Die EU-Inflationsmacher

Die Inflation hat unterschiedliche Gründe: die lockere Geldpolitik, die experimentelle Energiepolitik, protektionistische Maßnahmen, aber auch die angeblich „grünen“ EU-Verordnungen.

Neu veröffentlichte Eurostat-Zahlen zeigen, dass die öffentliche Verschuldung der 20 Mitgliedstaaten der Eurozone nun ein Rekordniveau von 88,7 Prozent des BIP erreicht hat, gegenüber 88,2 Prozent im vorherigen Quartal. Eng damit verbunden sind Spekulationen, dass die Europäische Zentralbank die Zinsen wieder senken könnte, um die Staatsverschuldung einzudämmen, ganz in der Tradition der Bananenrepubliken. Am Ende zahlen dann die Sparer für die lockere Geldpolitik.

Seit der ehemalige EZB-Präsident Mario Draghi 2012 erklärte, seine Institution werde „alles tun, was nötig ist (...), um den Euro zu erhalten“, sind die Spekulationen der Märkte, dass das politische Konstrukt unmittelbar vor dem Zusammenbruch stehen könnte, verschwunden. Dennoch ist diese Sorge noch nicht ganz verschwunden, was sich in der Zinsspanne widerspiegelt, die Investoren den Mitgliedstaaten der Eurozone bei der Kreditvergabe in Rechnung stellen. Erst im Juni erreichte dieser Spread zwischen Frankreich und Deutschland den höchsten Stand seit 2012. Dies geschah nach einer Rating-Herabstufung und politischer Instabilität, die anhält, da nach der großen Niederlage von Präsident Macron bei den Europa- und Parlamentswahlen keine französische Regierung gebildet wurde.

Die meisten Ökonomen, die das Thema aufmerksam verfolgen, erwarten laut einer ZEW-Umfrage, dass die EZB die Zinsen im September senken wird. Und das, obwohl die führende Volkswirtschaft der Eurozone, Deutschland, alles andere als eine Zinssenkung nötig hat. Nach der so genannten „Taylor Rule„, einer vom amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler John B. Taylor entwickelten geldpolitischen Zielregel, die den Zentralbanken bei der Festlegung der kurzfristigen Zinssätze helfen soll, um die Inflation zu minimieren, sollte der faire Zinssatz 5,75 Prozent betragen. Das sind 150 Basispunkte mehr als der derzeitige Satz von 4,25 Prozent, nicht weniger.

Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die „Kerninflation“ in der Eurozone, die Energie und Lebensmittel ausschließt, mit 3,3 Prozent immer noch hoch ist und weit über dem EZB-Ziel von 2 Prozent liegt. Darüber hinaus werden die stark gestiegenen Transportkosten pro Schiff – auch aufgrund der anhaltenden Angriffe der Houthis auf Schiffe, die die Route über das Rote Meer nutzen – zu höheren Importpreisen führen, so Kevin Thozet, Mitglied des Anlageausschusses des Fondsmanagers Carmignac.

„Ich will diese Leute nicht mehr“ 

Zu sagen, dass die Führung der EZB nicht gerade vertrauenserweckend ist, ist noch gelinde ausgedrückt. Mitte Juli warnte EZB-Präsidentin Christine Lagarde (Foto oben), dass „extreme Wetterereignisse und die sich entwickelnde Klimakrise im weiteren Sinne die Lebensmittelpreise in die Höhe treiben könnten“. Das mag ja sein, aber es ist natürlich etwas seltsam, sich nicht auf die Politik des lockeren Geldes der EZB zu konzentrieren, die dazu dient, die ausgabefreudigen europäischen Wohlfahrtsstaaten zu stützen, sondern auf die „Klimakrise“, die die Inflation verursachen würde.

Solche Äußerungen stehen im Einklang mit dem beunruhigenden Ausmaß des Klima-Eiferers in der Institution. Anfang dieses Jahres erklärte der EZB-Spitzenbeamte Frank Elderson den EZB-Mitarbeitern, dass sie nicht mehr erwünscht seien, wenn sie nicht grün seien: „Warum sollten wir Leute einstellen, die wir umprogrammieren müssen?  Weil sie von den besten Universitäten kommen, aber immer noch nicht wissen, wie man das Wort ,Klima‘ buchstabiert.“ Er fügte hinzu: „Ich will diese Leute nicht mehr.“ 

Die Äußerungen lösten sowohl innerhalb als auch außerhalb der EZB Empörung aus, insbesondere wegen der Verwendung des Begriffs „Umprogrammierung“, aber Elderson, der es im vergangenen Jahr sogar gewagt hatte, sich in eine rechtspolitische Debatte der EU über das Natursanierungsgesetz einzumischen, wurde nicht zum Rücktritt gezwungen. In der Zwischenzeit stiegen die Immobilienpreise in ganz Europa stark an, was zum Teil darauf zurückzuführen war, dass die Kreditaufnahme aufgrund der EZB-Politik so viel billiger wurde.

