ geifert der Junge, doch warum des Mannes Augen feucht werden, wird er nicht verstehen. Noch nicht. Aber vielleicht weint auch er dereinst, wenn es sieht, wofür er sich missbrauchen ließ… (——- Sie haben die Geschichte geglaubt? Ich muss Sie enttäuschen, denn sie ist erfunden. Sehen Sie wie leicht man Emotionen erzeugen kann, wie Worte manipulieren, die Empfindungen lenken können? Ein Wort genügt um etwas zu ändern. Freiheit und Sozialismus? Nein, Freiheit ODER Sozialismus. Sie allein entscheiden. Sie ganz allein!)
DAMALS - (2/3)>>>> Das solle organisiert werden und auch wer Plakate, Transparente und Fackeln trage würde. Eine Fackel? Ja! Die Flamme der Freiheit. Und so schnellte der Arm nach oben. „Ich!“. Ja, das war es: Der Beginn der Zeitwende, die Fackel als Symbol des Lichtes. Damals - doch, es war die Flamme des Weltbrandes. - Aber das sah der Schüler nicht, der von einer gerechten Welt träumte, den der Lehrer vor der gesamten Klasse zusammenstauchte, weil er ihn in der Unterrichtspause mit dem Heft „Marx und Maoritz“ erwischt hatte. Eine Übertragung der Buschgeschichten für den Klassenkampf. (Gibt es das noch?). Der Junge verhärtete innerlich. Freiheit und Sozialismus waren falsch? Und dann der Rüffel? Ja, er war ein Revolutionär, er würde die Fackel tragen, er würde auf den Barrikaden stehen, er…- Und dann sah er Sie. In dem Raum, in dem irgendwas über Lenin, Marx, ach, irgendwen geredet wurde und der Rauch um die Kerzenflammen tanzte. Sie war etwas älter und ihr Bambino (Fiat 500) war zugleich das Gefährt der Revolution. Zumindest hier in der Stadt. Sechs Personen passen hinein. Eng, aber was tut man nicht alles für den Klassenkampf? Sie lächelt als sie dem Jungen ein Heft reichte: „Musste lesen. Dann wirste klar.“ Er hörte gar nicht hin. So muss Rosa Luxemburg gewesen sein… Jeanne D’Arc, ach all die Frauen die er sich auf den Barrikaden vorstellte… (Sie? Sie sitzt heute im Bundestag und ihr Parteibuch? Ach kommen Sie. Sehen Sie da noch Unterschiede? Viele wechselten die Farben, doch das Tun bleibt gleich). Der Junge nickte und freute sich auf die Fackel. Warum man demonstrierte? Ja, für den Frieden. Ach, war es nicht gleich, wenn man in der Genossen Gemeinschaft marschierte? Der Betriebsrat verabschiedete sich. Gab jedem die Hand und der Junge war gerührt. Fast so, als habe ihn Marx, Engels und Lenin gleichzeitig berührt. Er war dabei. Er war die Revolution. - Er war dumm. Ein Kind das sich erwachsen fühlte. - Der Junge erwachte am Weihnachtstag 1970. (->3)
DAMALS - (1/3) >>>> Ein zerschlissenes Sofa, eine aus Schalbrettern gezimmerte Bar, übervoll mit bauchigen Lambruscoflaschen, teils gefüllt, teils halbleer, einige mit Tropfkerzen bestückt. Tabakrauch schwebt nebelnd im Raum und aus den kratzenden Lautsprechern schrillt Floh de Cologne. Irgendwer nimmt die Langspielplatte herunter, denn bei dem Stück „Wir stehen am Rande“ springt die Nadel des Tonabnehmers immer wieder auf. „Rand - Knack – Rand – Knack“. - Hoher Besuch ist angesagt. XY ist geladen, den Jugendtreff zu beehren. Er ist nicht irgendwer, er ist Betriebsrat. Ein Kämpfer der Arbeiterklasse, ein Revolutionär für unsere Freiheitsrechte. Geknechtet durch das Kapital, beherrscht von bösen Kapitalisten die nicht sehen