Wolfram Weimer / 14.03.2019 / 10:00 / Foto: Reto Klar / 64 / Seite ausdrucken

Die erste Bundespräsidentin

Julia Klöckner ist eine kluge Strategin. Sie hat den Internationalen Weltfrauentag dazu genutzt, für die CDU eine weitreichende Positionierung vorzunehmen. Aus Sicht der stellvertretenden CDU-Vorsitzenden ist es an der Zeit, dass Deutschland ein weibliches Staatsoberhaupt bekommt. Wörtlich lässt sie vermelden: „Dass es in all den Jahren noch keine Frau als Bundespräsidentin in Deutschland gegeben hat, finde ich befremdlich. Es wird Zeit für ein Stück Normalität auch im höchsten Amt.” Auf der Liste der Bundespräsidenten stehen seit der ersten Wahl 1949 tatsächlich zwölf Männer und noch keine Frau.

Das Argument ist also stark, und aus der Führung der CDU hört man allgemeine Zustimmung, denn damit wird geschickt klargestellt, dass man keine Wiederwahl des SPD-Manns Frank-Walter Steinmeier wolle. Mit der Forderung nach einer Frau muss Steinmeier nicht einmal kritisiert werden, es müsse halt nur endlich eine Frau ins Amt. Da die CDU in der Bundesversammlung ihre Position gegenüber der SPD relativ verbessert hat (und mit den anstehenden Wahlen sehr wahrscheinlich weiter verbessern wird), dürfte der nächste Bundespräsident damit aus den Reihen der Union kommen.

Zum anderen macht Klöckner auch eine Tür für ihre eigene Karriere auf. Denn beim Blick auf das Spitzenpersonal von CDU-Politikerinnen gibt es nur drei ernsthafte Optionen für das Amt einer Bundespräsidentin. An erster Stelle steht Ursula von der Leyen. Sie gilt allenthalben als präsidiabel, in hohen politischen Ämtern erfahren, trittsicher auf internationalem Parkett und mittig-integrativ in ihrer politischen Positionierung.

Allerdings hat sie einen Skandal am Bein. Die Berater-Affäre in ihrem Ministerium könnte Ursula von der Leyen noch alle Karrierepläne zerschlagen. Sie kämpft derzeit um ihr eigenes Amt; ob sie nach dem Bundespräsidentenamt überhaupt noch greifen kann, ist derzeit eher ungewiss. Vielleicht rettet sich von der Leyen auch ins Amt der Nato-Generalsekretärin, das wird bereits im kommenden Jahr besetzt, und sie gilt als eine Favoritin im internationalen Bewerberkreis. Für das Amt der ersten deutschen Bundespräsidentin wäre sie auch in diesem Fall aus dem Rennen.

„Jungfrau von Orleans aus Bad Kreuznach”

Damit ist für die CDU Julia Klöckner die nächste denkbare Kandidatin. Klöckner ist eine Spitzenpolitikerin mit hohen Beliebtheitswerten über die CDU hinaus. Ihre Konzilianz und ihre pfälzische Frohnatur hat selbst der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann hoch gelobt, als sie jüngst beim Aachener Karneval als seine Nachfolgerin den „Orden wider den tierischen Ernst” erhalten hat. Kretschmann beschrieb sie als „Jungfrau von Orleans aus Bad Kreuznach”: „Stark, mutig und unkonventionell” sei sie. Und Humor habe sie ohnehin – was übrigens für jeden gelte, der in die CDU einträte.

Stimmen von Grünen und Liberalen könnte Klöckner bei einer Bundespräsidentinnenwahl im zweiten Wahlgang erhoffen. Sie gilt jedenfalls als geländegängig – auch in der Suche nach Bündnispartnern. Und sie besetzt das Thema „Frau und Emanzipation” offensiv, so auch in der Kulturkampf-Debatte um Verschleierung von muslimischen Frauen. Damit beweist sie zugleich, auch gesellschaftliche Debatten offensiv führen zu können. Sollte ihr das Amt der Bundespräsidentin eines Tages angetragen werden, hätte sie die Tür dafür selber aufgeschlagen.

Es gibt aber eine dritte Option für die Union, und die heißt Ilse Aigner. Aigner hat eine langjährige Reputation als verlässliche Spitzenpolitikerin, Bundes- wie Landesministerin. Sie ist seit wenigen Monaten Präsidentin des Bayerischen Landtages und damit so etwas wie die gefühlte Bundespräsidentin der Bayern. Sie trainiert gewissermaßen schon. Aigner hat sich aus den Kabalen und Machtkämpfen der CSU in den vergangenen Jahren bewusst herausgehalten. Sie hat den Männern die miesen Spiele überlassen und im entscheidenden Moment sogar auf den Zugriff auf das Amt der Ministerpräsidentin oder CSU-Vorsitzenden verzichtet.

