Die „Natur“ wurde für den Menschen erst dann zu einem einigermaßen sicheren Ort, als er gelernt hatte, sich der von ihr ausgehenden Gefahren erfolgreich zu erwehren. Jetzt avanciert sie zur "Grundrechtsträgerin".
Ich liebe Tiere, schon immer. Ich besitze einen Hund, der mich ständig begleitet, kann an keiner Katze vorbeigehen, ohne sie zu streicheln, spreche mit Krähen auf der Straße und halte jeder Kuh auf der Weide ungefragt meine Hand vor die feuchte Schnauze. Sogar zu Spinnen, vor denen es mich früher ekelte, habe ich mittlerweile ein entspanntes, fast freundschaftliches Verhältnis entwickelt, wenn sie nicht gar zu groß sind. Aus meiner Kindheit stammt ein Ausspruch, den mein Vater immer gerne zitierte: „Alle Tiere sind lieb!“ Ein rührendes Zeugnis kindlicher Unbefangenheit und Naivität, wenn auch, leider, jenseits der Realität.
Jüngst verstarb die berühmte britische Primatenforscherin Jane Goodall. Sie war die erste Wissenschaftlerin, die sich unter eine wildlebende Schimpansenhorde mischte, um auf dem Weg teilnehmender Beobachtung das Sozialverhalten der Tiere zu studieren. Ein Foto, auf dem sie von einem Schimpansen geküsst wird, ist so ikonisch geworden wie Michelangelos Darstellung der sich berührenden Finger von Gottvater und Adam („Die Erschaffung Adams“) in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan.
Doch Goodall wurde auch Zeuge, wie sich verschiedene Gruppen von Schimpansen brutal bekriegten, wie eine Affenmutter das Jungtier eines rivalisierenden Weibchens tötete. Alle Tiere sind lieb? „Als ich in Gombe (der von ihr gegründeten Forschungsstation im heutigen Tansania) anfing“, schreibt sie, „glaubte ich, dass die Schimpansen netter sind als wir. Aber mit der Zeit stellte sich heraus, dass sie genauso schlimm sein können.“
Die grundlegenden Unterschiede von Mensch und Tier
Die Ambivalenz von Goodalls bahnbrechenden Erkenntnissen über das Leben unserer Mitgeschöpfe scheint heute mehr und mehr in Vergessenheit zu geraten und macht einer relativistischen Haltung Platz, die die grundlegenden Unterschiede von Mensch und Tier, aber auch von belebter und unbelebter Natur zu verwischen droht oder rundheraus leugnet. Es ist, als solle nach der schon fast beerdigten Aufklärung nun der gesamte zivilisatorische Prozess der Menschheitsgeschichte rückabgewickelt werden. Aus der Krone der Schöpfung wird ein Schädling, an dem die Welt zugrunde geht.
Das Verhältnis des modernen (Stadt)menschen zur Natur oder dem, was man sich darunter vorstellt, beginnt nachgerade pathologische Züge anzunehmen. Ein paar Beispiele:
Als der Nürnberger Zoo im Juli ankündigte, in seinem Gehege zwölf Paviane erschießen zu müssen, um das Problem einer Überpopulation in den Griff zu bekommen, brach ein bundesweiter Sturm der Entrüstung los. Aktivisten campierten vor dem Tiergarten und hielten Schilder mit der Aufschrift "Du sollst nicht töten – auch keine Tiere" in die Höhe, meist wohlwollend begleitet von der Medienmeute. Die wiederholten Rechtfertigungsversuche der Zooleitung verhallten weitgehend ungehört. Nach der Aktion wurde der Chef des Zoos mit Morddrohungen konfrontiert. Außerdem sind mehr als 100 Strafanzeigen gegen den Tiergarten anhängig.
Tierfreunde schaffen ein Problem, das sie bekämpfen wollen
Tierschutzorganisationen wie PETA, unterstützt von hunderttausenden Menschen, wenden sich mittlerweile dagegen, selbst Fruchtfliegen zu töten. „Obwohl Studien herausfanden, dass Fruchtfliegen genau wie wir Menschen auf körperliche Qualen wie Hitze oder Kälte reagieren, gibt es im Internet kaum Tipps dazu, die Insekten ohne immense Quälerei zu vertreiben oder ihnen vorzubeugen“, heißt es auf der Website der Organisation. Weiter unten gibt es Tipps zum Bau einer tierfreundlichen Fruchtfliegenfalle.
