Ulli Kulke / 24.04.2023 / 06:00 / Foto: Stefan Müller / 163 / Seite ausdrucken

Die doppelte Berlin-Blockade – eine bizarre Koinzidenz

Ausgerechnet nur wenige Wochen vorm großen Jahrestag 75 Jahre Berlin-Blockade, mitten in der Vorbereitung dazu, will die „Letzte Generation“ Berlin erneut rundum blockieren. Komplett lahmlegen, auf unbestimmte Zeit. 

Die Klimafanatiker der „Letzten Generation“ wollen nach eigenem Bekunden ab Ende April Berlin lahmlegen, und zwar auf unbefristete Zeit. Dies, indem sie sich auf den Straßen festkleben, um dort den privaten wie öffentlichen Verkehr zum Stillstand zu bringen, an Schlüsselstellen des Straßennetzes. Mit dem Ziel, irgendwelche Zugeständnisse – etwas mehr Klimapolitik – zu erheischen, die sie sich auf die Fahnen schreiben können. Macht, Erpressung, Größenwahn. Zum Zorn fast aller Berliner, mit der deutlichen Folge, dass die Klimapolitik insgesamt an Zustimmung verliert. Dessen unbekümmert sind Kompanien von Mitstreitern aus dem In- und Ausland in der Hauptstadt eingetroffen, sind in Stellung – bei erklecklichem Gehalt unter anderem von der Milliardärin Aileen Getty aus den USA.

Was noch kaum wahrgenommen wurde: Die „Letzte Generation“ hat sich für ihren Anschlag auf die Bewegungsfreiheit in der Hauptstadt einen denkwürdigen Zeitpunkt ausgesucht. Geschichte wiederholt sich.

Gerade bereitet sich Berlin auf den Jahrestag des Beginns der Blockade und der anschließenden Luftbrücke zur Versorgung der Stadt vor. In nur zwei Monaten jährt sich zum 75. Mal der Tag, an dem der LKW- und Bahn-Verkehr zwischen West-Deutschland und West-Berlin von den sowjetischen und den ostzonalen Behörden ebenfalls „lahmgelegt“ wurde, zunächst auch „auf unbestimmte Zeit“. Letztlich mit dem Ziel, die drei Sektoren der West-Alliierten auf – ebenfalls – erpresserische Weise unter den Einfluss der Diktatur im Osten zu bringen, alles auch im Namen des „Wissenschaftlichen Sozialismus“, der den internationalen gesellschaftlichen Fortschritt im Großen und Ganzen unumstößlich vorherbestimmte – angeblich.

Inzwischen hat sich das Konstrukt, das damals schon viele anzweifelten, nämlich die wissenschaftliche Prognostizierbarkeit des chaotischen, unendlich dimensionierten Systems „Gesellschaft“, als tatsächlicher Trugschluss herausgestellt. Der historische Materialismus, das Gerüst dieser marxistischen Zukunftssicherheit, ist spätestens mit der Wende zusammengebrochen. Doch es gibt Ersatz. An seine Stelle ist jetzt die Vorhersagbarkeit des nicht minder, sondern mindestens ebenso chaotischen Systems „Klima“ getreten. Zwar gibt es viele hundert unterschiedliche Prognosen hierzu, aber angeblich sind alle unleugbar wahr, jedenfalls diejenigen, die den Weltuntergang vorhersagen, egal wie. So wie schon Erich Honecker haargenau wusste: „Den Sozialismus in seinem Lauf / hält weder Ochs noch Esel auf“.

Abschaffung des Kapitalismus als ersten Schritt zur Klimarettung

Und so ist es jetzt, pünktlich ein Dreivierteljahrhundert nach der ersten Berlin-Blockade, für manch fanatisierte Zeitgenossen endlich an der Zeit für eine neue „Lahmlegung“ der Stadt. Damals wie heute durch den Versuch einer Erpressung der demokratischen, der verfassungsmäßigen Instanzen im Namen einer, nein: der angeblich weltentscheidenden Wissenschaft. Unwiderlegbar. Und damals wie heute mit der zwangsläufigen Abschaffung des Kapitalismus als ersten Schritt zur Klimarettung. Damals Kapitalkurs, heute Klebe-Schulung.