Machtpolitiker alten Schlags hielten Aigner darum für zu weich, die Mehrheit der Bevölkerung hielt sie hingegen für zu anständig. Das könnte ihr nun helfen. Aigner ist in ihrem ganzen Naturell präsidial und ausgleichend. Auch in der CDU halten viele sie für eine denkbare Kandidatin. Ihr Nachteil ist freilich ihre CSU-Mitgliedschaft, die in der Bundesversammlung Mehrheitsfindungen erschweren könnte.

Andererseits wäre Ilse Aigner nicht nur die erste Frau im Schloss Bellevue sondern auch die erste CSU-Vertretung im höchsten Amt. Der CSU ist zuzutrauen, dass sie diese Personalie bei den nächsten Koalitionsverhandlungen als eine offensive Forderung einbringt. Und da es nur zwei ernsthafte Alternativen gibt, könnte Aigner es am Ende doch werden.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf  „The European“.

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Leserpost

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Martin Stumpp / 14.03.2019

Es ist weitgehend irrelevant wer im Schloss Bellevue sitzt. Politisch völlig unbedeutend und ohne irgendeine Legitimation ist der BP nichts anderes als das großzügigste Versorgungspöstchen das unser System zu bieten hat. Allerdings blamieren kann der BP das Land, das hat Steinmeier bereits mehrfach unter Beweis gestellt. Not my President!

Matthias Böhnki / 14.03.2019

Da man im Amt des Bundespräsidenten keinen großen Schaden anrichten kann, wäre diese Position für Frau von der Leyen am ehesten geschaffen. Die anderen beiden würde ich lieber auch zukünftig in der aktiven Politik sehen, Frau Klöckner mit dem Zeug zu ganz Großem, die Ilse doch noch als bayrische MP, nachdem Söder sich selbst zerlegt hat.

Burkhard Mundt / 14.03.2019

Claudia Roth for President (w). Kopftuch trägt sie schon.

Friedhelm Wegener / 14.03.2019

Die CDU wird ihre Position gegenüber der SPD nicht verbessern! Treffender wäre die Aussage, die SPD wird ihre Position gegenüber der CDU verschlechtern…

Claudius Pappe / 14.03.2019

Alle Macht den Frauen ? Greta wäre mein Vorschlag. Das Wahlalter wird sowieso herabgesetzt und mit der Einbürgerung bekommen unsere Damen das schon hin. Wir haben ja schon sehr gute Erfahrungen mit Politikern gemacht, und machen sie immer noch, die hier nicht geboren bzw. sozialisiert wurden. Ein irres Land mit irren Frauen und irren Wählern. Grüß-August war dann einmal, Winke-Ursel, Smilie-Claudia, Welcome-Katharina, Blink-Blink-Annalena. …...…………………......……...…….Broder for Präsident……………...…......Waltraut Höhler for Präsident*in

Wilfried Cremer / 14.03.2019

Frau Klöckner scheidet aus, sie will nicht, hat noch keine weißen Haare und ist scharf auf ein Ministeramt. Frau v. d. Leyen wirkt doch etwas de- und ausrangiert auf ihrem Himmelfahrtskommando, das wird nichts mehr mit der. Also Ilse keiner willse? Dann kam der Koch (Altmeier) und nahm sie doch bzw. drückt sie durch.

Detlef Dechant / 14.03.2019

Genau diese Forderung macht deutlich, wie verlogen die ganze Diskussion um Frauen in politischen Funktionen ist. Es gab mehrmals herausragend qualifizierte Kanditatinnen für das Amtdes Bundespräsidenten. Genannt seien hier Hildegard Hamm-Brücher und Gesine Schwan. Gerade bei letzterer wäre es problemlos möglich gewesen, diese in dieses Amt zu wählen, wenn die Frauen der Bundeswahlversammlung das gewollt hätten! Aber sie haben gekniffen und sich der Parteidirektive untergeordnet! Dabei hätte es keiner Quote bedurft, nur eigener Courage! Deshalb sind diese Forderungen, wie sie jetzt auch von Klöckner gemacht werde,n reiner Populismus, um Wählerstimmen zu ergattern und im Medienmainstream der Gutmenschen eine positive Resonanz zu bekommen. Welche Verlogenheit!!

Bert Keller / 14.03.2019

Ich sags mal so: Eine Frau als Bundespräsidentin kann jedenfalls wesentlich weniger Schaden anrichten als eine Weitere als Regierungschefin (siehe Merkel, May etc.). Und da das höchste Staatsamt ja im Proporzverfahren ermittelt und also nicht demokratisch legitimiert ist hat der Wähler dann ausnahmsweise auch keine Schuld dran.

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