Die Fotos der Kriegsberichterstatterin Lee Miller

In der Kunsthalle Erfurt ist noch bis zum 18. Oktober eine Fotoausstellung zu besichtigen, die jeder Thüringer, aber auch jeder Besucher Erfurts gesehen haben sollte. Es lohnt sich, wegen dieser Ausstellung in die schönste deutsche Landeshauptstadt zu fahren.

Gezeigt werden 100 Fotografien von Lee Miller (1907–1977), die im Zweiten Weltkrieg von der Vogue als Kriegsberichterstatterin an die Front geschickt wurde und die amerikanische Armee von der Bretagne bis nach Deutschland begleitet hat. Miller manipulierte nichts. Sie hielt ihre Kamera drauf und drückte ab, Heraus kamen Bilder, denen man sich schwer entziehen kann und die den ganzen Wahnsinn des Krieges dokumentieren, gleichzeitig aber von einer faszinierenden Ästhetik sind. 

Faszinierend ist auch Lee Millers Lebenslauf. Sie lief als 19-Jährige in New York dem Verleger der Vogue in die Arme und avancierte auf der Stelle zum Model und zur Muse berühmter Männer. Das größte Bild zeigt sie als atemberaubende Schönheit auf einer Modefotografie von 1930. Miller genügte es aber nicht, vor der Linse zu posieren, sie griff selbst zur Kamera und lichtete die künstlerische Haute voile von Paris ab, in der sie sich in den Dreißiger Jahren bewegte. Picasso, Jean Cocteau, Man Ray, um nur die wichtigsten zu nennen. Sie hatte so viel Erfolg, dass sie ein eigenes Fotostudio eröffnete.

Eine bescheuerte Idee

Von der Society-Dame zur Kriegsberichterstatterin war es ein Quantensprung. Miller zeigt die von den Kämpfen verwüstete Bretagne, die verwundeten und sterbenden Soldaten, die übermüdeten Krankenschwestern, die unter unvorstellbar primitiven Bedingungen in Zelten hausten. Interessant sind die Soldatinnen, die sie festhält. Es gab auch Pilotinnen, von denen nie die Rede ist.

In Deutschland dokumentierte sie die ruinierten Städte. In der Ausstellung werden Aufnahmen vom zerstörten Jena und Weimar gezeigt, die noch nie zu sehen waren. 

Die Spitze des Grauens sind die Fotos aus dem befreiten Lager Buchenwald. Bei Miller bekommt die Masse der Häftlinge ein Gesicht. Manche Überlebenden zeigt sie neben den Leichen- und Knochenbergen, die von den Amerikanern vorgefunden wurden. Miller soll, so steht es im Flyer, unter den Toten nach ihren Pariser Freunden gesucht haben, deren Abtransport sie miterlebt hat. Sie hält aber auch die zerschlagenen Gesichter der SS-Wachen fest. Diese Männer sehen erschreckend normal aus. 

Nach Thüringen geht sie mit der Truppe nach Bayern. In München entsteht das merkwürdigste Foto der Ausstellung. Sie sitzt in der Privatwohnung Hitlers in dessen Badewanne, an dem Tag, als der Diktator in Berlin Selbstmord verübte. Das Foto entstand in dem Augenblick, da ihr klar geworden zu sein scheint, dass es eine bescheuerte Idee war. Sie wirkt erschreckt, ja entsetzt.

Tausende Fotos und Negative auf dem Dachboden

Miller hat, was sie gesehen und fotografiert hat, nicht verkraftet. Sie litt in der zweiten Hälfte ihres Lebens an posttraumatischen Belastungsstörungen, wie wir es heute nennen. Sie gab die Fotografie ganz auf, zog sich aufs Land zurück und erfand sich neu als Gourmet-Köchin. Tausende Fotos und Negative lagerte sie auf dem Dachboden, wo sie nach ihrem Tod von ihrem Sohn gefunden wurden. Es ist Antony Penrose zu verdanken, dass dieser Schatz gehoben und der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht wurde.

Millers Fotografien zeigen Dinge, die zu akzeptieren sich der menschliche Verstand weigert. Dabei muss man davon ausgehen, dass sie die Schlimmsten nicht dokumentiert hat. „Believe it!“, war ihr lakonischer Kommentar, als sie ihre Fotos an die Vogue geschickt hat. 

