Als eine Gruppe südafrikanischer Buren von den USA als Flüchtlinge aufgenommen wurden, reagierten auch deutsche Medien so, als dürfte es weiße Flüchtlinge aus Afrika gar nicht geben. Dabei gibt es Fluchtgründe genug.
US-Präsident Donald Trump hat mit seiner Entscheidung, weißen südafrikanischen Landwirten Asyl zu gewähren, mal wieder in ein Hornissennest gestochen. „Lüge vom Genozid“, „rechte Verschwörungserzählung“, „Märchen“ sind nur einige der Begriffe, mit denen die deutschsprachige Presse darauf reagiert. Die Wörter „Flucht“ und „Flüchtling“ werden in Gänsefüßchen gesetzt. Es scheint, als wäre jeder deutsche Journalist über Nacht zum südafrikanischen Landbewohner geworden und wüsste aus eigener Erfahrung, was Sache ist. Besonders frappierend ist diese Erregung, wenn man sie mit den bisherigen Gepflogenheiten im Umgang mit Flüchtlingen vergleicht: Wann hätten je Redaktionen über Fluchtgründe zu Gericht gesessen? Wann hätten sie je erklärt, dass es im Land X oder Y gar keine Verfolgung gebe und jemand, der von dort komme und in Deutschland Asyl beantrage, doch wohl ein Pseudoflüchtling sei, ein Schwindler?
Wird in Deutschland ein Asylantrag abschlägig beschieden, dann wird darüber geschwiegen oder die Antragsteller werden als bedauernswerte Geschöpfe dargestellt. Vielleicht mögen die Paragrafen nicht auf ihrer Seite sein, doch Mitgefühl haben sie verdient und Zweifel, ob ihnen nicht vielleicht doch Verfolgung oder ein anderes hartes Los droht, bleiben. Abschiebungen erregen Grauen und werden nach Kräften vermieden oder gar von Kirchen verhindert. „Niemand flieht ohne Grund“, lautet ein Schlagwort.
Die Farbe der Opfer
Wirklich niemand? Von wegen: Mit den weißen Südafrikanern ist er endlich gefunden, der Flüchtling ohne Grund. Die „Tagesschau“ berichtete in einer Ausgabe neun Minuten lang darüber; nur wenige Sekunden davon waren der Klärung der Fakten gewidmet. Da hieß es:
„Morde auf südafrikanischen Farmen gibt es tatsächlich. Zwischen 2020 und 2024 kamen dabei offiziellen Angaben zufolge 225 Menschen ums Leben. Doch knapp die Hälfte von ihnen waren schwarze Arbeiter.“
Wer waren die der anderen Hälfte? Schweigen. Richard Klug, ARD-Korrespondent in Johannesburg, sprach in derselben Sendung davon, dass weiße Landwirte gegen „die Farmmorde, die es in der Tat gibt“, protestiert hätten. Es gibt sie also, diese Morde, aber es sind nicht so viele, als dass man deswegen beunruhigt sein sollte? Weil die meisten Mordopfer in Südafrika keine Weißen sind?
Warum reden wir dann eigentlich über die Morde an Journalisten in Russland, wo es doch klar sein dürfte, dass die meisten ermordeten Russen keine Journalisten sind? Leben Nichtjournalisten in Russland nicht vielleicht sogar noch gefährlicher?
Mit einer solchen Argumentation ließe sich auch Verfolgung aus religiösen Gründen leugnen — beispielsweise die, die Christen erleiden. Der Weltverfolgungsindex der christlichen Menschenrechtsorganisation Open Doors zeigt, dass Christen keineswegs nur in mehrheitlich islamischen Ländern Verfolgung ausgesetzt sind, sondern etwa auch in Mexiko, Kolumbien, Indien oder der Demokratischen Republik Kongo. In all diesen Ländern herrscht ein Klima der Gewalt und Einschüchterung; Morde sind alltäglich, wie in Südafrika. Kann man sagen, dass Christen dort gar nicht Verfolgung ausgesetzt seien, weil mehr Menschen aus anderem Grund ermordet werden? Selbst in einem Land mit einer so starken Christenverfolgung wie Pakistan werden viel mehr Muslime ermordet als Christen. Und wenn ein Christ ermordet wird, dann nennen die Täter oft andere Gründe als dessen Religion. Diesen Monat wurde in der Provinz Punjab der 35 Jahre alte Katholik Kashif Masih Berichten zufolge zu Tode gefoltert, weil ihm vorgeworfen worden war, ein Handy gestohlen zu haben. Keine Christenverfolgung, sondern landestypische Gewalt?
