Markus E. Wegner, Gastautor / 07.11.2018 / 06:00 / 15 / Seite ausdrucken

Die Fake-Show der CDU-Kandidaten-Kür

Von Markus E. Wegner.

Der Autor galt zu Beginn der 1990er Jahre als Hamburger CDU-Rebell. Er erwirkte beim Hamburgischen Verfassungsgericht die Aufhebung der Landtagswahl zur Hamburgischen Bürgerschaft wegen undemokratischer Kandidatenaufstellungen in der Hamburger CDU und zog anschließend 1993 mit der von ihm spontan gegründeten Wählervereinigung STATT Partei in die Bürgerschaft ein. Hier seine Einschätzung zum Prozedere der aktuellen Kandidatenkür für den Fraktionsvorsitz der CDU.

Die CDU agiert – zumindest – halblegal, wenn es um Macht geht. Wurde bei mir einst 1991 die Vorstellungszeit in einem Bundestagswahlkreis auf 3 Minuten begrenzt – was vom Bundesverfassungsgericht als „Verstoß gegen die Mindestgrundsätze demokratischer Kerngrundsätze“ bewertet wurde – so macht man das heute in hinterfotziger Art nicht minder ungeschickt:

Akt 1: Man (der CDU-Bundesvorstand) beruft hier und da eine „Regionalkonferenz“ ein. Diese gibt es nach der CDU-Satzung nicht. Was dort geschieht, ist aber vollkommen irrelevant, da diese weder für die Partei Wahlen durchführen noch Beschlüsse fassen kann. Es sind reine Show-Veranstaltungen, denen eher der Habitus eines rituellen Stuhlkreises zukommt und allenfalls – wie im Fernsehen – die Länge von Beifallsbekundungen gemessen werden.

Akt 2: Man klassifiziert mögliche Bewerber in "Echte" und "Unechte". Die echten Bewerber stuft man vorab als „Kandidaten“ ein, wenn diese „von einem Landes-, Bezirks- oder Kreisverband vorgeschlagen werden“ (so taut Medienberichten). Das ist eindeutig Willkür, da ein abstimmungsfähiger „Kandidatenvorschlag“ für die Wahl zum Bundesvorstand nach dem Statut erst dann existiert, wenn dieser schriftlich beim Parteitagspräsidenten abgegeben wurde (sei es von einem Delegierten für sich selbst oder für einen von ihm Vorgeschlagenen). Da der Parteitag bislang nicht eröffnet ist, könnten allenfalls – quasi im Postfach für das Tagungspräsidium – Vorschläge ruhen; doch dieser Weg wird seitens des Bundesvorstandes gar nicht erst zugelassen.

Akt 3: Auch wenn einer der drei genannten Parteiverbände sich für Herrn oder Frau XY zum Bundesvorsitzenden ausspricht, ist dieser damit immer noch kein offizieller „Kandidat“ auf dem Bundesparteitag. Für die CDU ist das jedoch Nebbich. „Annegret Kramp-Karrenbauer ist jetzt offiziell Kandidatin der CDU Saar für die Wahl zum Bundesvorsitz der CDU Deutschlands beim Parteitag in Hamburg“, so die Homepage der CDU Saar. Dort wurde AKK vom Landesvorstand der CDU Saar „nominiert“. Allerdings liegt dazu keine demokratische getroffene Wahlentscheidung innerhalb eines Landes-, Bezirks- oder Kreisverband vor, denn kein Delegierter auf Bezirks-, Kreis- oder Landesverbandsebene wurde daran beteiligt! Es handelt sich lediglich um einen Vorstandsbeschluss eines Mini-Landesverbandes.

Akt 4: Für alle weiteren Bewerber soll gelten, dass diese sich erst dann in den Stuhlkreis auf den (nicht satzungsgemäß vorgesehenen) „Regionalkonferenzen“ zur Vorstellung begeben dürfen, wenn sie denn in einem Landes-, Bezirks- oder Kreisverband vorgeschlagen werden – in welcher Form per Abstimmung unter Delegierten oder mehrheitlichen Vorstandsbeschluss bleibt zudem unklar und dürfte erst in Tagen oder Wochen erfolgen.

Fazit: Auch Bewerber, die mehrheitlich auf die Schnelle keinen zustimmenden Verband finden, der sich schon jetzt offen (!) hinter sie stellt, können mittels eines einzigen Delegierten, der sie auf dem Bundesparteitag vorschlägt, zum Kandidaten erwachsen. Bis dahin haben sie gefälligst still zu sein und kein Rederecht (!), also nur unter erschwerten Bedingungen ein Vorstellungsrecht gegenüber der interessierten Mitgliedschaft der CDU. Diese darf andererseits – sofern ihr im regionalen Stuhlkreis das Wort erteilt wird – mitdiskutieren; aber vermutlich auch nicht länger als 3 Minuten. In der CDU also nicht Neues.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Martin Stumpp / 07.11.2018

@Wolfgang Kaufmann: Das Bauchgefühl reicht bei weitem nicht, auf die richtige Gesinnung kommt es an.

Volker Kleinophorst / 07.11.2018

KeinVerfahren ist halblegal, entweder ist es legal oder eben “legal, illegal, scheißegal”

Thomas Raffelsieper / 07.11.2018

Die Demokratie hat in diesen Parteien wie CDU oder auch Demokratische Partei der USA nichts zu suchen. Bernie Sanders wurde vom Parteitag mit überwältigender Mehrheit zum Präsidentschaftskandidaten nominiert, aber nicht aufgestellt, eben weil wohl in den USA und auch in Deutschland ausschließlich Milliardäre bestimmen, wer Präsident oder Kanzler wird.

Regina Dexel / 07.11.2018

Die CDU muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie mittels ihrer derzeitigen Vorsitzenden und deren Hofschranzen nicht nur - zumindest - halblegal agiert, wenn es um Macht geht. Die Schranken für alle Bereiche des politischen Wirkens sind längst gefallen. Und die Basis schweigt brav dazu, hat sich entei… lassen. Mit dieser Partei ist seit längerem schon kein (demokratischer) Staat zu machen.

Wolfgang Kaufmann / 07.11.2018

Sie haben da was falsch verstanden; Satzungen und rechtliche Rahmenbedingungen sind heute allenfalls unverbindliche Empfehlungen. Seit 1968 kann sich jede Horde, die sich zufällig trifft, mit dem Pathos der Basisdemokratie über alle Gesetze und Vorschriften hinwegsetzen. Rechtsstaat ist Old School und nur was für alte weiße Männer; in der Pawlowschen Demokratie zählen allein die schönen Bilder und das gute Bauchgefühl.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Markus E. Wegner, Gastautor / 13.07.2019 / 06:25 / 97

Wie die Sachsenwahl gegen die Wand gefahren wird

Es mutet absurd an. Einer politischen Partei wurde vom Landeswahlausschuss die Anzahl der formal erreichbaren Sitze, die über die Landesliste erzielt werden könnten, von 60…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com