„Ablehnung, Angst und Abwanderungspläne. Die gesellschaftlichen Folgen des Aufstiegs der AfD“ lautet der düstere Titel, hinter dem sich eine neue Studie auf der DeZIM-Homepage verbirgt. Das Werk erweist sich bei etwas nährer Prüfung als vollendeter Humbug.
Es muss der reine Masochismus sein, der mich weiterhin die Homepage des Deutschen Zentrums für Integrations‐ und Migrationsforschung DeZIM anklicken lässt. Eigentlich wäre es aus psychohygienischer Sicht das Beste, diesen aus Steuermitteln generös finanzierten, aber unerträglich tendenziösen Wissenschafts-Verschnitt einfach zu ignorieren. Ganz so weit bin ich aber offensichtlich noch nicht. Allerdings: Die Klick-Abstände werden deutlich länger.
Jüngst gab es wieder einen Rückfall. Nach dem Anklicken der DeZIM-Homepage fiel mein Blick auf eine Studie, die unter der Überschrift „Wie beurteilen die Menschen in Deutschland die AfD“ beworben wird. Ein Klick weiter, und schon erfährt der Leser den „richtigen“ Titel dieser Studie, der etwas düsterer daher kommt: „Ablehnung, Angst und Abwanderungspläne. Die gesellschaftlichen Folgen des Aufstiegs der AfD“. Leitautorin ist die gelernte Protest- und Bewegungsforscherin Sabrina Zajak, die aber nicht die alleinige Verantwortung für diese Studie trägt, sondern sich diese Last mit sechs weiteren Autoren teilt, darunter auch die – bei solchen Themen – üblichen Verdächtigen, die Professoren Andreas Zick und Matthias Quent, die durch ihre Mitte- und Extremismusstudien bekannt geworden sind. Sabrina Zajak, die wir hier inmitten ihrer Mitarbeiterschar (hintere Reihe, 4. von links) sehen, hat nach jahrelangem Darben als außerplanmäßige Professorin an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Ruhr-Uni Bochum nun endlich eine angemessene akademische Dauerstelle ergattert, als Leiterin der DeZIM-Abteilung Konsens und Konflikt.
Wir haben es hier in der Tat mit einer unsäglichen Studie zu tun: Nicht die Suche nach so etwas Altmodischem wie der Wahrheit hat diese Untersuchung angeregt und befeuert, sondern das offenbar unstillbare Verlangen bestimmter Kreise nach dem immer gleichen Propaganda-Narrativ, gepaart mit Lust an der Verleumdung des politischen Gegners – unter souveräner Missachtung einschlägiger Regeln empirischer Forschung. Die im März dieses Jahres durchgeführte Befragung einer angeblich repräsentativen Stichprobe mit insgesamt acht Fragen knüpft an das – hier noch einmal ausführlich aufbereitete – mittlerweile legendäre Potsdamer Remigrations-Treffen vom November 2023 beziehungsweise die entsprechende Correctiv-Veröffentlichung an.
Wie war das damals?
Wir erinnern uns bei dieser Gelegenheit, dass Correctiv die Ergebnisse seiner „Recherche“ bekanntlich erst mit Verzögerung, nämlich Anfang Januar 2024, veröffentlichte. Wer sich die damaligen Ereignisse, ihre propagandistische mediale Verwurstung und die Gerichtsurteile gegen Correctiv noch einmal zu Gemüte führen möchte, sei auf die ausführliche Recherche von Alexander Wendt verwiesen, der konstatiert: „Unmittelbar nach der Veröffentlichung durch Correctiv läuft eine perfekt geölte Kampagne mit Kundgebungen, wohlwollender Medienbegleitung und politischer Instrumentalisierung an, die sich inhaltlich nicht nur von dem realen Treffen in Potsdam völlig löst, sondern sogar von dem, was Correctiv selbst schreibt.“ Ein kleiner, wenn auch etwas verspäteter Teil eben dieser geölten Kampagne ist zweifellos auch die hier interessierende DeZIM-Studie.
