Steffen Meltzer, Gastautor / 24.11.2021 / 11:00 / Foto: Achgut.com / 85 / Seite ausdrucken

Die Flucht der Polizistinnen – das Urteil

Im Fall der beiden Polizeibeamtinnen, die im Mai 2020 bei einem Schusswechsel mit einem Drogendealer einen Kollegen im Stich ließen, ist nun das Urteil gefällt worden.

Zwei Polizeibeamtinnen sind vom Amtsgericht Schwelm bei Hagen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung im Amt durch Unterlassen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden. Sollte das Urteil Rechtskraft erlangen, würden die beiden Staatsdienerinnen ihren Beamtenstatus verlieren.

Ich hatte auf Achgut.com in einer Serie von vier Artikeln (hier, hier, hier und hier) über den vorangegangenen Gerichtsprozess gegen den angeklagten Vitalij K. (37) berichtet. Im Folgenden eine Zusammenfassung der Vorgeschichte, die sich aus dem ersten Gerichtsverfahren zusammensetzen lässt:

Der inzwischen verurteilte Drogendealer hatte am 6. Mai 2020 bei einer Fahrzeugkontrolle mehrfach auf zwei Polizeibeamte geschossen, nachdem diese einen Haftbefehl vollstrecken wollten. Die zwei hinzukommenden Polizeibeamtinnen hielten auf das Zeichen eines der kontrollierenden Beamten mit ihrem Polizeifahrzeug am Tatort an und stiegen aus. Nachdem die ersten Schüsse fielen, machten sie sich jedoch feige aus dem Staub, anstatt ihren Kollegen bei dem Schusswechsel (insgesamt 21 Schüsse) zu unterstützen. „Meine Kollegin schrie nur noch: Nix wie weg hier! Renn! Renn!“ Die beiden bewaffneten Frauen eilten vom Tatort davon, ohne sich um ihren verletzten und auf der Straße liegenden Kameraden zu kümmern.

Nach ihrer Flucht stoppten sie nach zirka 50 Metern ein zufällig vorbeifahrendes Auto, in dem eine 25-jährige Altenpflegerin saß. Die Zeugin berichtet: „Die sind so wirr gelaufen, ich dachte erst, sie seien betrunken“. Im Fahrzeug gab die 37-jährige Beamtin auf dem Beifahrersitz Anweisung, sofort zu wenden. Die 32-Jährige verlangte außerdem von der Fahrerin deren Handy und rief damit die Kreisleitstelle an, „obwohl sie selbst eins dabei hatte“. Zur gleichen Zeit befahl die Ältere der beiden, wohin die Fahrt gehen sollte. Nachdem sie auf Anweisung eine rote Ampel überfahren hatte, endete die vorläufige Flucht im Wendehammer einer Sackgasse. Hier sollte die Zeugin ihr Fahrzeug anhalten und den Motor abstellen.

Nach dem Telefonat forderten sie die junge Frau hinter dem Steuer auf, zum Tatort zurückzukehren. Dort stand noch immer ihr unverschlossenes Polizeifahrzeug. Unbeaufsichtigt im Mercedes-Vito befanden sich Maschinenpistolen und Munition (ich nehme an, Heckler & Koch, MP5, evtl. die neuere MP7), Funkgeräte sowie weitere polizeiliche Unterlagen und Ausrüstungsgegenstände. Ein 60-jähriger Polizeidirektor berichtet im Zeugenstand: „Sie sind erst auf Anweisung der Leitstelle zurückgekehrt“, nachdem diese etwa 1,6 Kilometer im Auto der Frau zurückgelegt hatten.

Geständnis des Täters

Der ebenfalls geflohene Kasache wurde Stunden später durch einen SEK-Trupp in einem Hinterhof festgenommen. Er sei seit 20 Jahren heroinabhängig. Die Waffe will er sich nur zu seinem Schutz organisiert haben. Bei dem Einsatz habe er sich sehr erschrocken und vor lauter Blaulicht die Orientierung verloren. Nachdem er einem Polizisten einen gefüllten Urinbecher übergeschüttet hatte, wollte er die Gelegenheit zur Flucht nutzen. Daraufhin habe er Reizgas abbekommen, unter den Fahrersitz gegriffen, um mit der dort versteckten Pistole auf die Beamten zu schießen.

Ein gerichtlich bestellter Gutachter attestierte außerdem, dass bei dem Pistolenschützen zur Tatzeit eine „verminderte Schuldfähigkeit“ vorgelegen habe.