Es könnte allerdings auch darauf hinauslaufen, dass die Fanatiker erst mal ziemlich schnell klein beigeben werden. Wenn nämlich ein paar unwesentliche Zugeständnisse den Funktionären der „Letzten Generation“ das vorübergehende Gefühl von Macht vermitteln, mit der sie dann hausieren gehen können. Nur um im dadurch ausgelösten Rausch wenig später, nach einer Schonfrist, zum nächsten Schlag auszuholen. Schon ein Gespräch mit Senatoren oder dem Regierenden Bürgermeister könnte sie so zunächst zufriedenstellen, es wäre eine öffentliche Aufwertung wie einst bei den Klima-Hungerstreikenden vor der letzten Bundestagswahl. Letztlich waren es auch diese nur symbolischen „Erfolge“ – die nun allerdings die „Letzte Generation“ zu ihren weitergehenden Erpressungsmanövern ermutigten. Der kleine Finger weckt Begehr auf die ganze Hand. 

Verkehrsminister Wissing ist offenbar bereits drauf und dran, der Letzten Generation hierbei auf den Leim zu gehen. Nachdem deren Fußvolk am Samstag in der Stadt bereits wieder heftig wütete, unter anderem die Schaufenster von Geschäften mit Farbeimern vollschüttete und Sprüche sprühte („Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten“), kündigte der FDP-MInister an, sich Anfang Mai mit Vertretern der Fanatiker zu treffen. Er scheint von allen guten Geistern verlassen zu sein und sie unbedingt aufwerten zu wollen. Eine noble Einladung dazu, bald noch entschiedenere Erpressungsmanöver zu starten. Interessant wäre die Frage, ob die Sektenmitglieder, die zu dem Gespräch mit Wissing kommen, auch für diese Arbeitszeit von Frau Getty ihren Stundensatz erhalten.

Ihr großes Ziel werden sie so schnell kaum erreichen. Und das ist – da sind wir wieder bei Honeckers Ochs, Esel, Sozialismus und dessen Etappen – eine Art Räterepublik. Sie träumen von einem „Gesellschaftsrat“, dessen Mitglieder – kein Witz – ausgelost werden sollen. Und der – auch kein Witz – alle Maßnahmen diskutieren und beschließen soll, die nötig sind, um das Weltklima zu retten. Da wir inzwischen eingetrichtert bekamen, dass so gut wie alles in unserem alltäglichen Leben klimarelevant ist, soll also eine im Wortsinn zusammengewürfelte Truppe irgendwelcher Leute jedes Detail unseres Alltags – Beruf, Essen, Trinken, Familienleben, Kneipenabende, Urlaube – bestimmen. Nur um den Wahn der Klimastrategen noch etwas zu präzisieren: Die Regierung soll demgemäß nur noch die eine Aufgabe haben: Sie soll die Beschlüsse des „Gesellschaftsrates“ in Gesetze formulieren und diese dann mit Herz und Seele im Parlament vertreten, als wären es ihre eigenen. Klein-Fritzchen und die neue Verfassung im Lande. Nur mal nebenbei: Sollte das zuständige Amt in Köln die alte Verfassung schützen wollen, sollte es langsam hellhörig werden.

