Jesko Matthes / 18.08.2018 / 11:00 / 36 / Seite ausdrucken

Die falsche Staatsgewalt auf der Anklagebank

Es ist richtig, dass Gerichte im Sinne der Rechtsstaatlichkeit ihre Unabhängigkeit wahren; das müssen sie tun, schon im Sinne und in der Verteidigung der Gewaltenteilung. Ein Rechtsstaat kann und darf nicht dulden, dass eine seiner Gewalten sich verbiegen oder übergehen lässt. Richterschelte ist daher im Fall Sami A. zwar erlaubt und wahrscheinlich sogar zutreffend, aber den Verhältnissen nicht völlig angemessen. Sie trifft zuerst die Falschen, die falsche staatliche Gewalt.

Die Richter, die ihre Unabhängigkeit wahren und möglicherweise unbequeme Urteile fällen, tun dies auf der Grundlage geltenden Rechts und politisch geschaffener Tatsachen. Wer hier ist, genießt rechtsstaatliche Behandlung. Das ist vollkommen richtig und schutzwürdig.

Deshalb ist die eigentliche Frage, wer hier sein und wer hier willkommen sein und bleiben sollte, und wen man nicht besser bereits beim Versuch der Einreise an genau dieser hindern sollte. Das ist keine Frage an Richter, es ist eine Frage an Politiker. Dieser politischen Frage mit Hochwertworten über Ausnahmesituationen, Willkommenskultur, Multikulturalismus, den Zusammenhalt Europas oder sogar den Rechtsstaat selbst ausweichen zu wollen, ist blanke Tatsachenverweigerung und Augenwischerei. Der Kanzler bzw. die Kanzlerin bestimmt die Richtlinien der Politik. Macht er oder sie dabei Fehler oder ist auch nur das, was er oder sie von seinem Vorgänger unkorrigiert übernimmt, fehlerhaft, so trägt der Kanzler oder die Kanzlerin die Konsequenzen, früher oder später. Das wusste auch Gerhard Schröder, als sehr schnell offen zutage trat, dass die Attentate vom 11. September 2001 zu einem wesentlichen Teil von Hamburg aus geplant worden waren – zu einer Zeit, da Sami A. mutmaßlich noch Leibwächter des verantwortlichen Terror-Chefs Osama Bin Ladin war. Wer sich die Mühe machen möchte, kann die einst streng geheimen Erkenntnisse US-amerikanischer Behörden auch zur Hamburger Terrorzelle hier in englischer Sprache ausführlich nachlesen.

Die Schuld der falschen Toleranz

Dadurch, dass also schon seit zwanzig Jahren Terroristen in Deutschland Schutz und Entfaltungsmöglichkeiten fanden und finden, hat dieses Land Schuld auf sich geladen, eine Schuld, die mit falsch verstandener Weltoffenheit und Toleranz schon damals weitaus mehr zu tun hatte als mit "Rassismus". Diese Schuld zwang das Deutschland Gerhard Schröders, Joschka Fischers und Frank-Walter Steinmeiers an die Seite der USA im "Krieg gegen den Terror". So gerieten deutsche Soldaten an den Hindukusch, und, stets gut getarnt vor einer konfliktscheuen deutschen Öffentlichkeit, fielen sie auch dort oder machten traumatische Erfahrungen. Die Bundeswehr ist nicht in diesen Krieg gestolpert, sie trug und trägt die politischen Konsequenzen für Deutschlands Mitschuld am islamistischen Terror. Merke: Wer erst dem Unrecht Tür und Tor öffnet, der gerät in Zwänge, von denen er selbst lange nichts ahnt, und er lässt sie dann seine Bürger ausbaden.

Der Rechtsstaat hingegen, der diesen Namen verdient, schützt seine Bürger, die ihn respektieren und verteidigen, und er schützt sie zuerst vor jenen, die nicht seine Bürger sind oder sich nicht als solche verhalten wollen, vor jenen also, die ihn als Zugewanderte oder als Einheimische verachten und bekämpfen – nicht umgekehrt. Das ist kein primär juristisches Problem, es ist ein politischer Leitsatz. Auf ein Land, das dieses einfache Prinzip immer wieder hintanstellt oder aus falsch verstandener Toleranz verzerrt, kann ich nicht stolz sein, egal, welche wirtschaftlichen, sportlichen, wissenschaftlichen oder sozialen Leistungen es sonst noch erbringt. Am Ende kann niemand mehr einen Pfifferling wetten auf ein so dummes, wehrloses Land. Niemand wird es mehr achten, egal, woran Richter sich abarbeiten.