Ungereimtheiten schon im ersten Prozess

Der Leiter der Mordkommission offenbart erstaunliche Erinnerungslücken, Beweismaterial will er auch nicht vollständig gesichtet haben. Die Westfalenpost berichtete, dass die Verantwortlichen der Polizei über die Flucht der beiden Polizistinnen in den Ermittlungsakten nichts erfasst hatten. Nach Staatsanwalt Nils Warmbold soll „nichts, aber auch wirklich gar nichts von alledem in den Akten“ gestanden haben. 

Der Täter bekam lediglich sieben Jahre und sechs Monate Freiheitsentzug. Im Urteil gegen den Drogenabhängigen beanstandet die Vorsitzende Richterin Heike Hartmann-Garschagen erwartungsgemäß die unsaubere Arbeit der Polizei, die nun gezwungenermaßen strafmildernd zugunsten des Angeklagten gewertet werden muss. Weiterhin urteilt sie: „Wir haben eine Akte, die bestimmte Dinge stärker heraushebt als andere. Das mag Zufall sein, aber man muss sagen, dass durch eine solche Aktenführung die Verteidigungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt sind. Der Verteidiger hat seine Vorwürfe zu recht erhoben.“ Gleichzeitig räumte die Richterin ein: „Wir können am Ende von Glück reden, dass der Angeklagte in die schusssichere Weste getroffen hat und der Polizeibeamte nicht verstorben ist“.

Das aktuelle Verfahren gegen die Polizeibeamtinnen

Die sichtlich angeschlagenen Polizistinnen baten vor Gericht um Empathie für ihre damalige Einsatzlage. Patricia B. (37) fleht: „Ich bitte um Einfühlungsvermögen, auch wenn es nicht möglich ist, unsere Todesangst nachzuvollziehen. (…) Ich habe mich auch in gefährlichen Einsätzen nie versteckt." Sie führt in ihrer weiteren Aussage die schlechte Sicht in der Dunkelheit an, die hohe Schussfrequenz und ihr vielfaches Echo: „Ich wusste nicht, wer, warum und wie viele. In mir schaltete alles auf Überleben. (…) Man übt nicht, aus dem Streifenwagen auszusteigen und direkt in einen Kugelhagel zu geraten." Nadine A. (32) sagt aus: „Ich habe jeden Moment damit gerechnet, selbst getroffen zu werden. Ich dachte nur ,Bitte nicht in den Hinterkopf'." In ihrer Ausbildung wären sie auf solche Situationen niemals vorbereitet worden. „Ja, wir haben verschiedene Trainings bei der Polizei. Aber niemals welche, bei denen wir wissen, du wirst gleich sterben."

Der angeschossene Polizeibeamte verteidigt die Angeklagten im Zeugenstand: „Ich mache beiden keinen Vorwurf, es hätte sich nichts geändert, ob sie da gewesen wären oder nicht. Im Gegenteil, es tut mir sehr leid, dass wir jetzt hier sitzen.“ Der Staatsanwalt kann sich dem überbordenden Verständnis des Polizeibeamten nicht anschließen:

„Sie haben sich freiwillig und bewusst für den Beruf der Polizistin entschieden, (…) Sie sind verpflichtet, das Leib und Leben anderer zu schützen. Es wäre zumutbar gewesen, ihren Kollegen zu helfen. Sie hätten beispielsweise Warnschüsse aus der Deckung abgeben und eventuell hätten sie K. an der Flucht hindern können.“

Die Berliner Morgenpost zitiert den Chefankläger: „Mit ihrer Flucht hätten sie ihre Kollegen in einer lebensbedrohlichen Situation ihrem Schicksal überlassen, ‚frei nach dem Motto: Besser die als ich‘." Die Rechtsanwälte können keine Schuld bei den Frauen erkennen und beantragen Freispruch, das Eingreifen ihrer Mandantinnen hätte ohnehin keinen Erfolg gebracht.

Das Schöffengericht folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Richterin Anna Walther: „Ich kann Ihre Todesangst nicht nachempfinden, aber verstehen. Dennoch ist es so, dass man als Polizeibeamter rein rechtlich anders reagieren muss.“ Die Verteidiger kündigten umgehend eine Berufung gegen das Urteil an.

Jede Menge offene Fragen

Die Medien hatten bereits im ersten Prozess über beanstandete Mängel und Wunderlichkeiten im Prozess gegen den kasachischen Drogendealer berichtet. Das betraf u.a. auch den zuständigen Landrat Olaf Schade, Chef der Kreispolizeibehörde. Der hatte „vergessen“, das außerordentliche Vorkommnis vor der Kommunalwahl transparent zu machen. Die CDU-Fraktion im Ennepe-Ruhr-Kreis erfuhr davon aus der Presse.