Im Ringen um die Wahrheit unterlag Correctiv bekanntlich mehrfach vor Gericht. Beispielsweise dürfen NDR beziehungsweise Tagesschau nach einer Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts die von Correctiv übernommene Behauptung nicht wiederholen, in Potsdam sei die Vertreibung von deutschen Staatsbürgern geplant worden. Treffend konstatierte Mathias Brodkorb im Cicero: „Der Kern der Geschichte von Correctiv basierte nicht auf Tatsachen, sondern spekulativen Meinungsäußerungen. Und um diese herum wurden teils korrekte, teils falsche Tatsachenbehauptungen angeordnet, um den Eindruck eines Tatsachenberichts zu erwecken. Es war im Kern aber von Anfang an keiner... Im Grunde alle Leitmedien fielen auf dieses Arrangement herein, obwohl es bei unbefangener Lektüre stets offensichtlich war“ und frühzeitig erkennbar gewesen sei.
Allerdings nicht für das DeZIM-Forscherkollektiv. Vielmehr übernimmt das die Correctiv-Publikation ohne jede kritische Distanz, sozusagen 1:1, und verwendet sie gar als Grundlage für ihre Meinungsumfrage. Sie suggerieren dabei, dass es sich in Potsdam um ein quasi offizielles AfD-Treffen zum Thema Remigration gehandelt habe, also der „massenhaften Ausweisung von Menschen“, bzw. dass dort die „Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland diskutiert“ worden sei.
Die offizielle Position der AfD interessiert nicht
Es versteht sich von selbst, dass unser DeZIM-Kollektiv null Interesse daran hatte, festzustellen, welche Position die AfD nun tatsächlich zum Thema Remigration einnimmt. Dabei hatte sich die AfD – niedrigschwellig im Internet zugänglich – mit einem Beschluss des Bundesvorstands vom 29. Januar 2024 bereits eindeutig positioniert: „Gemäß Bundestagswahlprogramm 2021 werden wir entsprechend den gesetzlichen Regelungen die ca. 250.000 vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer konsequent abschieben.“
Und: „Verfassungswidrige Forderungen wie eine willkürliche kollektive Abschiebung von Ausländern unabhängig von einem bestehenden individuellen Aufenthaltsrecht oder gar die Abschiebung deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund stoßen auf unsere entschiedene Ablehnung.“ Das kann man natürlich glauben oder auch nicht, aber man kann es nicht einfach ignorieren.
Von der schlicht falschen Ausgangsbasis ihrer Studie abgesehen, leistet sich das DeZIM-Kollektiv noch weitere, schwere Verfehlungen, und zwar auf forschungsmethodischem Gebiet, getrieben wohl vor allem von dem Verlangen, möglichst eindrückliche und dem Anschein nach eindeutige Ergebnisse präsentieren zu können. Diese Kette der Verfehlungen beginnt mit den diffusen Zahlenangaben zur Größe der befragten Stichprobe, die, je nach gestellter Frage, zwischen 1.820 und 2.049 gelegen habe, wobei die Ausgangsstichprobe, was verschämt an anderer Stelle vermerkt wird, allerdings 3.105 Personen umfasst habe. Gut ein Drittel der Ausgangsstichprobe hat offenbar jede inhaltliche Auskunft verweigert, was aber im Hinblick auf die Konsequenzen nicht weiter thematisiert wird.
Repräsentativität wird nur simuliert
Wir haben es hier also mit einem ausgesprochen hohen Anteil von Verweigerern zu tun, zumal es sich um ein sogenanntes Panel handelt, dessen Teilnehmer sich im Rahmen einer sehr aufwändigen Rekrutierung vor vier Jahren durch ein vom DeZIM beauftragtes großes Meinungsforschungsinstitut bereit erklärt hatten, sich regelmäßig an einer jährlichen, größeren Befragung – dem methodisch ebenfalls sehr fragwürdigen DeZIM-Rassismusmonitor – sowie zwischendurch auch an einigen deutlich kürzeren Umfragen zu beteiligen. Wenn jetzt aber mehr als ein Drittel dieser Stichprobe sich der Mitarbeit verweigert, steht natürlich die Frage nach der Repräsentativität der verbliebenen knapp zwei Drittel im Raum – allerdings nicht für Zajak und Kollegen.
