Dushan Wegner, Gastautor / 02.10.2022 / 11:00 / Foto: Pixabay / 17 / Seite ausdrucken

Die eingebildeten Gesunden

Es gibt ja nicht nur „eingebildete Kranke“. Es gibt auch „eingebildete Gesunde“, die ihre Probleme leugnen. Ach, es sind ja nicht nur einzelne Leute. Das können ganze Gesellschaften sein, die ihre Probleme nicht wahrhaben wollen – bis es zu spät ist.

Stell dir eine Straße vor, auf der jeder Zweite humpelt. Jeder Dritte kriecht auf allen Vieren, und jeder Fünfte bleibt gleich ganz in der Gosse liegen. Doch keiner gesteht sich, ein Problem zu haben. Keiner nutzt eine Krücke, keiner einen Rollstuhl. Käme ein Krankenwagen, würde man diesen mit Steinen bewerfen. Man würde die Retter mit Messern bedrohen (so man eine Hand frei hat, mit welcher man ein Messer halten kann), bis die Retter denken, sie hätten sich in die tolerant befreiten Zonen von Berlin verfahren. Würde man die Leute fragen, warum sie denn nichts gegen ihre Gebrechen unternehmen, dann täten sie schlimm beleidigt, und sie würden rufen: „Wir sind doch nicht krank! Uns fehlt nichts, und zu sagen, uns fehlte etwas, das ist eine Unverschämtheit!“

Eine Frage raubt mir den Schlaf. Die Nacht wird zum Morgen, und immerfort frage ich: Was ist das Gegenteil eines Hypochonders? (Nicht auszuschließen, dass ich eben übertrieben habe, wie sehr mir diese Frage angeblich zusetzt. Ein Hypochonder ist übrigens einer, der sich Leiden und Krankheiten einbildet, wo keine sind.) „Hypochondrie“, das klingt wie eine jener Mode-Krankheiten, die jeder Zweite „haben“ möchte, so wie Burn-Out oder neuerdings auch mal Autismus. Mein Haus, mein Boot, meine Hypochondrie. (Ich vermute allerdings: Jeder zweite Hypochonder tut nur so.) Das schöne griechische Wort „hypochondriakós“ bedeutet: „an den Eingeweiden leidend“. Früher meinte man ja, die Gefühle würden von den Gedärmen produziert. (Die emotionalen Auswürfe mancher Zeitgenossen legen das weiterhin nahe.)

Aber nein, ich leide keinesfalls groß daran, dass es zu viele Hypochonder gäbe. Im Gegenteil! Unser Problem ist nicht der Überfluss an Hypochondern – unser Problem ist die erschreckende Zahl an Mitbürgern, die ihre und unser aller Probleme nicht ernst genug nehmen! Wie können wir es nun nennen, das Gegenteil von Hypochondern? Ich probiere mal: die „eingebildeten Gesunden“.

Die Drogendealer, die den umherwankenden Zombie-Junkies von San Fransisco, Philadelphia und anderen „toleranten“ Städten ihre harten Drogen verkaufen, sind funktionale Kollegen jener Kräfte, die das Leugnen von Problemen zur Tugend erklärt haben. Seien wir ehrlich: Leute, wir haben Probleme! Ja, auch du. Dieses Problem, das du seit zu langer Zeit nicht angehen willst – wenn du es weiter ignorierst, wird es nicht geringer werden. Nur das Leugnen wird mehr und mehr deiner Kraft kosten, bis du für nichts anderes mehr Kraft übrig hast. Raff dich endlich auf und sieh deiner Realität ins Gesicht. Tu was, solange du noch etwas tun kannst. (Und wenn du nichts mehr daran tun kannst, dann tu etwas anderes.)

 

Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht. Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com 

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Leserpost

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Karin Wendorff / 02.10.2022

Wenn eine schwere Krankheit als eine Lappalie bewertet wird, spricht man von einer Anosodiaphorie. In der psychiatrisch/neurologischen Praxis unterscheidet man zwei Formen: Nichterkennenkönnen und Nichterkennenwollen. Ich würde da noch eine dritte Form erkennen, so als Nichtmediziner, nähmlich die des Nichterkennensollens….ganz nach gusto der Politeliten.

Bernhard Freiling / 02.10.2022

Der eingebildete Gesunde: “Deutschland geht es gut. Das ist ein Grund zur Freude”. Oder: “Deutschland ist ein reiches Land”. Oder auch: “Das beste Deutschland, das wir jemals hatten”. Vielleicht auch: “Wir haben kein Stromproblem, wir haben ein Gasproblem”. Und ganz gewiß: “Wir schaffen das”. (Packt ihr doch schon mal an). # Das Erschreckende scheint mir zu sein, daß insbesondere die politische Elite von dieser inversen Hypochondrie befallen ist. Wenn das mal nicht irgendwie krank ist.

Thomas Szabó / 02.10.2022

@ Horst Jungsbluth Ich wusste nicht dass es so schlimm ist. In dem Fall ersuche ich die Achse des Guten die Befürworter der Legalisierung harter Drogen konsequent beim Namen zu nennen und sie in aller Öffentlichkeit als Drogendealer zu bezeichnen. Natürlich sollte man dabei die tödliche Wirkung der Drogen ausführlich erklären.

