Von Markus E. Wegner.
Der Autor galt zu Beginn der 1990er Jahre als Hamburger CDU-Rebell. Er erwirkte beim Hamburgischen Verfassungsgericht die Aufhebung der Landtagswahl zur Hamburgischen Bürgerschaft wegen undemokratischer Kandidatenaufstellungen in der Hamburger CDU und zog anschließend 1993 mit der von ihm spontan gegründeten Wählervereinigung STATT Partei in die Bürgerschaft ein. Hier seine Einschätzung zum Prozedere der aktuellen Kandidatenkür für den Fraktionsvorsitz der CDU.
Die CDU agiert – zumindest – halblegal, wenn es um Macht geht. Wurde bei mir einst 1991 die Vorstellungszeit in einem Bundestagswahlkreis auf 3 Minuten begrenzt – was vom Bundesverfassungsgericht als „Verstoß gegen die Mindestgrundsätze demokratischer Kerngrundsätze“ bewertet wurde – so macht man das heute in hinterfotziger Art nicht minder ungeschickt:
Akt 1: Man (der CDU-Bundesvorstand) beruft hier und da eine „Regionalkonferenz“ ein. Diese gibt es nach der CDU-Satzung nicht. Was dort geschieht, ist aber vollkommen irrelevant, da diese weder für die Partei Wahlen durchführen noch Beschlüsse fassen kann. Es sind reine Show-Veranstaltungen, denen eher der Habitus eines rituellen Stuhlkreises zukommt und allenfalls – wie im Fernsehen – die Länge von Beifallsbekundungen gemessen werden.
Akt 2: Man klassifiziert mögliche Bewerber in "Echte" und "Unechte". Die echten Bewerber stuft man vorab als „Kandidaten“ ein, wenn diese „von einem Landes-, Bezirks- oder Kreisverband vorgeschlagen werden“ (so taut Medienberichten). Das ist eindeutig Willkür, da ein abstimmungsfähiger „Kandidatenvorschlag“ für die Wahl zum Bundesvorstand nach dem Statut erst dann existiert, wenn dieser schriftlich beim Parteitagspräsidenten abgegeben wurde (sei es von einem Delegierten für sich selbst oder für einen von ihm Vorgeschlagenen). Da der Parteitag bislang nicht eröffnet ist, könnten allenfalls – quasi im Postfach für das Tagungspräsidium – Vorschläge ruhen; doch dieser Weg wird seitens des Bundesvorstandes gar nicht erst zugelassen.
Akt 3: Auch wenn einer der drei genannten Parteiverbände sich für Herrn oder Frau XY zum Bundesvorsitzenden ausspricht, ist dieser damit immer noch kein offizieller „Kandidat“ auf dem Bundesparteitag. Für die CDU ist das jedoch Nebbich. „Annegret Kramp-Karrenbauer ist jetzt offiziell Kandidatin der CDU Saar für die Wahl zum Bundesvorsitz der CDU Deutschlands beim Parteitag in Hamburg“, so die Homepage der CDU Saar. Dort wurde AKK vom Landesvorstand der CDU Saar „nominiert“. Allerdings liegt dazu keine demokratische getroffene Wahlentscheidung innerhalb eines Landes-, Bezirks- oder Kreisverband vor, denn kein Delegierter auf Bezirks-, Kreis- oder Landesverbandsebene wurde daran beteiligt! Es handelt sich lediglich um einen Vorstandsbeschluss eines Mini-Landesverbandes.
Akt 4: Für alle weiteren Bewerber soll gelten, dass diese sich erst dann in den Stuhlkreis auf den (nicht satzungsgemäß vorgesehenen) „Regionalkonferenzen“ zur Vorstellung begeben dürfen, wenn sie denn in einem Landes-, Bezirks- oder Kreisverband vorgeschlagen werden – in welcher Form per Abstimmung unter Delegierten oder mehrheitlichen Vorstandsbeschluss bleibt zudem unklar und dürfte erst in Tagen oder Wochen erfolgen.
Fazit: Auch Bewerber, die mehrheitlich auf die Schnelle keinen zustimmenden Verband finden, der sich schon jetzt offen (!) hinter sie stellt, können mittels eines einzigen Delegierten, der sie auf dem Bundesparteitag vorschlägt, zum Kandidaten erwachsen. Bis dahin haben sie gefälligst still zu sein und kein Rederecht (!), also nur unter erschwerten Bedingungen ein Vorstellungsrecht gegenüber der interessierten Mitgliedschaft der CDU. Diese darf andererseits – sofern ihr im regionalen Stuhlkreis das Wort erteilt wird – mitdiskutieren; aber vermutlich auch nicht länger als 3 Minuten. In der CDU also nicht Neues.