Die Westfalenpost berichtete am 16.11.2021 darüber, dass das Zurückhalten von Informationen dem Landrat „als Chef der Kreispolizeibehörde sowie der Polizeispitze einen Termin im NRW-Innenministerium eingebracht“ habe. Das Ministerium soll über die Flucht der beiden Polizistinnen nur über einen anonymen Brief Kenntnis erhalten haben, der am 29.05.2021 eingegangen sei. Daraufhin durften neben Schade der Abteilungsleiter Polizei, der Direktionsleiter Gefahrenabwehr/Einsatz sowie der zuständige Wachleiter zum Erörterungsgespräch im Innenministerium antreten. „Das Gespräch diente zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Frage der Wahrnehmung verantwortungsvoller Führung“, so eine Pressesprecherin des Ministeriums.

Dienstrechtlich zu bewerten wäre neben der individuellen Schuldfrage der Beamtinnen auch das Qualitätsmanagement der Polizeiführung in der Kreispolizeibehörde. Es steht für mich außer Frage: Wer so ungesteuert und panikartig an einem Tatort reagiert, kann für diesen Beruf nicht vollumfänglich geeignet sein. Da sind wir schnell bei der ungeschönten Berufsrealität angelangt und weg von all diesen Hochglanzprospekten mit den dazu ausgesuchten Polizistinnen oder den trivialen Polizeiserien im TV, die mit der Praxis wenig bis nichts zu tun haben.

Mangelnde Aus- und Fortbildung?

Die fachlichen und persönlichen Kompetenzen von Polizeibeamten können eine sehr große Spannbreite aufweisen. Diese hängen u.a. auch vom persönlichen Interesse an dem Erhalt eigener Fähigkeiten und zusätzlichen Qualifikationen ab, vom Fortbildungsangebot des Arbeitgebers, von der Personalstärke der Dienststelle, vom Fitnesszustand, der Stressstabilität, dem Dauerdruck und dem immer stärker werdenden Generalverdacht durch Medien, Organisationen und der Politik, dem Vorgesetzten-Umgang mit dem Beamten (z.B. sind gemobbte Polizisten mit der Zeit immer weniger belastbar), dem Gesundheitszustand, der Berufserfahrung, dem Lebensalter, dem Geschlecht, persönlichen Lebensumständen u.v.m. Es ist eine Mischung aus inneren und äußeren Gegebenheiten mit dem Primat der individuellen Verantwortlichkeit. Das betrifft auch die Handhabung der Schusswaffe, die für manche Zeit ihres Berufslebens ein Fremdkörper bleibt, für andere Beamte ist sie dagegen ein ganz normales Einsatzmittel. Beamte mit dem Fremdkörpergefühl zum kalten Eisen sind gar nicht so selten beim Einsatztraining „gern etwas weniger“ präsent.

Was kann dazu führen, dass erlernte Prozesse und der freie Wille durch prähistorische primitive Urinstinkte – Erstarren, Angriff und/oder Flucht – überschrieben werden? Dysfunktionaler Stress frisst Intelligenz durch eine beträchtliche Diskrepanz zwischen objektiven Anforderungen und subjektiven Voraussetzungen, die sich in der lagebedingten Hilflosigkeit sichtbar manifestiert. Angst blockiert professionelles Handeln. Wer sich als Ausrede darauf beruft, hat die Berufung verfehlt. Halbfertigkeiten sind Unfertigkeiten, eine Gefahr für sich selbst, das Team und die Bevölkerung. So viel Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit muss gegenüber dem steuerzahlenden Bürger sein.

Eine weitere Frage ergibt sich für mich darin, weshalb die Vorgesetzten von den mutmaßlichen Defiziten der beiden Beamtinnen bisher nichts bemerkt haben. Verkehrskontrollen (und Verfolgungsfahrten) gehören mit zu den gefährlichsten Einsätzen und werden (normalerweise) in den Weiterbildungszentren trainiert, u.a. seit vielen Jahren auch mit einem Beschuss durch FX-Munition). Ob oft genug, steht auf einem ganz anderen Blatt. Hier sind auch die Dienststellen- und Behördenleiter in der Verantwortung, die die Teilnahme an den Fortbildungsmaßnahmen kontrollieren und gewährleisten müssen. In Zeiten zunehmender Aufgaben und dem jahrelang abgebauten Personal fällt das vielen Einheiten immer schwerer.