Flüchtlinge in Anführungszeichen
Weiße aus Südafrika werden als „Flüchtlinge“ in Anführungszeichen gesetzt, ob im Tagesspiegel, der FAZ oder in der Berichterstattung der staatlichen Deutschen Welle. Geflüchtete — diese Wortschöpfung fehlt in diesem Zusammenhang. Sie werden beinahe als Betrüger dargestellt, ist das nicht ziemlich rechtsradikal? Wir haben gelernt, dass es immer einen guten Fluchtgrund gibt. „Niemand flieht freiwillig“, heißt es auch auf der Website des Bonner Büros des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR. „Gründe für eine Flucht“ könnten „sehr unterschiedlich“ sein:
„Meist sind es Krieg und Gewalt, die Menschen dazu zwingen, ihre Heimat zu verlassen. Immer dabei ist die Angst um das eigene Leben, um das Leben und das Wohlergehen der Kinder, der Familie oder von Freunden.“
Das wird den Südafrikanern nicht abgenommen. Die schummeln doch. Die sind doch weiß. Sie sollen uns den Beweis für ihre Verfolgung präsentieren. Das verlangen Journalisten von niemandem sonst. Niemals käme die Tagesschau auf die Idee, ARD-Korrespondenten aus all den Herkunftsländern von Asylbewerbern zuzuschalten, damit diese sagen, ob es dort auch wirklich Verfolgung gibt.
Für den Deutschlandfunk ist „Kill the Boer“ („Töte den Bauern“) ein „Anti-Apartheid-Song“. Die Weißen, die ermordet werden, sollten sich nicht so anstellen, findet die Diversitätsforscherin Nicky Falkov von der Witwatersrand-Universität in Johannesburg, die immer wieder als Expertin zitiert wird. Der Gewalt gegen Weiße werde immer eine „besondere Bedeutung“ beigemessen, sagt sie dem Deutschlandfunk:
„Wenn Weiße so etwas erleben, dann ist es nicht bloß irgendeine Gewalt. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass weißes Leben wichtiger sei als anderes. Dass Weiße etwas Besonderes sind. Dass sie keine Opfer von Gewalt werden sollten, weil das unnatürlich und ungerecht ist."
Andere werden auch umgebracht. Die paar Morde sind, wie Zeit online schreibt: „Viel Mimimi und Kokolores.“
„Quer durch alle Bevölkerungsgruppen“
Rassistische Gewalt gegen Weiße in Südafrika wird pauschal in Abrede gestellt. Zeit online beruft sich auf anonyme „Fachleute“, die sagen: Zwar gebe es „in Südafrika Gewaltkriminalität, die auch Landwirte betrifft – allerdings quer durch alle Bevölkerungsgruppen“. Der Spiegel hat die „Fachleute“ weggelassen, weiß jedoch sicher:
„Zwar gibt es in Südafrika Gewaltkriminalität, die auch Landwirte betrifft – jedoch quer durch alle Bevölkerungsgruppen.“
Man kann hier den Pluralismus in Aktion sehen: Wo der eine „allerdings“ schreibt, ist es bei dem anderen ein „jedoch“.
Dass Menschen „quer durch alle Bevölkerungsgruppen" Opfer von Gewaltkriminalität werden, ist etwas, das sich auch über Nigeria, Somalia oder den Jemen sagen lässt. Bedeutet das, dass niemand dort Verfolgung erleidet? Können aus Ländern, in denen niemand seines Lebens sicher ist, keine legitimen Flüchtlinge kommen? Sollten wir das zur Maßgabe der deutschen Asylpolitik machen? „Sie werden in Afghanistan verfolgt, sagen Sie? Glauben Sie mir, da sind Sie nicht der Einzige. Abgelehnt!“ Die FAZ gibt zu, dass Südafrika ein „chronisches Kriminalitätsproblem“ habe, sei „weithin bekannt“.
„Niemand bestreitet, dass dagegen dringend etwas unternommen werden muss. Im vergangenen Jahr wurden nach der Polizeistatistik mehr als 26.000 Menschen ermordet. Südafrika hat auf die Bevölkerung bezogen eine der höchsten Mordraten auf der Welt.“
Trump jedoch, so die Zeitung weiter, spreche von „massiven Menschenrechtsverletzungen“, „ohne Belege zu präsentieren“. Ist Mord keine massive Menschenrechtsverletzung? Das Imageproblem der weißen Landwirte ist offenbar, dass sie ermordet werden können, ohne dass dies auffällt, da ihre Fälle unter den Tausenden anderen Morden in Südafrika untergehen. Bei solcher Kriminalität wiegt das einzelne Leben nicht mehr viel.
