Julia Klöckner ist eine kluge Strategin. Sie hat den Internationalen Weltfrauentag dazu genutzt, für die CDU eine weitreichende Positionierung vorzunehmen. Aus Sicht der stellvertretenden CDU-Vorsitzenden ist es an der Zeit, dass Deutschland ein weibliches Staatsoberhaupt bekommt. Wörtlich lässt sie vermelden: „Dass es in all den Jahren noch keine Frau als Bundespräsidentin in Deutschland gegeben hat, finde ich befremdlich. Es wird Zeit für ein Stück Normalität auch im höchsten Amt.” Auf der Liste der Bundespräsidenten stehen seit der ersten Wahl 1949 tatsächlich zwölf Männer und noch keine Frau.
Das Argument ist also stark, und aus der Führung der CDU hört man allgemeine Zustimmung, denn damit wird geschickt klargestellt, dass man keine Wiederwahl des SPD-Manns Frank-Walter Steinmeier wolle. Mit der Forderung nach einer Frau muss Steinmeier nicht einmal kritisiert werden, es müsse halt nur endlich eine Frau ins Amt. Da die CDU in der Bundesversammlung ihre Position gegenüber der SPD relativ verbessert hat (und mit den anstehenden Wahlen sehr wahrscheinlich weiter verbessern wird), dürfte der nächste Bundespräsident damit aus den Reihen der Union kommen.
Zum anderen macht Klöckner auch eine Tür für ihre eigene Karriere auf. Denn beim Blick auf das Spitzenpersonal von CDU-Politikerinnen gibt es nur drei ernsthafte Optionen für das Amt einer Bundespräsidentin. An erster Stelle steht Ursula von der Leyen. Sie gilt allenthalben als präsidiabel, in hohen politischen Ämtern erfahren, trittsicher auf internationalem Parkett und mittig-integrativ in ihrer politischen Positionierung.
Allerdings hat sie einen Skandal am Bein. Die Berater-Affäre in ihrem Ministerium könnte Ursula von der Leyen noch alle Karrierepläne zerschlagen. Sie kämpft derzeit um ihr eigenes Amt; ob sie nach dem Bundespräsidentenamt überhaupt noch greifen kann, ist derzeit eher ungewiss. Vielleicht rettet sich von der Leyen auch ins Amt der Nato-Generalsekretärin, das wird bereits im kommenden Jahr besetzt, und sie gilt als eine Favoritin im internationalen Bewerberkreis. Für das Amt der ersten deutschen Bundespräsidentin wäre sie auch in diesem Fall aus dem Rennen.
„Jungfrau von Orleans aus Bad Kreuznach”
Damit ist für die CDU Julia Klöckner die nächste denkbare Kandidatin. Klöckner ist eine Spitzenpolitikerin mit hohen Beliebtheitswerten über die CDU hinaus. Ihre Konzilianz und ihre pfälzische Frohnatur hat selbst der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann hoch gelobt, als sie jüngst beim Aachener Karneval als seine Nachfolgerin den „Orden wider den tierischen Ernst” erhalten hat. Kretschmann beschrieb sie als „Jungfrau von Orleans aus Bad Kreuznach”: „Stark, mutig und unkonventionell” sei sie. Und Humor habe sie ohnehin – was übrigens für jeden gelte, der in die CDU einträte.
Stimmen von Grünen und Liberalen könnte Klöckner bei einer Bundespräsidentinnenwahl im zweiten Wahlgang erhoffen. Sie gilt jedenfalls als geländegängig – auch in der Suche nach Bündnispartnern. Und sie besetzt das Thema „Frau und Emanzipation” offensiv, so auch in der Kulturkampf-Debatte um Verschleierung von muslimischen Frauen. Damit beweist sie zugleich, auch gesellschaftliche Debatten offensiv führen zu können. Sollte ihr das Amt der Bundespräsidentin eines Tages angetragen werden, hätte sie die Tür dafür selber aufgeschlagen.
Es gibt aber eine dritte Option für die Union, und die heißt Ilse Aigner. Aigner hat eine langjährige Reputation als verlässliche Spitzenpolitikerin, Bundes- wie Landesministerin. Sie ist seit wenigen Monaten Präsidentin des Bayerischen Landtages und damit so etwas wie die gefühlte Bundespräsidentin der Bayern. Sie trainiert gewissermaßen schon. Aigner hat sich aus den Kabalen und Machtkämpfen der CSU in den vergangenen Jahren bewusst herausgehalten. Sie hat den Männern die miesen Spiele überlassen und im entscheidenden Moment sogar auf den Zugriff auf das Amt der Ministerpräsidentin oder CSU-Vorsitzenden verzichtet.
Machtpolitiker alten Schlags hielten Aigner darum für zu weich, die Mehrheit der Bevölkerung hielt sie hingegen für zu anständig. Das könnte ihr nun helfen. Aigner ist in ihrem ganzen Naturell präsidial und ausgleichend. Auch in der CDU halten viele sie für eine denkbare Kandidatin. Ihr Nachteil ist freilich ihre CSU-Mitgliedschaft, die in der Bundesversammlung Mehrheitsfindungen erschweren könnte.
Andererseits wäre Ilse Aigner nicht nur die erste Frau im Schloss Bellevue sondern auch die erste CSU-Vertretung im höchsten Amt. Der CSU ist zuzutrauen, dass sie diese Personalie bei den nächsten Koalitionsverhandlungen als eine offensive Forderung einbringt. Und da es nur zwei ernsthafte Alternativen gibt, könnte Aigner es am Ende doch werden.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf „The European“.