Die Westfalenpost berichtet über viele offene Fragen der Polizeiarbeit vor Ort. Auch darüber, warum der Vorgesetzte vor einem Jahr angegeben habe, „Kollegen hätten ihm mehrfach mitgeteilt, die Frauen wären im Einsatz nicht zu hundert Prozent einsatzbereit“. Warum bestreitet er dies jetzt? Sollte das den Tatsachen entsprechen, wäre er verpflichtet gewesen, Maßnahmen zu ergreifen.

Das einmalige (?) Versagen der Polizistinnen müsste nach der Höhe des Urteils und einer erlangten Rechtskraft mit einer unehrenhaften Entlassung aus dem Beamtenverhältnis verbunden sein. Der Arbeitgeber hätte hierbei keinen Ermessensspielraum. Eine Berufung könnte sich hierbei zugunsten der Frauen auswirken. Allerdings sollten sie in diesem Fall freiwillig überlegen, ob es im eigenen Interesse nicht besser wäre, die Beamtenlaufbahn zu wechseln. Eine weitere Verhandlung könnte in mehrfacher Hinsicht zur weiteren Aufhellung beitragen.

Steffen Meltzer ist Sachbuchautor von Ratgeber Gefahrenabwehr: So schützen Sie sich vor Kriminalität – Ein Polizeitrainer klärt auf

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Rainer Wolff / 24.11.2021

7 Jahre für dem Dealer, der (fast) einen Polizisten erschossen hat? Hm, hatte er überhaupt einen Waffenschein oder eine WBK ? Schätze mal, ein Biodeutscher kommt nur für den illegalen Besitz für 10 Jahre in den Knast - ach ja, habe in unserer Tageszeitung gelesen, dass ein Mann der eine Ratte lebendig gebraten hat, zu 6 Jahren Haft verurteilt wurde. Hat das wohl schon öfter gemacht - welches Urteil ist jetzt zu milde ?

N.Lehmann / 24.11.2021

Im Merkelstaat werden linientreue Versager gefördert, daher nach der Revision Freispruch, Beförderung zu Diensstellenleiter#n mit höchster Auszeichnung. Die Vopo drangsaliert, verprügelt steuerzahlende Bürger und holt Kinder vom Schlitten?! Vergessen Sie diese “Policeacademy 0815”, nur zum K…....!

M. Corvinius / 24.11.2021

Wie gendert man Hasenfuß eigentlich? Häsinnenfuß? Hasenfußinnen? Häsinnenfußinnen?

Markus Mertens / 24.11.2021

Ein Schlüssel zur Situation ist sicherlich, die eigene Waffe nicht als Gefahr, sondern als Schutz wahrzunehmen. Die Kolleginnen hätten also ihre Waffen ziehen müssen. Daraus ergibt sich nicht sofort ein Schuss, aber zumindest ein Anruf an den Täter wäre möglich geworden , “Waffe weg” etc. Hätte der dann seine Waffen auf die Frauen gerichtet, wäre das die Situation, aus der sofort ein Schuss folgen muss. Es gibt dann kein Abwarten mehr, es wäre zu spät. Ob Frauen ungeeignet sind: Es gab einen Bericht über Frauen in der kurdischen Partisanenarmee beim Kampf gegen den IS: Da konnte man den Eindruck gewinnen: die kämpfen nicht nur als Soldaten, sondern auch für sich selbst. Die waren sicherlich sehr einsatzbereit.

Rafael Rasenberger / 24.11.2021

Sicher gibt es auch Frauen bei der Polizei, die sich in einem Fall wie diesem nicht so verachtenswert verhalten würden, aber wir leben nunmal nicht im luftleeren Raum, sondern in einer Gesellschaft, die jeden von uns in einer bestimmten Weise sozialisiert hat. Zur Erklärung ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie wären in einer lebensbedrohlichen Situation und rufen die Polizei zu Hilfe. Im Fall A steigen zwei Polizisten aus dem Streifenwagen, im Fall B zwei Polizistinnen. Antworten Sie ganz intuitiv, bei welchem Fall Sie sich wohler fühlen würden.

