Peter Grimm / 12.04.2016 / 15:02 / 1 / Seite ausdrucken

EU in Topform: Visafreiheit für Ukrainer, Strafvisa für Nordamerikaner

Niemand würde wohl behaupten, dass die Gegenwart arm an Absurditäten sei. Doch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist durchaus in der Lage, einen diesbezüglich immer aufs Neue zu verblüffen.

Die niederländischen Wähler lehnen mehrheitlich das EU-Ukraine-Abkommen ab und der Regierungschef in Den Haag verspricht seinen Bürgern, dieses Votum zu akzeptieren. Doch solch demokratischer Schnickschnack muss den Herrn am Hofe zu Brüssel ja nicht stören. Man kann ja die Punkte, die im Abkommen geregelt waren, auch nach und nach einfach so in Kraft setzen. Wie beispielsweise die Visafreiheit für Ukrainer. Das Beschlussverfahren dazu soll noch im April in Gang gesetzt werden, kündigte Juncker an. Sollen sich die nervenden und dauernd falsch abstimmenden Niederländer doch darüber ärgern. Es könne zwar so aussehen, als ob die Kommission die Entscheidung der Niederländer ignoriere, sagte ein EU-Insider der Nachrichtenagentur Reuters: "Aber wir müssen unser Wort gegenüber der Ukraine halten, die die Bedingungen dafür erfüllt hat."

Von oben herab auf die Niederländer

Nun kann „unser Wort“ eigentlich nicht der Assoziierungsvertrag sein, denn solange der noch nicht von allen ratifiziert ist, ist der ja auch nicht bindend. Also ist „unser Wort“ das der EU-Kommission? Immerhin kann sie die Visafreiheit, wie auch andere Einzelbestimmungen des in Holland abgewählten Vertrages nach und nach in Kraft setzen und braucht dazu nur eine qualifizierte Mehrheit der EU-Mitglieder und vom EU-Parlament. Einstimmigkeit ist nicht mehr nötig. Da können die Holländer machen, was sie wollen.

Nun ist Visafreiheit eigentlich eine feine Sache, aber nach einem solchen Stimmergebnis muss diese Ankündigung doch wirken wie ein: „Ätsch! Egal wie ihr abstimmt, gemacht wird, was wir sagen“. Gut, werden Sie jetzt fragen, wo bleibt nun das Absurde? Dass man sich in EU-Chefetagen über Voten des Pöbels hinwegsetzt, ist vielleicht nicht schön, aber doch auch nicht neu.

Absurd wird Junckers Ankündigung der Visafreiheit für die Ukraine aber durch die zeitgleiche Drohung der EU-Kommission mit der Visumpflicht für die USA und Kanada. Man kann es nicht recht glauben. Während Ukrainer visafrei kommen sollen, will man künftig von den Nordamerikanern wieder Visa verlangen? Warum?

Ganz einfach. Die dortigen Regierungen nehmen die EU nicht ernst genug. Die USA und Kanada behalten sich doch tatsächlich das Recht vor, selbst zu entscheiden, ob sie die Bürger eines Staates visafrei einreisen lassen oder nicht. Selbst dann, wenn ein Land in die EU aufgenommen wurde. Die ignoranten Amerikaner hören beispielsweise einfach nicht auf, von Rumänen und Bulgaren Visa zu verlangen, obwohl deren Staaten doch in den erlauchten Brüsseler Club aufgenommen wurden und deshalb - aus Brüsseler Sicht - auch automatisch visafrei nach Nordamerika gelassen werden müssten. Das verlangt nach Sanktionen.

Die Nordamerikaner  sind nicht die Niederländer

Visumspflicht für Amerikaner bei gleichzeitiger Visafreiheit für Ukrainer - das ist doch jetzt absurd genug, oder? Damit wir uns nicht falsch verstehen: Es ist schön, wenn die Ukrainer visafrei reisen können, aber dass eine EU-Kommission ernsthaft diskutiert,  von Kanadiern und US-Bürgern wieder ein Visum zu verlangen, konnte ich beim Lesen dieser Nachricht eigentlich kaum glauben, obwohl ich unseren Berufseuropäern beinah jede Torheit zutraue.

Vielleicht sollte ich mich etwas beruhigen. Es ist es ja zunächst nur eine kleine Drohung und selbst wenn ein Verfahren zur Aussetzung der Visafreiheit i Gag gesetzt wird, kann man das im Brüsseler Apparat  so gut im Sande verlaufen lassen, dass es vollkommen vergessen wird. Aber dass solche Maßnahmen für den EU-Apparat überhaupt Gesprächsthema sind, ist dennoch bemerkenswert. Bis jetzt, so scheint es, blieb das glücklicherweise von der Öffentlichkeit unbemerkt. Derzeit haben es scheinbar nur die Kollegen der österreichischen Nachrichtenagentur APA für berichtenswert gehalten. Das ist vielleicht auch besser so, denn den britischen EU-Freunden wären solche Nachrichten beim anstehenden Brexit-Referendum sicher gar nicht hilfreich.

Zuerst erschienen auf: http://sichtplatz.de/?p=5748

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Andreas Rochow / 12.04.2016

Mich hat das Brüsseler Gerede über die Wiedereinführung der Visumspflicht für US-Amerikaner nicht überrascht, ist es doch ein weiteres Indiz für den sich immer wieder aufdrängenden Eindruck, dass es sich beim vereinigten Europa um ein beunruhigend antiamerikanisches Projekt handelt.

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