Die lockere Geldpolitik ist ein Faktor, der die Preise in die Höhe treibt, aber es gibt natürlich auch noch andere Faktoren. In Europa spielt die experimentelle Energiepolitik eine wichtige Rolle, aber auch neue protektionistische Maßnahmen wie der EU-Mechanismus zur Anpassung der Kohlendioxidemissionen (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM), der Importgebühren auf Produkte wie Stahl, Zement und Strom erhebt, die auf den Kohlendioxidemissionen ihrer Produktion basieren. Im Gegensatz zu dem, was einige Politiker zu behaupten versuchen, werden Zölle – wie alle Verkaufssteuern – vom Käufer und nicht vom Verkäufer bezahlt. Die europäischen Verbraucher werden also letztlich die Rechnung bezahlen.

Die Inflation ist in Europa nach wie vor hoch

Hinzu kommen die neuen, angeblich „grünen“ EU-Verordnungen, die als weiterer Faktor die Preise für die ohnehin schon schwer gebeutelten europäischen Verbraucher in die Höhe treiben. Kürzlich hat ein neuer Bericht von GlobalData gezeigt, dass die neue EU-Abholzungsverordnung (EUDR), die zusätzliche Bürokratie für alle Arten von Importen vorsieht, die die Abholzung der Wälder verschlimmern könnten, allein für Produkte wie Palmöl und Kautschuk zusätzliche Kosten in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar verursachen könnte. Auch hier werden die Verbraucher die Rechnung bezahlen.

Gleichzeitig ist es unwahrscheinlich, dass diese EU-Verordnung wirksam gegen die Entwaldung vorgehen wird. Bereits jetzt sind schätzungsweise 93 Prozent des nach Europa importierten Palmöls nachhaltig und tragen nicht zur Abholzung bei, während NRO wie Global Forest Watch über einen starken Rückgang des Waldverlustes in Ländern wie Malaysia und Indonesien berichtet haben. Die EU könnte sich dafür entscheiden, den malaysischen Standard zur Verhinderung der Abholzung einfach anzuerkennen, was das Vereinigte Königreich auch tut, aber das war ein „No Go“.

Das Ganze hat nicht nur die Handelsverhandlungen mit Südostasien durcheinander gebracht, sondern auch die Vereinigten Staaten haben im Juni gefordert, dass die EU die Umsetzung der Verordnung verschieben sollte. Zumindest die Europäische Volkspartei (EVP) hat sich bereits für eine zweijährige Verzögerung ausgesprochen.

Die Inflation ist in Europa nach wie vor hoch, und die EU-Institutionen tragen daran eine große Schuld. Die Geldpolitik der EZB und die Energie- und Klimapolitik der EU haben alle zum Preisauftrieb beigetragen. Glücklicherweise sind der laufende Handel und die technologische Innovation Faktoren, die sich preisdämpfend auswirken, aber es ist keineswegs garantiert, dass diese die anhaltende Weigerung, eine Reihe von zutiefst fehlgeleiteten EU-Politiken aufzugeben, ausgleichen können.

 

Pieter Cleppe war Leiter des Brüsseler Büros des Think Tanks „Open Europe“. Er schreibt regelmäßig für Rundfunk- und Printmedien in ganz Europa und diskutiert häufig über die EU-Reform, die Flüchtlingskrise und die Eurokrise. Der gelernte Jurist war zuvor in Belgien als Rechtsanwalt tätig und arbeitete als Kabinettberater und Redner des belgischen Staatssekretärs für Verwaltungsreform.

Foto: Montage achgut.com

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Helmut Driesel / 29.07.2024

  Es wäre mal zu untersuchen, inwieweit sich die freie Marktwirtschaft mit der Zeit in eine Oligarchie verwandelt. Ich habe zuweilen das Gefühl, dass sich Produkte systematisch verschlechtern können, sogar mit wachsenden Preisen reihum. Brot beispielsweise oder auch Toilettenpapier. Auch im Einkaufsmarkt das Käseregal mit 100 Sorten ähnlich schlechtem Käse macht mich jedes Mal ratlos. Die Schulbuch-Marktwirtschaft ist das nicht. Bei Importen will ich die Inflation gerne verstehen.

Jochen Lindt / 29.07.2024

Der gute alte Klimawandel, jetzt ist er laut EZB auch noch verantwortlich für die Inflation.  Aber Scherz beiseite: Beamtenpensionen,  Sozialleistungen (für Ausländer), Energiewende. Das sind die Faktoren, die die Wirtschaft kaputtmachen. Erholen wird sie sich nicht mehr, dafür sorgt schon die Zahl der bildungsresistenten (islamischen) Flüchtlinge. Je mehr es gibt, desto kaputter machen sie das Schulsystem.  Zu deutsch: Das Land verblödet durch Immigranten, besser gesagt durch die falschen Immigranten (Kurzfassung gem.Sarrazin).

Roland Stolla-Besta / 29.07.2024

Wieder einmal meine Aufforderung:  Zerstören wir dieses totalitäre EU-Konstrukt zum Segen Europas! Hallo, Näntzi-Mausi, wäre das nicht etwas für Deine Verfassungsschutzrelevantedelegitimierungdesdingsbums-EU-Überstaates.