In München – und wohl auch in anderen Städten – hat sich eine radikale Szene illegaler Taubenschützer etabliert. Entgegen einem von der Stadt verhängten, mit hohen Strafen bewehrten Fütterungsverbot verteilen die Aktivisten in den Straßen und auf Plätzen Mais und andere Körner. Die Stadt ist sich sicher, dass gerade an Orten, wo regelmäßig illegal Futter ausgelegt wird, mittlerweile von einer regelrechten Taubenplage gesprochen werden könne. Die Tierfreunde schaffen damit ein Problem, das sie eigentlich bekämpfen wollen: Tauben könnten auch in der Stadt selbst ihre Nahrung finden, dafür weit fliegen und so in Form bleiben, schreibt die städtische Umweltbehörde. Müssten sie das nicht mehr tun, drohten Krankheiten und der Befall durch Parasiten.
Während die Haltung von Tieren in Zoos und in der Landwirtschaft mehr und mehr kriminalisiert wird, erfreuen sich sogenannte Gnadenhöfe bei naturfernen Städtern großer Beliebtheit. Alle voran „Gut Aiderbichl“ in Süddeutschland und Österreich. Hier dürfen unter anderem Zuchtschweine unbehelligt ihren Lebensabend verbringen, die nie dazu bestimmt waren, alt zu werden. Der Autor kann den Anblick eines solchen, unnatürlich großen Tieres bezeugen, dem man zudem einen künstlichen Darmausgang gelegt hatte, aus dem ständig Kot heraustropfte.
Jetzt soll das Rad zurück gedreht werden
Noch ein Wort zu Tiergärten: Natürlich war die Haltung etwa von Raubtieren – heute spricht man politisch korrekt von „Großbeutegreifern“ – in engen Gitterboxen tierquälerisch. Doch diese Zeiten sind zumindest hierzulande längst vorbei. Heute sind die Gehege oft so weiträumig, dass man die Tiere kaum noch zu Gesicht bekommt. Es ist im Übrigen eine Mär, dass etwa Löwen oder Tiger litten, wenn sie nicht hunderte von Quadratkilometern Auslauf haben. Wenn sie regelmäßig gefüttert werden, verzichten sie gerne auf lange Ausflüge. Auch in der freien Wildbahn ist ihre Hauptbeschäftigung: Schlafen. Das ist bei Hunden, die bekanntlich von Wölfen abstammen, wenig anders.
Auch Gevatter Isegrim ist alles andere als ein Schmusetier. Nicht nur betroffene Bauern fragen sich, wie tierfreundlich es ist, wenn ein Rudel Wölfe in einem Gatter mit Schafen oder Ziegen im Blutrausch ein regelrechtes Massaker anrichtet. Trotzdem wehren sich Tierschützer vehement gegen eine pragmatische Aufweichung des Artenschutzes und eine Regulierung der Bestände. Wölfe scheinen sich glücklicherweise von Menschen fernzuhalten, während eine Begegnung mit einem wild lebenden Bären auch in Mitteleuropa mancherorts wieder Lebensgefahr birgt.
Die „Natur“ wurde für den Menschen erst dann zu einem einigermaßen sicheren Ort, als er gelernt hatte, sich der von ihr ausgehenden Gefahren erfolgreich zu erwehren, seien es Übergriffe wilder Tiere, meteorologische und klimatische Phänomene oder Naturkatastrophen. Jetzt soll das Rad zurück gedreht werden mit Folgen, die in einer extrem dicht besiedelten Welt kaum absehbar sind.
Grundrechtsschutz für „nicht humane“ Entitäten
Parallel dazu etabliert sich eine Rechtsschule, die sich auf die Fahne geschrieben hat, der Natur Grundrechte zu verleihen, während die des Menschen unterminiert werden, so der prominente Rechtsanwalt Gerhard Strate im „Cicero“. Ganz vorneweg die designierte Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts Ann-Katrin Kaufhold mit ihren Vorstellungen zur „sozial-ökologischen Umgestaltung der Gesellschaft“ auf dem Weg des Richterrechts.
Kaufhold plädiert für eine Erweiterung des Grundrechtsschutzes auf „nicht humane“ Entitäten wie Tiere, aber auch Flüsse, Wälder oder Berge. Dies würde die Rolle von NGOs als Vertreter der Natur bei Umweltklagen stärken und zu einer „ökologischen Transformation des Grundgesetzes“ führen. Es wäre ein Paradigmenwechsel, denn bislang bringt das Grundgesetz in seinem Bekenntnis zur Würde des Menschen eine grundsätzlich anthropozentrische Weltsicht zum Ausdruck, die sich nicht zuletzt aus dessen christlicher Fundierung speist. Tiere sind „Mitgeschöpfe“. Der Mensch soll ihnen keine unnötigen Leiden zufügen, steht jedoch über ihnen.