„Die Kehle durchgeschnitten“
Es sind Taten, über die Zeitungen so berichten:
„Vier Verdächtige wurden festgenommen, nachdem die Ehefrau eines Bauern aus Mpumalanga zwei der vier Jugendlichen identifizieren konnte, die ihrem Mann die Kehle durchgeschnitten hatten, nachdem sie ihn mit einer Eisenstange geschlagen hatten. Die Polizei teilte mit, die Festnahme der Verdächtigen im Alter zwischen 16 und 19 Jahren erfolgte weniger als zwei Stunden nach dem Mord an dem 79-jährigen Theo Bekker in Grootvlei bei Balfour am Sonntagmorgen. Polizeisprecher Brigadier Selvy Mohlala sagte, die Verdächtigen hätten den Bauern vor seinem Haus angegriffen, ihn gezwungen, ins Haus zu gelangen, und Wertgegenstände verlangt.
Mohalala sagte, sie seien mit drei Schusswaffen und seinem Fahrzeug vom Tatort geflohen. Im Haus griffen die Verdächtigen beide Opfer – das Mann und Frau – an. Der Verstorbene wurde durch einen unbekannten Gegenstand im Gesicht verletzt und erlag daraufhin seinen Verletzungen.“
Da die Täter nicht nur gemordet, sondern auch geraubt haben, gilt das aber wohl nicht als Rassismus.
Ein anderes der in der deutschen Presse stereotyp vorgebrachten Argumente ist gefährlich: Weiße Südafrikaner werden pauschal als reiche Oberschicht dargestellt, als eine Art privilegierte Kaste. Der Tagesspiegel schreibt:
„Die weißen Nachfahren meist niederländischer Siedler in Südafrika gelten dagegen auch mehr als 30 Jahre nach Ende der Apartheid als privilegiert. Die weiße Minderheit besitzt immer noch einen Großteil des Landes.“
Als wenn ihr Leben dadurch weniger bedroht wäre. In Ruanda galten die Tutsi als „privilegiert“, was nicht verhinderte, dass sie im Völkermord von 1994 ermordet wurden. Aus Sicht der Antisemiten sind Juden privilegiert. In Indonesien gibt es seit Jahrhunderten immer wieder Pogrome gegen chinesischstämmige Indonesier, auch weil diese wirtschaftlich oft erfolgreich sind und Neid und Missgunst wecken.
Pull-Faktor Trump?
Würde man die Maßstäbe ansetzen, die in der deutschen Presse sonst gelten, dann müsste man sagen: Dass weiße Südafrikaner dauerhaft ihr Land verlassen, ist für sich genommen schon ein Beweis dafür, dass sie dort nicht mehr sicher sind — denn anderenfalls würden sie ja nicht fliehen wollen, oder? „Pull-Faktoren“, das haben wir auch gelernt, sind eine Theorie von Anno Tobak, die von den renommierten Migrationsforschern Müller, Meier und Schulze längst widerlegt wurde. Aus den Parlamentsnachrichten des Deutschen Bundestages:
„Experten kritisieren These von Pull-Faktoren … Mehrere Wissenschaftlerinnen wiesen in der Anhörung darauf hin, dass die These von dem einen entscheidenden Pull-Faktor für Migration schon seit Jahrzehnten als wissenschaftlich überholt gilt.“
Wenn es keine „Pull-Faktoren“ — also Anreize für Migration, die vom Zielland ausgehen — gibt, dann kann die Auswanderung der Südafrikaner in die USA, anders als die Berichte uns glauben machen wollen, auch nichts mit US-Präsident Donald Trump zu tun haben. Er mag ihnen Asyl angeboten haben, aber das haben sie bestimmt nicht gehört. Flüchtlinge verfolgen doch nicht, was in den USA oder Deutschland passiert. Wenn das etwas mit Trump zu tun hätte, könnte man ja analog dazu sagen, Bundeskanzlerin Merkel habe die Dritte Welt zu uns eingeladen. Und das sagt doch niemand. Die Sache bringt Journalisten in ein Dilemma: Eben noch hieß es, dass man jedem Flüchtling glauben muss, jetzt sollen es Schwindler sein. Eben gab es keine Pullfaktoren, jetzt gibt es sie doch. Wer soll entscheiden? Zur Beantwortung der Frage, ob es in Südafrika Menschenrechtsverletzungen gebe, vor denen Menschen fliehen müssten, interviewte die Tagesschau klugerweise die südafrikanische Regierung. Wenn es jemand weiß, dann die!
„Die Regierung in Pretoria weist die Vorwürfe entschieden zurück und spricht von einer Desinformationskampagne. … Außenminister Ronald Lamola erklärte: ‚Eine Verfolgung weißer Südafrikaner wegen ihrer Rasse oder ihrer Sprache gibt es nicht. Das ist durch Statistiken und Polizeiberichte nachgewiesen. Die Kriminalität in unserem Land betrifft alle, unabhängig von ihrer Hautfarbe. Das gilt auch für Gewalt gegen Bauern. Diese Vorwürfe entbehren jeder Grundlage.’