Foto: Lee Miller Archives, England 2020

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Wolfgang Richter / 09.09.2020

@ Harald Unger - ” Wir Westeuropäer haben eine der längsten Friedensphasen der Geschichte erlebt, die uns im Endeffekt zu infantilisierten, unmündigen und knochenlosen Plüschtierchen degenerieren ließ.””  Und daraus folgend mag sich jeder Gedanken dazu machen, was diese Gesellschaft im sog. Integrationsprozeß den aus Afrabien Einreisenden bzw. ins Land gerufenen Gästen (derzeit als Hilfsangebot für die ihr Camp in Moria / Lesbos Abfackelnden) noch entgegen zu setzen hat. Da winkt dem “besten Deutschland”        IM Erikas eine eher ungemütliche Zukunft. Wer sich die Zukunft schon mal jetzt ansehen will, kann ja Bilder von Portland / Oregon, zeitsweise “befreiten” Stadtteilen von Seattle oder Keshoga, alt. Chicago googeln.

Karla Kuhn / 09.09.2020

“Millers Fotografien zeigen Dinge, die zu akzeptieren sich der menschliche Verstand weigert. Dabei muss man davon ausgehen, dass sie die Schlimmsten nicht dokumentiert hat.” Die Bilder von Hiroshima und Nagasaki, dem brennenden Dresden, wo Zeitzeugen (meine Familie hat es selber erleben müssen) zu PUPPEN geschmolzene Menschen gesehen haben, die Afghanistan Soldaten, die Tiefflieger erleben mußten, die auf Hochzeitsgesellschaften oder andere Zivilisten geschossen haben. Die Mörderbanden in Syrien, im JEMEN, von dem KAUM NOTIZ genommen wird, von dem sonst so “rührigen” MAAS und STEINMEIER !! Im Jemen verhungern massenweise die Menschen, WO BLEIBEN DA MERKELS (Steuerzahler ) MILLIONEN ?? Von den KZ Insassen, die derartige Unmenschlichkeiten erfahren mußten. ALLE Menschen, die so etwas erleben mußten, bei den hat sich wahrscheinlich ebenfalls der menschliche Verstand geweigert das zu akzeptieren. Genau wie bei ELTERN/MÜTTERN/VÄTERN, deren Kinder durch Vergewaltigungen, durch ZUG STOß MÖRDER oder andere Kriminelle zu Tode gekommen sind,  überhaupt alle Angehörigen von Verbrechen. MEIN menschlicher Verstand weigert sich bis heute zu verstehen, WIE es kommen konnte, daß eine ehemalige Person aus dem Unrechtsstaat DDR,  eine LINIENTREUE FDJ SEKRETÄRIN, AGIT PROPSE ,(STASI Begünstigte ??) auf den Kanzlerstuhl gehievt werden konnte. Daß sie überhaupt zur Wahl zugelassen wurde !  Mein gesunder Menschenverstand will das einfach nicht begreifen und daß diese Person seit 15 Jahren an diesem Stuhl haftet wie angeleimt und jetzt wahrscheinlich auch noch unser schönes Deutschland, bzw. Wirtschaft, Bildung, Menschlichkeit, sozialer Zusammenhalt,  etc.  ungestraft an die Wand fahren kann !! Wenigstens werden es immer mehr Menschen, aller Bildungsschichten, die ENDLICH auf die Straße gehen !  ENDLICH !

Gereon Stupp / 09.09.2020

@Karl Eduard 1. Wenn ich jemanden einsperre, den ich nicht töten will, bin ich verpflichtet ihn so zu versoren, damit das nicht eintritt. Die Menschen in den Lagern verrecken zu lassen, lag in der Verantwortung der SS und niemandes sonst. 2. Der Sezessionskrieg fand statt vor der Haager Landkriegsordnung (von 1907). Er wurde also geführt nach den „Regeln“, die auch schon für Varus und Arminius galten, nämlich keinen. Rechtliche oder moralische Normen rückwirkend anzuwenden ist sowohl ungerecht, als auch dumm. Und ja, das Problem stellte sich in einigen Fällen auch beim Nürnberger Tribunal. 3. Verantwortlich dafür, daß alliierte Bomber in den deutschen Luftraum einfliegen konnten, war a) die Luftwaffe(nführung), b) das OKW und c) die politische Führung des Reiches, die den Schutz ihres Volkes dem eigenen Machterhalt scham- und gewissenlos opferte. AH hätte sich genausogut auch am 04.09.1939 eine Kugel ins Hirn schießen können, da sein Bluff nun ‘mal gescheitert war. Er aber zog es vor, seiner Existenz noch ein paar Jahre und den Menschen noch ein paar zig-Millionen Tode aufzubürden. Wozu? Um am Ende genauso mit leeren Händen und runtergelassenen Hosen dazustehen. Ich bin diese ewigen Aufrechnereien so ‘was von leid, „ ...der hat mein Förmchen geklaut, und der hat aber angefangen und mich mit der Schaufel auf’n Kopf gehauen“. Das ist Sandkasten-Niveau. Und nein, dieser Vorwurf trifft Sie nur zu einem winzigen Bruchteil, denn für die anderen Aufrechner können Sie ja nichts.

