Vera Lengsfeld / 18.05.2022 / 07:15 / Foto: Pixabay / 145 / Seite ausdrucken

Die Ergebnisse einer Wahlverweigerung

Eine Partei, die Stimmen verliert, bekommt dennoch ein besseres Wahlergebnis und feiert sich als Sieger. Mehr erreichen Nichtwähler leider nicht, aber der Blick in die absoluten Zahlen ist immerhin interessant.

Nach der Landtagswahl in NRW gab es viel Getöse. Die CDU feierte ihren Sieg so ungehemmt, dass das Ordnungsamt einschreiten musste. Die SPD erklärte sich trotz erheblicher Verluste bereit, in die Regierung einzutreten, die Grünen reklamierten für sich die Rolle als eigentliche Entscheider, die CDU und SPD den Daumen zeigen werden.

Im diesem Getöse ging unter, dass die Nichtwähler die stärkste Kraft in NRW sind. Als der Deutschlandfunk dazu am Dienstagmorgen die Analyse eines Experten senden wollte, wählten die Verantwortlichen ausgerechnet Prof. Butterwegge aus Köln, dessen Frau Carolin als Spitzenkandidatin der Linken ein historisches Tiefstergebnis eingefahren hatte. Das heißt, niemand interessiert sich für die Nichtwähler.

Wenn nur zwei Stimmen abgegeben würden, würden die beiden gewählten Parteien jeweils 50 Prozent für sich reklamieren und sich streiten, wer den Regierungschef stellen darf. Wer nicht wählt, tritt seine Stimme in die Tonne.

Nichtwählen wäre nur dann eine Option, wenn die Sitze im Parlament nur dann zu 100 Prozent besetzt würden, wenn 100 Prozent der Wahlberechtigten abstimmten, die tatsächlich errungenen Sitze also anhand der Wahlbeteiligung errechnet würden. Nur dann würden die Parteien wirklich kämpfen müssen.

Wie gravierend die Wahlenthaltung das Ergebnis verzerrt, zeigt ein Blick auf die absoluten Stimmen. Aus dieser Tabelle geht hervor, dass der strahlende Wahlsieger CDU an absoluten Stimmen verloren hat. Hat die Partei 2017 noch 2.796.683 Wähler überzeugen können, ihre Zweitstimme der CDU zu geben, waren es 2022 nur noch 2.552.337. Selbst wenn man in Betracht zieht, dass es 2022 rund 200.000 Wahlberechtigte weniger gab als 2017 und dies alles CDU-Wähler wären, bleibt ein Stimmenverlust. Auch bei den Erststimmen verlor die CDU rund 60.000 Stimmen.

Man darf sicher sein, dass dies bei der Wahlanalyse, sollte sie überhaupt stattfinden, keine Rolle spielt. Stattdessen wird Ministerpräsident Wüst als der kommende starke Mann in der CDU gefeiert, der Friedrich Merz die Kanzlerkandidatur streitig machen könnte. Die „Parteistrategen“ sehen sich wieder im Aufwind, obwohl es keine nennenswerte Neuausrichtung gegeben hat.

Im Gegensatz zur CDU haben die Grünen an absoluten Stimmen gewonnen. Insgesamt konnten sie knapp 10 Prozent der Wahlberechtigten von sich überzeugen, leiten daraus aber einen Machtanspruch ab. Die ehemaligen Volksparteien CDU und SPD müssen hilflos erdulden, wie die Grünen sie vor sich hertreiben, um möglichst viele grüne „Inhalte“ durchzusetzen. Diese Inhalte sind eine klare Minderheitenposition, die aber mit Macht durchgesetzt werden. Das ist möglich, weil eben immer mehr Bürger auf ihre Mitbestimmung verzichten.

Nichtwählen ist keine Alternative, sondern eine Stütze des Parteienkartells, das von den Nichtwählern aus guten Gründen abgelehnt wird. Leider wird sich diese Botschaft kaum durchsetzen. 