Die alte Berlin-Blockade vor ziemlich genau 75 Jahren war aufgrund der Entschlossenheit der Westallierten und ihrer Luftbrücke für die Sowjet-Blockierer ein Reinfall. Sie mussten schmählich aufgeben, die Rosinenbomber vor allem der USA haben gesiegt. West-Berlin blieb im westlichen Kapitalismus. Damals gab es Menschen, die wussten, was die Stunde geschlagen hatte, harte Hunde wie Lucius D. Clay. Heute gehört es zum guten Ton in unserer Parteienlandschaft, in denen die Deutungshoheit – nicht nur in dieser Frage – eindeutig in grüner Hand liegt, vor allem darauf hinzuweisen, dass die „jungen Leute“ doch ihren eigenen hehren Zielen schadeten. Und man weist darauf hin, dass es für die Blockierten widerrechtlich ist, die Blockierer selbst von der Straße zu tragen. Man biedert sich an.

Auf eine Luftbrücke dürften wir heute nicht mehr hoffen

Dass die bezahlten Fanatiker tatsächlich dabei sind, die bereits vorhandene Spaltung der Gesellschaft auf die Spitze zu treiben, es ganz bewusst auf einen Straßenkampf, auf handfeste Auseinandersetzungen zwischen Blockierern und Autofahrern an Kreuzungen und Autobahnauffahrten ankommen lassen, und es auch dazu kommen wird, wenn man sie an jeder ihrer Schlüsselstellen im Berliner Verkehrsnetz auch nur eine halbe Stunde gewähren lässt – dies rückt dabei in den Hintergrund.

Die Ordnungskräfte in der Stadt sind über viele Wochen vorgewarnt. Man darf gespannt sein, inwieweit dies zu konsequenter Vorbereitung geführt hat. Die nächsten Tage werden es zeigen. 

Um nochmal auf den Vergleich zur Blockade vor 75 Jahren zurückzukehren und zu ihrer Abhilfe: Auf eine Luftbrücke dürften wir heute nicht mehr hoffen, nicht nur weil kein Clay und keine Rosinenbomber mehr in Sicht sind. Aus heutiger Sicht handelte es sich bei der Luftbrücke um einen Frevel, der die Klimaschuld des kapitalistischen Nordens unermesslich gesteigert hat. Nie in der Geschichte der Menschheit hat es über eine solche Dauer eine solch hohe Anzahl und Frequenz von Kurzstreckenflügen gegeben wie in jenem knappen Jahr zwischen Juni 1948 und Mai 1949. Unvorstellbar, dass sich heute so etwas wiederholen könnte. Die Rettung des Kapitalismus, der Marktwirtschaft in West-Berlin, wäre heutzutage so ziemlich das Letzte, das eine solche Klimasünde rechtfertigen könnte.

Foto: Stefan Müller CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Sam Lowry / 24.04.2023

Ja, bevor der Atomkrieg mit der Tür ins Haus fällt, kann man sich ja nochmal irgendwohin kleben… Junge Junge, haben die ein Rad ab. Eher 4! Weil, ich kenne jemanden, der ist damals auf 3 Rädern in die Disco gefahren. Anhand der Schleifspuren und Straßenschäden wurde er allerdings recht zügig gefunden… und solche eine Aktion ist noch deutlich höher im IQ anzusiedeln als die Pattex-Schnüffler, oder wie sie noch hießen.

Georg Andreas Crivitz / 24.04.2023

Da die Klima-Fanatiker im Kern sozialistische Vorstellungen vertreten, wundert es nicht, wie verständnisvoll und zurückhaltend die Regierenden, die ganz überwiegend auch dem linken Spektrum angehören, dieser Bewegung begegnen. Die Tatsache, dass diese »Klima-Aktivisten« Gewalt gegen Mitbürger ausüben, um damit den Staat zu erpressen, wird nicht thematisiert; stattdessen spricht man verharmlosend von »jungen Leuten«, die ein wichtiges Anliegen vertreten und bei der Wahl ihrer Mittel vielleicht etwas über die Stränge schlagen.

sybille eden / 24.04.2023

Einfach kleben lassen, verdammt noch mal ! Irgendwann werden die Hosen feucht und es beginnt zu stinken, na und ?