Thomas Ebs / 29.07.2024

Die rechtskräftig verurteilte Steuergeld-Betrügerin der EZB meint, das Klima sei an der Preissteigerung schuld. Es wird wohl eher der CO2-Ablasshandel sein, mit dem Hühnerställe in China finanziert werden.

Peter Holschke / 29.07.2024

Klar wird der Euro verschwinden, so wie die Kaisermark, die Rentenmark, die Reichsmark, die DM, die DDR-Mark und auch der Ewige Pfennig, der Taler, der Gulden und der Schillig von Anno dazumal.

Franz Klar / 29.07.2024

Die Inflation in den USA ist doch noch höher , trotz billiger Energie für elegische Hillbillies . How come ?

SHolder / 29.07.2024

Mit der EUDR und den im Artikel erwähnten 1,5 Milliarden Euro an Mehrkosten für Palmöl und Kautschuk ist es nicht getan. Die gleiche Verordnung regelt ebenfalls die Im- und Exporte für Rindfleisch, Soja und Holzprodukte und kommt einem Bürokratiemonster gleich, dass sehr viele vor allem Kleinere Unternehmen zu aufgeben zwingt. Die 1,5 Milliarden sind halte ich für extrem weit zu niedrig gegriffen - Faktor 10-20 würden der Realität näher kommen, hinzu kommen noch Lieferkettengesetze, Zertifizierungen für “Carbofood-prints, etc.. Ferner ist auch das Argument der steigenden Seefrachten wegen der anhaltenden Angriffe der Huthis im roten Meer, mehr als fragwürdig. Man schaue sich einmal die Schiffe an, die nach wie vor den Suezkanal befahren - es sind vor allem Tanke und Break-Bulk-Carrier, die diese Passage nicht scheuen. Lediglich die Containerreedereien sorgen für eine Verknappung des Ladungsvolumens wegen der längeren Umlaufzeiten um das Kap der guten Hoffnung, diese haben in Folge der Lieferkettenprobleme nach Covid gelernt, wie man Milliardengewinne durch diese künstlichen Verknappungen generiert - die Zeche zahlen wir alle!

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Pieter Cleppe, Gastautor / 20.11.2024 / 12:00 / 15

G20-Gipfel: Milei stört die Party

Internationale Gipfeltreffen sind schwer gefragt. In dieser Woche fand der G20-Gipfel in Brasilien statt, auf dem wieder einmal eine umfassende politische Erklärung abgegeben wurde. Konkretes…/ mehr

Pieter Cleppe, Gastautor / 01.10.2024 / 06:10 / 20

EU nervös: Tanzt Macron künftig nach Le Pens Pfeife?

Mit der Ernennung von Michel Barnier zum französischen Premierminister hat der französische Präsident Emmanuel Macron die französische Regierung praktisch von Marine Le Pens Rassemblement National…/ mehr

Pieter Cleppe, Gastautor / 24.07.2024 / 12:00 / 5

Die Gefahren der Prozessfinanzierung durch Dritte

Durch „Drittfinanzierung“ von Prozessen können Großinvestoren viel Geld in wichtige Prozesse anderer investieren, ohne dass jemand von ihnen und ihren Interessen weiß. Die „Prozessfinanzierung“, auch…/ mehr

Pieter Cleppe, Gastautor / 26.06.2024 / 12:00 / 37

Zweite Amtszeit für UvdL: Kein Wandel im EU-Handel

Trotz der Verluste der Grünen macht die EU mit „business as usual“ weiter. Ursula von der Leyen, das Gesicht des handelspolitischen Versagens der EU, steht…/ mehr

Pieter Cleppe, Gastautor / 10.04.2024 / 12:00 / 3

Die Bauern lassen Brüssel keine Ruhe – und auch die Industrie nicht!

Die Proteste der Landwirte sind zwar hierzulande aus den Medien verschwunden. Sie erschüttern aber weiterhin Brüssel. Auch die Industrie macht sich immer mehr Sorgen wegen…/ mehr

Pieter Cleppe, Gastautor / 30.12.2023 / 10:00 / 43

Der EU-Kurs: Ohne Kompass ins Jahr 2024

Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, ist eine der treibenden Kräfte des aktuellen EU-Kurses, der aber zunehmend mit den Entwicklungen in den Mitgliedsstaaten…/ mehr

Pieter Cleppe, Gastautor / 01.12.2023 / 14:00 / 16

Saubere Energie durch freie Märkte

Von Pieter Cleppe und Rod Richardson. Ein internationales Klimaabkommen ist in Arbeit. Es soll die Märkte für Wettbewerb, Handel, Innovation und beschleunigte Kapitalflüsse öffnen, indem wichtige Markt- und…/ mehr

Pieter Cleppe, Gastautor / 29.07.2023 / 14:00 / 3

Das bessere TTIP der Briten

Großbritannien hat ein Handelsabkommen mit elf asiatischen und pazifischen Ländern abgeschlossen. In der heutigen Welt der Entkopplung und der zunehmenden protektionistischen Tendenzen sind die Vorteile…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com