Dr. med. Jesko Matthes / 09.09.2020

@Karl Eduard: Und was sagen wir dann zu dem ungehört verhallten Wunsch nach Bombardierung der Konzentrationslager zu einem weit früheren Zeitpunkt? - Die Angloamerikaner sind daran Schuld, dass die Deutschen immer die Front und die Heimatfront zuerst versorgen mussten? Mein englischer Austauschvater George half, Bergen-Belsen zu befreien und hat dort wohl auch nur gesehen, welches Elend die Angloamerikaner den dortigen Häftlingen zugefügt haben, indem sie die deutsche Infrastruktur zu deren Versorgung kaputt gebombt haben? Und zarte deutsche Unschuld ist dann die Konsequenz dessen, was Lee Miller sah?

Dr. med. Jesko Matthes / 09.09.2020

Danke, liebe Vera Lengsfeld, für diese Würdigung! Schon die Lee-Miller-Ausstellung in der Albertina 2015 war ein Augenschmaus und Anregung zu weiterer Lektüre. Der Katalog steht also neben Tony Vaccaros “Entering Germany”, Fotos zuerst aus der Schlacht im Hürtgenwald, die er als G.I. mit seiner Argus schoss. Gut, dass Sie uns an diese Zeiten erinnern. Ihr M.

Thomas Taterka / 09.09.2020

Sie soll über sich selbst gesagt haben : ” Aus irgendeinem Grund möchte ich immer lieber woanders hin. ” - Versteh’ ich sofort. Im nächsten Leben leb ’ ich aus dem Koffer.

Karl Eduard / 09.09.2020

“Die Spitze des Grauens sind die Fotos aus dem befreiten Lager Buchenwald.” Da hat die gute Frau die Folgen des alliierten Luftkrieges zu sehen bekommen, durch den weder eine geregelte Versorgung der Front, noch der Bevölkerung oder gar der Lager mehr möglich war. Und natürlich wurde zuerst die Front versorgt. Es war kein Eisenbahnverkehr mehr möglich, auf LKW und PKW wurde mittels Tieffliegern Jagd gemacht. Durch Mangelernährung brachen Krankheiten unter den Häftlingen aus. Es gab auch keine Versorgung mit Medikamenten mehr. Logisch, daß die Leute wie die Fliegen starben. Vielleicht sagt Ihnen Andersonville etwas? Welt: “Von den rund 43.000 Nordstaatlern, die nach Andersonville kamen, starben mehr als 13.000. Ein solches Verhältnis wurde drei Generationen später für die Konzentrationslager der Nazis üblich, die nicht in erster Linie dem Völkermord dienten.” Vor allem starben die Gefangenen an Mangelernährung. Auch eine Folge des Krieges der Nordstaaten gegen den Süden. Bloß kam hier noch Inkompetenz und Sadismus hinzu. Ähnliches trug sich zu, als die Briten die Buren “konzentrierten”, vorwiegend Frauen und Kinder. Nur war deren Mangelversorgung und nachfolgender Tod der völligen Gleichgültigkeit der Engländer geschuldet.

Harald Unger / 09.09.2020

Lee Miller hat den Normalfall des menschlichen Seins dokumentiert und “was sie gesehen und fotografiert hat, nicht verkraftet”. - - - Wir Westeuropäer haben eine der längsten Friedensphasen der Geschichte erlebt, die uns im Endeffekt zu infantilisierten, unmündigen und knochenlosen Plüschtierchen degenerieren ließ. Diese Ausstellung ist das Menetekel, der uns bereits immer dräuender und blutiger präsentierten Rechnung für unsere selbstverschuldete Unmündigkeit. - - - Was sich im Westen Europas in dieser Gegenwart entfaltet, ist jedoch nicht der Normalfall. Sondern hat, in seiner unfassbaren Monstrosität, kein Beispiel in der Geschichte. Weshalb wir außerstande sind, es zu begreifen und seine ursächliche Mechanik zu benennen. Was daraus folgt, ist das bereits überall angebrochene Remake des Dreißigjährigen Kriegs auf Steroiden. Geführt gegen “nach Koseworten und Leckereien japsende Pudel.” (Kathrin Röggla). Von denen die Elementarste aller Grundregeln vergessen wurde: Si vis pacem, para bellum.

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