Manchmal kann sogar die berüchtigte EU-Bürokratie ein spannendes Stück Lektüre schreiben. So wie den Beschluss des Rates vom 28. Juni 2007 »zur Durchführung von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfungdes Terrorismus« (usw.) – kurz: die europäische Terrorliste, veröffentlicht im Amtsblatt der EU. Sie verzeichnet 35 Personen und 30 Organistaionen, deren Vermögen im Zuge des Anti-Terrorkampfs eingefroren wird.
Das Blättchen ist gut gemeint, aber reich an Skurrilitäten. Unterschrieben hat es »S. Gabriel«. Damit ist wirklich Sigmar Gabriel gemeint, der deutsche Umweltminister, denn für die Liste sind die EU-Umweltminister zuständig. Ist der Rauch von Autobomben derart schädlich?
Erstaunlich auch dies: »Der Rat hat – soweit dies praktisch möglich war – allen einzelnen betroffenen Personen, Vereinigungenund Körperschaften eine Begründung zukommen lassen, in der er jeweils darlegt, warum sie in den Beschlüssen 2006/379/EG und 2006/1008/EG aufgeführt sind.« Die EU teilt Terroristen schriftlich mit, dass sie sie als Terroristen einstuft – und warum. Bei Nr. 14 auf der Personenliste dürfte das leicht gewesen sein: Mohammed Bujeri, der Mörder von Theo van Gogh, sitzt in Holland in Haft. Aber wer hat sich in der Hamas-Poststelle des Schreibens angenommen? Haben die Tamiltiger geantwortet? Wie wiele Briefe sind mit dem Hinweis »Unbekannt verzogen« zurückgekommen? Warum frieren die EU-Umweltminister die Konten von Hamas und Al-Aksa-Brigaden ein, während manche Außenminister ihnen Geld überweisen wollen?
All das steht nicht im Amtsblatt. Außerdem fehlt etwas zwischen Nr. 10 (Hamas) und 12 (Hofstadgroep). Position 11 gibt es zwar, aber da steht: »Hisbollah-Mudschaheddin (HM)«. Das ist eine Islamistentruppe im Kaschmir, nicht zu verwechseln mit der Hisbollah, einer Islamistengruppe aus dem Libanon. Letztere ist nicht auf der Liste. Angeblich hat Frankreich sein Veto eingelegt, andere Staaten sollen sich um die UN-Truppen im Libanon gesorgt haben. Manchmal sagen gerade die Wörter am meisten, die eine Akte nicht enthält.
(gekürzt erschienen in der Jüdischen Allgemeinen vom 5. Juli 2007)