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Sara Stern / 18.05.2022

Es verwundert, dass der migrantische Block politisch so passiv ist. Vermutlich ist Politikverdrossenheit auch ein kluturelles Phänomen, dass man nicht so einfach ablegt. Wer die muslimwählerbasis erschließt hat angesichts der Wahlbeteiligung gute Chancen auf die Macht. Selbst aus Sicht der Muslime dürfte es sinnvoll sein eine politische Vertretung ins Rennen zu schicken…vermutlich können die Clans ihre Fehden nicht sein lassen, weswegen sie sich mit Stadtvierteln begnügen müssen.

D. Schmidt / 18.05.2022

Nur ein Gedanke. Die Nichtwähler müssten so einberechnet werden wie die Wähler, auch bei der Vergabe von Sitzen (Parlament/Bundestag wie auch immer). Anstatt dann nun ein Abgeordneter einer Partei die gewählt wurde auf dem Stuhl sitzt, sitzt dann nun eben niemand auf dem Stuhl. Der Nichtwähler wählte den leeren Stuhl. Bei der Bundestagswahl’21 gab es angeblich 23,4% Nichtwähler. Stellen wir uns also den Block Nichtwähler bei der Sitzverteilung von 23,4% vor. Leere Stühle. Da bei Abstimmungen, Gesetzen etc. immer eine gewisse Mehrheit an Stimmen erreicht werden muss, um beschlussfähig zu werden, würden immer 23,4% der Stimmen fehlen. Also quasi Enthaltungen, wenn man so will. Wenn man von 100% ausgeht und die 23.4% mitberücksichtigt, wäre schon so manches Gesetz nicht auf den Weg gebracht worden, mangels “wirklicher” Mehrheit. Abgesehen davon hätte sich der Steuerzahler auch 23,4% Personalkosten gespart. Ein leerer Stuhl kostet nicht viel. Weiß jetzt nicht ob jemand versteht wie ich das meine?

Karsten Dörre / 18.05.2022

Schaut man sich die Geschichte von Revolutionen und politischer Wahlen an, entschieden immer Minderheiten die Politik. Einzig marginale Wahlen zu nichtpolitischen Wegweisungen, wie z.B. zu Staatsunabhäbhängigkeit oder Ausrufung von einfachen Idealen, wie z.B. alle Menschen seien gleich vor dem Gesetz oder alle haben ein Recht auf eine warme Mahlzeit pro Tag entscheiden Mehrheiten. Man kann Wahlberechtigten nicht unterstellen, diese hätten politische Ahnung und Weitsicht zu wissen, was sie wählen oder nicht tun. Es bleibt immer ein Risiko auf Irrtum, egal wie weise man sich hält. Es kann ja sein, dass ich irre und der Wind in den nächsten Jahren so zunimmt, dass sämtliche Wasserkraftwerke, Solaranlagen und Biomüllverbrennungsanlagen die Energie liefern, die ca. acht Milliarden Menschen brauchen, um nicht wegen Mangelwirtschaft in endzeitliche Verteilungskriege zu geraten.

Reab Bima / 18.05.2022

“Die ehemaligen Volksparteien CDU und SPD müssen hilflos erdulden, wie die Grünen sie vor sich hertreiben, um möglichst viele grüne Inhalte durchzusetzen.” Das ist natürlich Quatsch. Die “ehemaligen Volksparteien” machen dabei ganz freiwillig und fleißig mit, die grünen Inhalte durchzusetzen. Sie sind Bestandteil des linksgrünen Parteienkomplexes, da die meisten ihrer Politiker ebenfalls linksgrün sind. Ich verstehe Frau Lengsfeld manchmal nicht, vor allem nicht, wie man vor dem so Offensichtlichen die Augen verschließen kann.

Richard Kaufmann / 18.05.2022

Liebe Frau Lengsfeld, Merkel hat dieses Land so versaut, dass es wurscht geworden ist, wen man wählt. Und grün ist für jene, unter der Schädeldecke viel Luft haben, die beste Alternative.