wollen dass das Deutschland hinter den Selbstschussanlagen und dem Stacheldraht das bessere Deutschland ist. XY tritt ein. In der Hand ein Plakat: „Wir fahren in ein kinderfreundliches Land“ steht darauf. Er erklärt sogleich dass die Ferienreise in die DDR bereits organisiert sei und jeder doch seine Kinder anmelden solle. Die Formalitäten würden durch die Partei geregelt, die 1956 verboten worden war und die sich durch Umstellung der Buchstaben im Zuge der 68er-Revolution (er sagte es wirklich) neu zusammen fand. Er öffnete die mitgebrachte Reisetasche und stellte eine weitere Flasche Lambrusco auf die Aschereste neben den übervollen Aschenbecher. „Nun wollen wir aber anstoßen, auf den Sieg der Revolution.“ Es war in der ersten Septemberwoche des Jahres 1970 (den genauen Tag habe ich nicht im Gedächtnis) und man träumte sich nach Südamerika hin. Salvador Allende war zum Präsidenten Chiles gewählt worden. Chile, die neue Speerspitze im Kampf der Arbeiterklasse um die Befreiung. Der Plattenspieler knisterte „Bandiera rossa“, wobei ich heute der Überzeugung bin: Das „i“ im Titel - war und ist - ein Schreibfehler, wenn man das Tun betrachtet. Man besprach dann eine Demonstration für Frieden und Irgendwas. (->2)
In Sachen gottbegnadetem Aussehen und Stimme ist man Erz-Kapitalist und Wiedergutmacher durch Ultra-Heuchelei und Medienkumpanei. Kinder von ehemaligen Nazigrößen sind für dieses Großreinemachen besonders empfänglich und kaum in der Lage, jemals erwachsen zu werden. Dieser Becker ist auf einer fatalen Dämlich-Ebene von Theaterregisseuren und sonstigen Denkhelden, deren diskriminierender Hass auf die Bürgerlichen von diesen auch noch beklatscht wird. Allen müsste man mehrere Klarsfeld verpassen, aber aufwachen aus dieser Blase: für einen Erzdummkopf wie Becker einfach unmöglich. Dazu genießt er zu viele ganz reale, kapitalistische Privilegien. Er ist und bleibt ein Gartenzwerg des Denkens.
Was mir sofort wieder ins Auge sticht: Keiner (oder vielleicht doch einer) der Vielen Aufrufer geht einer wertschöpfenden Tätigkeit nach, also produziert oder verteilt etwas, von dem sie alle leben. Lasst sie machen, sperrt alle ein, das Virus verschwindet nicht, aber vielleicht die Menschen. Ob sie das wirklich wollen?
Ein längst fälliger Text. Ausgezeichnet! Die, die man 89 auf der Straße sah, waren eben nicht nur eine kleine Abordnung derer, der vermeintlich weiteren Millionen, die lediglich montags nie konnten. Es waren alle. Mehr gab‘s nicht. Für eine realistische Einschätzung hätte man besser die beachtet, die man nicht sah. Nämlich die Mehrheit. Die damals, gekränkt von der „feindlichen Übernahme“, aus ihrer behaglichen Unfreiheit, die ihnen die nötigsten Grundbedürfnisse erfüllte, gestoßen wurden. Und seit 30 Jahren haben sie sich ihr mäkelndes Beleidigtsein erhalten. Immer voran mit der Attitüde, um etwas gebracht worden zu sein. Und somit das Recht erwirkt zu haben, nichts leisten zu müssen, ausschließlich nehmen zu dürfen. Quasi als Reparation, für ihren abgebrochenen DDR-Lebenslauf. Es widert nur noch an…
“Mumia”? Dat seggt allens.
Es kann auch sehr schnell gehen, Libanon, die Schweiz des Osten, Jugoslawien oder der arabische “Frühling”.
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