Henryk M. Broder / 02.03.2016 / 17:30 / 1 / Seite ausdrucken

Die Frage des Asyls stellt sich gegenwärtig nicht

Raif Badawi, 1984 geboren, Gründer der Online-Plattform "Die saudischen Liberalen", wurde wurde im Mai 2014 von einem saudischen Gericht wegen "Beleidigung des Islam" zu zehn Jahren Gefängnis und 1000 Peitschenhieben verurteilt. Der Anwalt, der ihn verteidigt hatte, kam ebenfalls vor Gericht und bekam 15 Jahre Haft u.a. wegen "Ungehorsam gegenüber dem Herrscher" und "„Schädigung des Rufs des Staates". Im Juni 2015 wurde das Urteil gegen Badawi vom obersten Gericht des Köngreiches bestätigt. 

Dies im Sinn schrieb ich letzten Freitag die folgende mail an den Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert:

Guten abend, lieber Herr Seibert, und entschuldigen Sie bitte die späte Störung. Ich bin etwas aufgewühlt, nachdem ich ein Interview mit der Frau des saudischen Bloggers Raif Badawi gesehen habe. Schauen sie bitte hier:
http://www.tomgrossmedia.com/mideastdispatches/archives/001593.html
und ich frage mich, warum die Regierung der Bundesrepublik, die eine vorbildliche Willkommenskultur praktiziert und über eine Million "Schutzsuchende" aufgenommen hat, nicht in der Lage ist, Raif Badawi politisches Asyl anzubieten, der ja nicht in der Lage ist, bis nach Passau oder Rosenheim zu reisen. An mangelnden Beziehungen zur saudiarabischen Regierung kann es nicht liegen, nachdem Außenminister Steinmeier vor kurzem (und kurz nach der Massenhinrichtung von 47 Delinquenten) an der Seite von König Salman ein
Kulturfestival eröffnet hat. Ich wäre Ihnen für eine Klärung sehr verbunden.
Ihr hb

Seibert antwortete umgehend und riet mir, mich an das Auswärtige Amt zu wenden. Ich fragte bei Steinmeiers Pressesprecher, Martin Schäfer, nach, ob die Bundesregierung, speziell der Außenminister, daran denkt, Raif Badawi Asyl in der Bundesrepublik anzuanbieten. Daraus enstand der folgende mail-Wechsel mit der stellvertrenden Sprecherin des Auswärtigen Amtes:

Lieber Herr Broder, 
Herr Schäfer hat mir Ihre Anfrage zu Badawi weitergeleitet. Die Frage des Asyls stellt sich gegenwärtig nicht. Er ist in Jeddah in Haft, die Anwendung der Strafe wurde suspendiert, das Urteil steht. Wir nutzen alle Möglichkeiten - und das übrigens auch lange bevor der Fall von den Medien in Deutschland aufgegriffen wurde -, um gegenüber Saudi Arabien den Fall Raif Badawi zu thematisieren und uns für eine Lösung einzusetzen.
Bester Gruß 
Sawsan Chebli 

Liebe Frau Chebli,
vielen Dank für Ihre Mail.
Verzeihen Sie bitte, wenn ich nachfrage, ich habe etwas nicht verstanden.Badawi sitzt im Gefängnis. Das bedeutet doch, die Strafe wurde NICHT suspendiert. Es wurde allenfalls der weitere Vollzug der Prügelstrafe ausgesetzt, er kann aber jederzeit wieder aufgenommen werden. Da sich das AA mit diesem Fall offenbar länger befasst, als uns allen bekannt ist: gibt es irgendwelche Zusagen der Regierung von SA über die Nicht-Fortsetzung der Prügelstrafe? Und für welche LÖSUNG des Falles setzt sich das AA ein, wenn sich die frage des Asyls nicht stellt? Soll Badawi in den offenen Vollzug überstellt werden? Ich wäre ihnen dankbar, wenn sie meine Anfrage ernst nehmen würden.
Viele Grüße, auch an Herrn schäfer
Ihr hb

Lieber Herr Broder,
die Prügelstrafe wurde suspendiert, nicht aber die Haftstrafe. Wir haben keine Hinweise darauf, dass die Prügelstrafe wieder aufgenommen werden soll. Wir setzen uns weiterhin mit allem Nachdruck gegenüber den saudischen Stellen für Raif Badawi ein. Unser Botschafter steht auch in ständigem Kontakt mit Angehörigen von Raif Badawi. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir im Sinne der Betroffenen über die Details dieser Gespräche keine Auskunft geben.
Bester Gruß
Sawsan Chebli

Vielen Dank, liebe Frau Chebli
wenn ich ihre letzte mail kurz zusammenfassen darf: Sie tun nichts, hüllen aber alles in ein geheimnisvolles Schweigen.
weiterhin gutes Gelingen
Ihr hb

 

 

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Leserpost

netiquette:

Test 45: 40191

Bertram Scharpf / 03.03.2016

Sie hüllen es nicht nur in ein geheimnisvolles Schweigen, sie besitzen auch noch die Frechheit, dies mit Rücksichtnahme auf die Betroffenen zu begründen.

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