André Dreilich / 18.05.2022

Wäre es politisch gewollt, würden die jeweiligen Statistischen Landesämter noch eine ganz andere Analyse beisteuern, nämlich die der magischen Stimmenwanderung in einer Reihe von Briefwahllokalen. Ich habe mir das bei der vergangenen Bundestagswahl im Freistaat Sachsen anhand des offiziellen Wahlergebnisses für ausgewählte, hinsichtlich demographischer und ökonomischer Faktoren vergleichbarer Kommunen stichprobenartig angeschaut und mehr als nur verwundert den Kopf geschüttelt. So kann es passieren, dass in Beispielkommune 1 Partei A (deren Name nicht genannt werden darf) in den Präsenzwahllokalen um 5 Punkte vor Partei B liegt, in den drei Briefwahllokalen der Kommune aber um 5 Punkte dahinter. In Kommune 2 liegt Partei A in beiden Arten von Wahllokalen zehn Punkte vor B. In Kommune 3 hingegen klappt die magische Stimmenwanderung nur in einem Briefwahllokal. Wäre ich ein bezahlter sächsischer Wahlstatistiker, würde ich die ganz und gar nicht barrierefreie Exceltabelle mit dem amtlichen Endergebnis nach solcherart Anomalien durchforsten. Ok, dann wäre ich vermutlich die längste Zeit ein bezahlter sächsischer Wahlstatistiker gewesen ... So bleibt mir nur der Glaube an schwarze Magie, so ähnlich wie bei Harry Potter und der Feuerkelch.

j. heini / 18.05.2022

Ohne zu wissen, warum so viele Wähler nicht zur Urne gegangen sind, ist es in meinen Augen müßig, so einen Artikel zu schreiben. Ohne Zweifel haben Sie, Frau Lengsfeld, vom Prinzip her recht. Die Theorie unterstellt aber, dass das Ergebnis anders ausgesehen hätte, wären mehr Wähler zur Urne gegangen. Was aber, wenn es so viele Nichtwähler gibt, weil sie jedes Wahlergebnis voll unterstützen? Wenn die Stimmverteilung der Nichtwähler einfach nur die der Wähler fortgesetzt hätte? Gibt es Erkenntnisse zu den Gründen der Nichtwähler, auf die man sich verlassen kann? Für mich lautet das Fazit nicht, Verpflichtung zur Wahl. Und ich glaube auch nicht an das Fazit, Wahl abschaffen und durch irgendwelche Internetauswertungen zu ersetzen. Denn dann könnten die Parteien heute bereits dem Konsumenten freie Hand lassen. Was sie tunlichst unterbinden. Da Nichtwähler sowohl Zustimmung als auch Ablehnung ausgedrückt haben können, lautet mein Fazit: Ohne Erkenntnisse, keine Lösung.  

Michael G. Ott / 18.05.2022

Es gibt (wahrscheinlich) nur eine sinnvolle Lösung, um das Parteienkartell aufzulösen: Die Gesellschaft muss sich darauf einigen, dass Abgeordnete für maximal 2 X 4 Jahre gewählt werden dürfen. Dann kann sich eine systemische Dynamik entfalten, die das planvolle Festsetzen von Dauerpolitikern verhindern. Das reicht aber nicht. Zudem muss dieser Basisbaustein für eine dem Bürger dienende Demokratie mit dem 100%igen Verbot des Lobbyismus abgesichert werden. Ich würde mir überdies wünschen, dass wir das Niveau der Abgeordneten dadurch erhöhen, dass zur Kandidatur nur solche Bewerber zugelassen werden, die einen gewissen Grad an formalisierter Bildungskarriere vorweisen können. Die Auswahl der Kandidaten sollten im Rahmen sogenannter Assessments stattfinden, die angemessen und rechtzeitig vor jeder Wahl angesetzt werden. Das alles ist nicht einfach, aber vielleicht die einzige und letzte Möglichkeit, um die mitunter erschreckend inkompetente und fahrlässige Politik der immer gleichen “Eliten” massiv einzudämmen. Wenn wir nichts ändern, ist es bald Ende Gelände mit dem (demokratischen) “Glück”. Das Chaos kommt immer schnell und ohne Ankündigung! Vielleicht sollten sich die Wahlverweigerer als Form des besonderen Protests auf der Straße festkleben? Es werden aber nicht 40 % der Wahlbevölkerung sein. Viele von Ihnen hatten ein Grillwochenende, waren im Urlaub oder schon ausgewandert, ohne sich vorher abzumelden.

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