Auch das Übersiedlungsprogramm stößt bei der südafrikanischen Regierung auf scharfe Kritik. Der Schritt sei vollkommen politisch motiviert und konstruiert, um den demokratischen Rechtsstaat Südafrika in Frage zu stellen. Für die Umsiedlung gebe es keine Rechtfertigung.“
Na also. Können wir dann in Zukunft die eritreische Regierung entscheiden lassen, ob es in Eritrea Verfolgung gibt? Das Informationsministerium in Asmara gibt bekannt:
"Amnesty Internationals Vorwürfe gegen die disziplinierten und kultivierten eritreischen Verteidigungsstreitkräfte (EDF) sind haltlos. … Amnesty International hat keine Recherchen durchgeführt. Vielmehr nutzte die Organisation ihre Plattform, um unbegründete Anschuldigungen gegen eritreisches Militärpersonal aus gesichts- und namenlosen Drittquellen zu verbreiten und so ihre jahrzehntelange verleumderische Kampagne gegen den Staat Eritrea fortzusetzen.“
So viel zu dem Gerücht, in Eritrea gebe es Fluchtgründe. Diktator Isayas Afewerki versichert uns, dass es sie nicht gibt. Thema erledigt. Apropos Amnesty: Für Südafrika stellt die Organisation für den Berichtszeitraum 2024 fest:
„Geschlechtsspezifische Gewalt war weiterhin in hohem Maße verbreitet; die Täter genossen Straflosigkeit … Die Mordrate blieb hoch, und die Fähigkeit der Polizei, diese Verbrechen angemessen zu untersuchen, nahm ab. Die Polizei bot bedrohten Menschenrechtsverteidigern keinen Schutz. Das Ministerium für Grundbildung hielt sein Versprechen, die Grubenlatrinen an Schulen abzuschaffen, nicht ein. … Es herrschte landesweite Wasserknappheit. Das Kabinett verabschiedete ein Weißbuch, das die Rechte von Flüchtlingen zu untergraben drohte. Die Polizei setzte weiterhin exzessive Gewalt ein….“
„Zu sehr auf der Seite der Geflüchteten“
Würde das ausreichen, um aus Südafrika zu fliehen? Die DRK-Flüchtlingshilfe Brandenburg berichtete 2022 über eine Frau, die aus Südafrika geflohen war und in Deutschland Asyl beantragte:
„Gefragt nach den Gründen für ihre Entscheidung in Deutschland Asyl zu beantragen, gibt Linda S. zwei Antworten. Eine, die kurz ihre Geschichte umreißt: In ihrer Heimat Südafrika arbeitete Linda S. bei einer Organisation für Geflüchtete in einer hohen Position. Nachdem ein Interview mit ihr im südafrikanischen Fernsehen ausgestrahlt wurde, sah sie ihre Sicherheit bedroht. Zu Details möchte sie sich deswegen nicht äußern. Nur so viel: „Ich war zu sehr auf Seiten der Geflüchteten’, sagt sie. Zumindest aus der Sicht vieler Menschen in Südafrika: Fremdenfeindlichkeit sei ein massives Problem in dem Land.“
Es gibt sie also wohl doch, authentische Flüchtlinge aus Südafrika. Die weißen Flüchtlinge von dort aber sehen nicht so aus wie jemand, für den Angela Merkel ein Willkommenskulturprogramm veranstalten würde. Während Asylverfahren in Deutschland Monate oder Jahre dauern können, brauchten die Prüfer von Tagesschau, Spiegel oder Zeit für die Beantwortung der Frage, ob die südafrikanischen Flüchtlinge die Einreise in die USA verdienen, nicht mal eine Sekunde. Keinem Messerstecher oder Vergewaltiger schlägt so viel Hass entgegen wie Opfern von Gewalt, wenn es aus Sicht mancher Journos die falschen sind. Vielleicht hassen deutsche Journalisten die weißen Südafrikaner auch deshalb, weil es Familien sind, die legal in die USA einreisen — keine allein reisenden jungen Männer, die sich über die Grenze stehlen und vorher ihre Pässe wegwerfen. Sind sie darum „Flüchtlinge“ in Anführungsstrichen? Ja, das muss es sein.
Foto: Ein Demonstrant protestiert gegen die neue Flüchtlingspolitik von Präsident Trump, als am 12. Mai 2025 in Sterling, Virginia, der erste Flug mit Afrikaanern aus Südafrika in den Vereinigten Staaten ankommt. (Imago)
Stefan Frank, geboren 1976, ist unabhängiger Publizist und schreibt u.a. für Audiatur online, die Jüdische Rundschau und MENA Watch. Buchveröffentlichungen: Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise (2009); Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos (2012).