Thomin Weller / 24.04.2023

@P. Wedder Ein Adhäsionsverfahren in dem die zivilrechtlichen Ansprüche gleich mitverhandelt werden, wäre eine einfache Lösung. Evtl. als Sammelklage! Zu gerne würde ich wissen wollen wieviel die Klimaterroristen dem Flughafenbetreiber und den Fluggesellschaften zahlen müssen. Das war eindeutig eine Straftat, den Zaun durchschneiden und das Rollfeld besetzen. Das ist sogar ein schwerer Eingriff in den Flugverkehr und anderes.

M.-A. Schneider / 24.04.2023

So lange Politiker, Gerichte, Medien und ein nicht unerheblicher Teil unserer Mitmenschen, diesen wohlstandsverwahrlosten sogen. Aktivisten (Terroristen wäre angebrachter) Gespräche anbieten, ihnen ein Forum zur Verfügung stellen, zu viel Verständnis zeigen, gemeinsame Sache mit ihnen machen oder sich gar erpressen lassen statt ihnen, wie in anderen Ländern, massiv ihre Grenzen aufzuzeigen, wird sich kaum etwas ändern, ganz im Gegenteil. Sie werden sich immer wichtiger und immer stärker fühlen, so dass weitere Eskalationen kaum ausgeschlossen werden können.  Hierzulande geht die Polizei lieber - man denke an die Coronademos - lieber auf Kinder, Jugendliche und ältere Menschen los, hinsichtlich der Behandlung der “Klima-Aktivisten” ist sie von “ganz oben” angehalten, Nachsicht zu üben.

Harald Oczko / 24.04.2023

Berlin, weltweites Gemeinwesen der Dysfunktionalität, ist mal wieder um eine Neuerung bereichert. Gehörte es bisher zu den Grundfesten und Tugenden des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats, dass zu den originären Aufgaben der Polizei gehört, die Bürger und Landsleute vor Rechtsbruch und Rechtsbrechern zu schützen, gilt jetzt umgekehrt, mindesten seit heute, dass diese Aufgabe nunmehr darin besteht, den Rechtsbruch und die Rechtsbrecher vor den Bürgern und Landsleuten in Schutz zu nehmen. Szenen, wie aus dem Tollhaus, wenn dutzende von Ordnungskräften wie Türstehr vor der Disco um die auf dem Pflaster angeleimten Klimaextremisten rumstehen, einig im Nichtstun, um sie von denjenigen abzuschirmen, die latent Opfer einer kriminellen Vereinigung sind und diesen Staat mittels Arbeit und Steuern am Laufen halten.  Rechtsstaat paradox sozusagen. Einfach nur irre, dass eine 4-Millionenstadt von einer gemessen daran nicht mal handvoll Klimaextremisten in den Würgegriff genommen werden kann. Wer die 68ziger miterlebt weiß, dass es auch anders geht. Rotteten sich seinerzeit irgendwelche Stamokaps zum Straßenkampf zusammen, tauchten unisono Wasserwerfer auf und er Spuk war schneller zu Ende als er angefangen hatte. Heute tätscheln Politik und Polizei die Klimeneurotischen und machen sich zum Horst und Mittäter. Es stimmt also doch: Deutschland ist zum Affenfelsen geworden, wie kürzlich ein bekannter Künstler resümierte.

Ulrike Teich / 24.04.2023

Zitat: “mit der deutlichen Folge, dass die Klimapolitik insgesamt an Zustimmung verliert” - na dann spendier ich doch gleich mal noch ein paar Eimer Superkleber - wenns denn auf die Tour sein muss, kann gar nicht genug geklebt werden. Den Leuten muss der Mist zu den Ohren rauskommen. Schluckt eure grüne Medizin schön brav, umso schneller fliegt uns der Kram um die Ohren und es kann Platz gemacht werden für vernünftige Politik

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