Andreas Mertens / 24.11.2021

Bruder eines guten Freundes (ehemals Streifenpolizist, jetzt Kripo) sagte mir schon vor Jahren, das man in Neuss aus genau diesem Grund niemals 2 Frauen alleine auf Streife schickt(e). Und die Männer die mit Frauen auf Streife gehen (müssen) dies nur widerwillig tun. (Den allermeisten) Frauen fehlt der Killerinstinkt. Zum Glück, denn nicht umsonst sind 90% aller Gefängnisinsassen (weltweit) männlich. Aber das betrifft eben auch Polizisten. Wenn es hart auf hart kommt, sind eben nur Männer “dumm” genug ihr Leben für ihre Mitmenschen oder ein Ideal zu opfern. Gleiches kann man übrigens auch für das Militär, Feuerwehr und Katastrophenschutz sagen. Ein Blick auf die fast sinnfreie Flimmerbörse namens YouTube reicht aus. In 99% aller Videos wo Menschen freiwillig sinnlos höchste Risiken eingehen (z. Bsp. mit dem Schlitten von Dach in den Pool, mit dem Skateboard mit 120km/h eine Bergstraße hinab, mit dem Wingsuit an der tödlichen Felswand vorbei) sind Männer die “Protagonisten”. Frauen reden gerne von Gleichberechtigung, aber wenn es dann ans vorzeitige Verrecken geht, endet das Gerede plötzlich. Das ist einerseits durchaus schlau / arterhaltend, andererseits für den Beruf des Polizisten untragbar.

Thomas Brüggen / 24.11.2021

Ich biete mal eine andere Perspektive an. Der Staatsanwalt im Falle des Drogendealers geht mit einem scheinbar runden Fall in die Hauptverhandlung vor dem Landgericht. Schuss auf den Streifenbeamten und seinen Kollegen, danach noch Schuß auf einen SEK Beamten. 3 facher Mordversuch, 15 Jahre Haft. Bei der mündlichen Verhandlung kippt dieser klare Fall. Eine Altenpflegerin erzählt von zwei Polizistinnen, die sie ganz aufgeregt angehalten, ihr Fahrzeug und ihr Handy “beschlagnahmt”  und sich vom Tatort entfernt haben. Der Leiter der Mordkommission lässt sich dahingehend ein, er habe den Film der Dashcam, die das Ganze festgehalten hat, nicht zu Ende gesehen. Eine seiner Mitarbeiterinnen sagt aus, besagter Leiter hätte aber die beiden Dienstwaffen noch in derselben Nacht beschlagnahmen lassen. Nichts davon findet sich in den Akten. Die Vorsitzende Richterin runzelt die Stirn. Der Staatsanwalt steht mit heruntergelassenen Hosen da. Die Sachverhaltsdarstellung, bei der sich der Staatsanwalt auf die Polizei verlassen hat war, sagen wir “unvollständig”. Ergebnis für den Dealer: Statt 15 Jahren, 7 Jahre 6 Monate. Das lässt die Staatsanwaltschaft der Polizei nicht durchgehen. Auch wenn es für die Polizei peinlich ist. Die historischen Handlungsabläufe in der Nacht gehören auf den Tisch. Die Polizei darf nicht entscheiden, was entscheidungserheblich ist und was nicht. Daher die Anklage gegen die beiden Polizistinnen mit einem dogmatisch möglichen aber gewagten Strafausspruch (versuchte gefährliche Körperverletzung im Amt durch Unterlassen ) Mir erscheint dies eher ein Warnschuss der Justiz vor den Bug der Polizei zu sein. In Zukunft Ermittlungsergebnisse komplett-auch wenn es weh tut- an die Staatsanwaltschaft zu übermitteln.  

K.-D. Grün / 24.11.2021

Es mag ja sein, dass das Verhalten der Polizistinnen nicht ihrer Verantwortung und Tätigkeit gemäß gewesen ist, es allerdings als “feige” einzustufen, halte ich für unangebracht. Wenn in den Köpfen (genauer sogar im Gehirn) eine Paniksituation , verbunden mit Todesangst entsteht - wie es wohl hier vorgelegen hat, siehe Aussage der angehaltenen Autofahrerin-, dann liegt deswegen ganz klar eine Schuldunfähigkeit vor, denn gegen eine vom Gehirn gesteuerte Todesangst hilft auch der beste Paragraph nicht mehr. Umgekehrt: Wären die beiden am Tatort geblieben und hätten in Panik in den Polizeiwagen geschossen und dort die Polizisten sowie den Täter durch ungezielte Schüsse verletzt oder gar getötet,  dann wäre dies nicht als Kennzeichen ihrer “Unfähigkeit” mit Stresssituationen fertig zu werden gewertet worden, sondern als zwar bedauerlicher, aber letztlich kaum zu vermeidender “Unfall”.

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