Wie solch eine Werteverschiebung konkret aussehen kann, zeigt ein vergangenes Jahr ergangener Beschluss des Landgerichts Erfurt, in dem sich das Gericht seitenweise zu den Rechten „ökologischer Personen“ äußerte mit dem Ziel, „Dämme gegen die Selbstzerstörung des Menschen“ zu errichten. Das Gericht erkennt ein „einklagbares Recht der Natur“, dass ihre Existenz, ihr Erhalt und die Regenerierung ihre Lebenszyklen, Struktur, Funktionen und Entwicklungsprozesse geachtet und geschützt werden“ und beruft sich dabei unter anderem auf die EU-Grundrechtecharta.
Die Natur als Grundrechtsträgerin verletzt
In dem Verfahren ging es um die Klage eines Autobesitzers, der von einem Automobilhersteller Schadensersatz wegen einer unzulässigen Abschaltvorrichtung im System der Abgasreinigung verlangte. Auf Grundlage der Eigenrechtlichkeit der Natur erkannte das Landgericht auf einen erhöhten Schadensersatz. „Durch den Ausstoß von hochgradig umweltfeindlichen Stickoxiden in höherem Maße als zulässig, wird die Natur als Grundrechtsträgerin verletzt.“
Die Rechte der Natur, so das Landgericht Erfurt in seiner noch nicht rechtskräftigen Entscheidung, leisteten zudem einen Beitrag „zur intergenerationellen und intertemporalen Freiheitssicherung“, wie sie das Bundesverfassungsgericht in seinem berühmt-berüchtigten Klimabeschluss vom 24. März 2021 begründet hatte – inklusive der Möglichkeit gravierender Eingriffe in die Freiheitsrechte der Bürger – und zwar hier und heute. Die nicht zuletzt von Ann-Katrin Kaufhold angestrebte Etablierung einer Eigenrechtlichkeit „der Natur“ qua Richterrecht entmachtet den Menschen nicht nur als vernunftbegabtes Wesen, sondern auch in seiner Rolle als Wähler, indem die Entscheidungsmacht der von ihm bestimmten Parlamente mehr und mehr beschnitten wird.
Längst ist das selbstreferenzielle System aus teilweise vom Staat finanzierten NGOs, sendungsbewussten Politikern und Richtern und zunehmend gewaltbereiten Aktivisten so hermetisch, dass selbst ein Erdrutschsieg der Opposition an grundlegenden Weichenstellungen etwa in der Klimapolitik wenig ändern würde. Ob dies uns zumindest die Fruchtfliegen danken werden?
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.

Wenn Tiere Rechte erhalten, müssen sie auch Pflichten haben und für ihr strafrechtlich relevantes Verhalten zur Verantwortung gezogen werden (z.B. töten und noch lebende Opfer fressen), also strafmündig. Unabhängig davon sind Tiere nicht als Idioten oder nicht als universale Opfer zu bewerten. Ein tötender, humanoider Autist, wird sicherlich nicht aus Mitleid Straffreiheit geniessen.
Hr. Etscheit, in der Einleitung habe ich mich selbst erkannt, samt den Spinnen. Ich bringe sie sogar in andere Zimmer damit sie nicht verhungern. Über die Öko-Irren weiter unten muss ich nichts mehr schreiben.
Ein sehr guter Artikel in einem schönen Stil. Am Ende des Tages interessiert mich stets, können wir Bürgerlichen dagegen halten und schaffen wir es diesen wohlstandsverwahrlosten Wahnsinn besiegen und einhegen?
Gerade in einem Beitrag auf ORF 2. In Schweden müssen die Samen mit ihren Rentieren den Windmühlen und den Eisenerzminen weichen. Vor welchem Gericht können die klagen?
So wird die in unserem Lande einstmals zum Schutz der Bürgen gegen den (übergriffigen) Staat geschaffene oberste Instanz der Justiz zu einer Einrichtung gewandelt, die staats- und gesellschaftstransformierend über vorgeschobene sog. NGO (die staatssubventioniert eigentlich GO sind) umzusetzende Richtlinien
vorgibt, die den "Staat" sodann offen zwingen, den Bürgen entsprechend zu "dirigieren". Und das verkaufen sie dem so geschundenen Bürgen dann auch noch als "Unsere Demokratie", wobei Selbiger nicht kapieren will, daß es darum geht, das Verständnis von "deren Demokratie" Allen überzustülpen. Ein Beleg dafür, wie schizophren eine Gesellschaft und ein Staatsformat sein können, bzw. gewandelt werden können, wenn nur genug Beteiligte (Politik, Justiz, Medien) im Einklang auf den verschiedenen Ebenen an den jeweils passenden Hebeln ziehen.
Vom Grundgesetz zum jüngsten nicht mehr zu fassen Gericht. Das Volk der nicht mehr ganz Dichtenden und Denkenden, lässt sich von der woken Fruchtfliege am Nasenring durch die Manege ziehen.
Eine Linksradikale als Verfassungsrichterin...
Da würden Kohl und Adenauer wahrscheinlich Merz eine saftige Ohrfeige verpassen...