Helmut Driesel / 02.10.2022

  Hypochonder leiden selbstverständlich an den Krankheiten, die sie sich einbilden. So wie der Wahnsinnige darunter leidet, dass ihn niemand versteht. Es sind Generationen von Migränekranken dem Diktat der Psychosomatik zum Opfer geworden. Wir als massenhafte Phänomene der Gegenwart stehen ja alle im Wettbewerb, der eine im Beruf, die andere im Hobby oder im Sport, der Dritte vielleicht nur im Wichtigtuen oder im diszipliniertem Aushalten der ganz privaten Miseren. Und das Kranksein ist ein Umstand, der uns hindert, in den für uns spezifischen Wettbewerben gut zu sein und Erfolg zu haben. Deshalb ist normalerweise keiner gerne krank. Auch wenn Krankheit sehr gut entschuldbar ist, bleibt doch immer etwas zurück. Vom häufig krank sein bis zum willensschwachen Gesellschaftsversager ist es nur ein kurzer Weg. Deswegen ist es gut und normal, sich primär als gesund zu empfinden, selbst dann, wenn es erste Gründe gibt, daran zu zweifeln. Sehen Sie, zum Zahnarzt geht man vorbeugend, soll man auch gehen. Nicht erst, wenn das Loch groß ist oder der Schmerz unerträglich. Es ist phänomenal gut für die Zähne, keine Bonbons oder Schokolade zu essen. Aber, Hand aufs Herz, wer würde sich deswegen als Hypochonder festnageln lassen? Gestern ist ein Brief von der Krankenkasse gekommen, ausdrücklich im Auftrag von Prof. Lauterbach. Leider stand nicht drin “Kopf hoch, mein Freund, wir lassen Dich nicht allein” und so. Es ging da nur ums Impfen, das so genannte.  Also man könnte es in dem Satz zusammenfassen: “Wir dürfen uns nicht leichtfertig gesund fühlen!” Früher hieß es “Vorbeugen ist besser als heilen”. Das alles kann man doch leicht auf eine als Organismus gedachte Gesellschaft übertragen. Es gibt tatsächlich Krankheiten, die kann man wählen.

Bruno Jenson / 02.10.2022

@ Georg Dobler:  Ich zittiere einfach aus Ihrem 1. und letzten Satz hintereinander:  “Ich habe nicht verstanden, was Herr Wegner genau sagen wollte. (...) ...nur wissen oder glauben es 80 bis 90 Prozent aller Menschen nicht, so wie vermutlich die Leser hier.”  Können Sie das reflektieren? Ich persönlich denke, es ist genau andersrum und dass es eine objektive Realität bzw. Wahrheit (und Gott) gibt, die übergeordnet und völlig unabhängig sind von unserer subjektiven fraktionierten Wahrnehmung. Es hat nichts mit Wunschdenken zu tun, sondern eher einer metaphysischen Ahnung. Wir sind die Projektion, nur wissen wir es oft nicht. Heißt wiederum auch nicht, dass wir keinen willentlichen Einfluss hätten auf das Geschehen, individuell und kollektiv. Der echte sich manifestierende Glaube hat nichts mit Einbildung zu tun, sondern ist eine von oben inspirierte Überzeugung von Tatsachen, die man (noch) nicht sieht.

Horst Jungsbluth / 02.10.2022

@Thomas Szabo: Die Berliner Grünen wollen auch harte Drogen bis hin zum Heroin freigeben und die “Justizsenatorin” von den Linken Kreck (der Name passt fast), die sich als Professesorin ausgab (auch das ist üblich in Berlin) unterstützt das auch.  So neu ist das allerdings auch nicht, da bereits 1991 die Familiensenatorin!!! für die Grünen Klein ebenfalls Heroin freigeben wollte. Die 68 er übrigens propagierten den Slogan “mit dem Joint in der Hand den Staat zerschlagen” und sind jetzt dabei das umzusetzen. Was die Medien auch so schamhaft verschweigen, ist die Tatsache, dass die Stasi ab 1971 einen Drogenhandel in Westberlin aufzog, um mit dem Erlös “ihre” Kräfte zu unterstützen. Der Erfolg war durchschlagend, denn bereits nach kurzer Zeit nahm das Drogenproblem erheblich zu, da die Dealer an Jugendclubs, Schulen und Diskotheken tätig waren. Es gab mehrere jugendliche Todesopfer, das Buch und der Film “Die Kinder vom Bahnhof Zoo” beleuchten das Ganze nur einseitig, da der Bahnhof Zoo wie alle S-Bahnhöfe damals in Westberlin unter DDR-Reichsbahnverwaltung standen und eine eigene Transportpolizei dafür sorgte, dass die Westberliner Polizei außen vor blieb. Ihr Wunsch, der sicherlich auch der Wunsch vieler ist, wird deshalb gar nicht in Erfüllung gehen können. Der Berliner Senat handelt genau wie Putin!

Peter Holschke / 02.10.2022

Eine Gesellschaft verfällt in Hypochondrie wegen Schnupfen, nachgewiesen mit einem Schwindeltest und der Herr Autor schreibt vom Problem der Krankheitsleugnung? Da fühle ich mich doch als “Corona-Leugner” doch gleich angesprochen. Für so ein Thema muss man zurück auf den Dampfer. Aber immerhin, haarscharf am eigentlichen Problem vorbei. Sollten wir allerding über Geisteskrankheiten reden, dann befindet sich das Kollektiv noch in der Leugnungsphase. Irre halten sich selten für irre, diese Trivialität muss man natürlich erstmal heraus stellen.

Michael Schweitzer / 02.10.2022

Herr Wegner,ich kann nur jedem empfehlen die Tagebücher von Friedrich Kellner:“Vernebelt,verdunkelt sind alle Hirne”, Tagebücher von 1939-1945 zu lesen.Diese zwei Bücher sorgen für Klarheit und Erkenntnis und zeigen wozu der Dummdeutsche der jede Lüge glaubt fähig ist.#ich habe mitgemacht#

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