In den Siebzigern, nach 1968, waren die drei Affen von Benares groß in Mode. Jeder, der auf sich hielt, wusste von ihnen, eng aneinander gedrängt saßen sie da, der eine hielt sich die Ohren zu, der andere die Augen, der dritte schließlich den Mund. Kaum eine Studenten-WG, in der ihr Abbild nicht an der Wand hing oder aus Knete und Salzteig geformt auf der Fensterbank stand. Was es mit den Figuren auf sich hatte, mochte der Kuckuck wissen.
Irgendetwas mit Abwehr würde es schon zu tun haben. Das aus dem Japanischen stammende und auf Konfuzius zurückgehende Symbol, das sich ähnlich auch in der Bibel findet, besagt indessen, dass, wer in Frieden leben will, gut daran tut, das Böse und das Schlechte nicht zu sehen oder zu hören, geschweige denn zu kommentieren.
Doch wäre es sicher zu viel verlangt, würde man von den Fußballern erwarten, sie seien in der Lage, diese moralphilosophische Geschichte zu überblicken. Schließlich werden sie für das Bolzen, nicht für das Nachdenken bezahlt. So hielten sie sich aus Protest gegen die FIFA und Katar, die dem Kapitän der deutschen Elf das Tragen einer Armbinde mit der Aufschrift „One Love“ untersagten, vor dem Anpfiff zu ihrem ersten WM-Spiel die Hand vor den Mund. Mutig machten sie sich zu den elf Affen von Katar.
Geste der Unterwerfung
Der Emir und der FIFA-Chef Gianni Infantino mögen sich gemeinsam vor Freude auf die Schenkel geschlagen haben, da die Fußball-Helden mit ihrer symbolischen Geste genau das versprachen, was die Gastgeber und der Fußball-Diktator verlangten: kein kritisches Wort über die politischen Verhältnisse und die Missachtung der Menschenrechte in Katar zu verlieren. Die Geste des Protestes war eine unübertreffliche Geste der Unterwerfung: Wir sehen, hören und sagen nichts, solange nur der Ball rollt und die Kasse stimmt.
Wie immer die WM sportlich ausgehen mag, die Deutschen haben das spektakulärste Eigentor bereits geschossen, direkt am Außenpfosten vorbei. Ein Schuss, der nach hinten losging, ein Bekenntnis bedingungslosen Gehorsams. Dass sie dann ihr erstes, das Spiel gegen Japan, der Heimat der heiligen Affen, auch noch verloren, bleibt als Ironie der Geschichte zu vermerken. Elf Affen sind eben mehr als drei und moralisch einfach unschlagbar.
PS. Nur um der Kritik vorzubeugen, hier habe einer, der den Fußball für eine Sportart der weniger klugen Köpfe hält, die Gelegenheit genutzt, die Spieler als die Deppen anzuschwärzen, die sie mehrheitlich sind, soll nicht unerwähnt bleiben, wie die Medien hierzulande der Primaten-Aktion auf dem Rasen in Doha akklamierten, wenn sie etwa titelten: „DFB-Team protestiert gegen FIFA“ oder gar schrieben: „Deutschland setzt ein Zeichen“. Es war in der Tat ein Zeichen, ein wahrlich deutsches Zeichen der moralischen Angeberei und des Schwanz-Einkneifens zugleich.
Tucholsky hätte geschrieben, sie taten so, als ob sie etwas tun würden.