Das ist es, worüber zuerst Politiker, danach aber auch Richter einmal nachdenken sollten, wenn sie Entscheidungen treffen – und sich ganz und gar unrichterliche, politische Bauchschmerzen ersparen wollen, von denen andere bereits täglich geplagt sind.

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Leserpost

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K.Auer / 18.08.2018

Die nächste Sau die bereits durch das Dorf getrieben wird, nennt sich Spurwechsel! Ohne nennenswerten Druck werden wieder bereits bestehende Gesetze (das Asylrecht) in Frage gestellt. Daraus ergeben sich wieder neue Gesetze die die Gerichte zusätzlich belasten werden. Anstatt die bestehenden Gesetze durchzusetzen (z.B. zeitnahe Abschiebungen) werden diese aus welchen Gründen auch immer vernachlässigt bzw. ignoriert. Zudem ist mir schleierhaft wie ein abgelehnter Asylbewerber eine Ausbildung und eine Arbeit aufnehmen kann. Der nächste sagt jetzt bestimmt er hat keine Papiere zum abschieben! Gegenfrage wie kommt er ohne Papiere nach Deutschland? Und somit schließt sich der Kreis der Unzulänglichkeiten in unserem so gelobten Rechtsstaat.

Marcel Seiler / 18.08.2018

Dem stimme ich zu: Es ist die Politik, nicht die Gerichte, die für die Zustände Deutschlands verantwortlich ist, etwa für die Tatsache, dass ein Leibwächter von Bin Ladin hier jahrelang samt Familie durchgefüttert wird und jetzt nicht loszukriegen ist. Andererseits: Es gibt jede Menge deutsche Gerichtsurteile, die Deutsche gegenüber Einwanderern oder gegenüber dem Rest der Welt durch einseitige *Auslegung* von Recht benachteiligen. Das fängt bei Verfassungsgerichtsurteilen zur Griechenlandhilfe, zu Maastricht und zur EZB an und hört bei lächerlichen Strafgerichtsurteilen nicht auf.

Bernhard Freiling / 18.08.2018

“........fehlerhaft, so trägt der Kanzler oder die Kanzlerin die Konsequenzen, früher oder später.” DAS ist der springende Punkt. Sie/Er trägt gar nichts. Allenfalls eine satte Altersversorgung. Die Konsequenzen trägt die Bevölkerung,  Abgesehen davon kann ich jeden Richter verstehen der dazu beiträgt, das Recht zu pervertieren. Was ist ein Richterspruch in Migrationsverfahren heute wert? Weniger als Nichts! Da kann ruhig höchstrichterlich entschieden sein,  ein “Asylant”  sei abzuschieben. Es wird nicht umgesetzt. Sollten dann tatsächlich, möglicherweise nach Jahren, die Voraussetzungen für die Abschiebung - Identität, Herkunft, Rücknahmevereinbarung mit Herkunftsland - geklärt sein, nimmt sich eine “Härtefallkommission” des Falles an und beschließt, die Abschiebung nicht durchzuführen.  Was ist das für ein Rechtsstaat, in dem “Härtefallkommissionen” Gerichtsurteile außer Kraft setzen können? Warum belasten wir uns noch mit Gerichten? Geben wir die Rechtsprechung doch gleich in die Hände von “Härtefallkommissionen”.

S. Salochin / 18.08.2018

Wenn ich sie recht verstanden habe, wollen Merkelianer und sonstige geistig bequeme urbane NeoGut- und Bessermenschen auch gar nicht auf ein „Land“ stolz sein, weil sie im geistigen Dauerkurzschluss „Land“ mit Faschismus, Nazis, Panzern, Bomben und armen ausgebeuteten Naturvölkern etc. gleichsetzen. Den ganzen Plastikmüll, die sterbende Natur, den heißen Carrell-Sommer, fehlende Fahrradstreifen auf der Autobahn und ein grundsätzlich tagsüber zu anstrengendes Leben nicht zu vergessen.

Marina Blach / 18.08.2018

Auch wenn. Man kann doch wohl nicht abstreiten, dass die meisten Richter durch die 68er gepraegt sind. Das geht bis zum Verfassungsgericht. Wenn die Richter also im Fall Sami A. so vehement auf die Gesetze pochen dann fragt man sich, wo bleibt diese Konsequenz im Fall der Grenzoeffnung 2015? Ist unser Rechtssystem nicht bereits politisch in Schieflage geraten?

Dietrich Herrmann / 18.08.2018

Kann man von einem Rechtsstaat sprechen, wo selbst die Kanzlerin ungestraft mehrfach geltendes Recht brechen durfte?

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