So bleibt dieses gravierende Problem undiskutiert und v.a. ungelöst. Die Autoren begnügen sich mit dem dürren Hinweis, ihre (verbliebene) Stichprobe im Hinblick auf Alter und Geschlecht mit statistischen Kniffs wieder repräsentativ gemacht zu haben, was, wenn es korrekt erfolgte, durchaus auch vertretbar wäre, aber eben nur für Alter und Geschlecht.
Wie verhält es sich jedoch bei den anderen untersuchten Merkmalen: Schulbildung (Hoch-/Fachhochschulreife, Mittlere Reife, max. ein Schulabschluss), Migrationshintergrund (ja/nein), Wohnort (Ost- oder Westdeutschland)? Oder, ganz wichtig, die offensichtlich von DeZIM – anhand nicht mitgeteilter Kriterien – zugeordnete politische Orientierung in vier Dimensionen: linkes Spektrum, keine Parteinähe, AfD-Nähe, bürgerliches Milieu? Meine Antwort: Hier gibt es hochwahrscheinlich teils massive Verzerrungen – und genau das dürfte auch der Grund sein, warum uns die Autoren nicht die einzelnen Häufigkeiten mitteilen. Also zum Beispiel, welcher zahlenmäßige Anteil der Stichprobe denn nun AfD-Nähe aufwies oder dem bürgerlichen Milieu zuzuordnen war.
Beredtes Schweigen
Durch ihr aktives Beschweigen dieser Probleme gesteht nach meiner Einschätzung das Forscher-Kollektiv indirekt die überwiegend fehlende Repräsentativität ihrer Stichprobe ein. Zudem kann begründet angenommen werden, dass es bereits bei der Ziehung des Panels im zweiten Halbjahr 2020 zu einer Verzerrung hinsichtlich der politischen Orientierung gekommen ist. Wenn zum Beispiel eine Person zufällig aus den Einwohnermeldedaten ausgewählt und angefragt wird, ob sie künftig bei den DeZIM-Befragungen – gegen ein kleines Honorar – mitmachen möchte, wird diese Person doch wahrscheinlich zunächst mal kurz DeZIM googeln. Recht rasch dürften die meisten dann mitbekommen, dass es sich bei dieser Organisation um eine linksradikale Veranstaltung handelt, und zwar ohne wenn und aber. Eher bürgerlich und rechts orientierte potenzielle Teilnehmer dürften deshalb um das DeZIM häufiger einen großen Bogen gemacht haben als eher links orientierte Personen.
Bei der hier interessierenden Remigrations-Umfrage dürften unter den mehr als 1.000 Verweigerern bürgerlich beziehungsweise politisch rechts zu verortende Personen noch einmal überproportional stark vertreten sein, da es hier um ein Thema geht, zu dem man sich in Deutschland anno 2024 teils nicht mehr völlig offen äußern mag, schon gar nicht gegenüber letztlich anonymen Linksradikalen. Zudem gibt es in der hier interessierenden Umfrage noch weitere Gründe für einseitige Stichproben-Verzerrungen. Fragen wie „Die Pläne, massenhaft Menschen zu remigrieren, sind falsch“ lassen ziemlich klar erkennen, was hier sozial erwünscht ist und was nicht, und provozieren damit weitere Verzerrungen. Ähnliches dürfte in Zeiten, wo alles rechts von der CDU potenziell ein Fall für den Verfassungsschutz ist, auch gelten, wenn die Befragten die AfD anhand von vier Gegensatzpaaren bewerten sollen, nämlich „demokratiefreundlich“ versus „demokratiefeindlich“, „normal“ versus „nicht-normal“, „rassistisch“ versus „antirassistisch“ oder „extremistisch“ versus „nicht-extremistisch“.
Die hochwahrscheinlich weitgehend fehlende Repräsentativität könnte auch die ungewöhnliche Homogenität der Antworten erklären. So gibt es bei den vier eben genannten Gegensatzpaaren keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den drei Bildungsniveaus, den Teilnehmern mit oder ohne Migrationshintergrund und auch, ob die Befragten nun in West- oder Ostdeutschland wohnen, was doch überrascht. Lediglich die politische Orientierung ist verbunden mit signifikanten Unterschieden, wobei die Teilnehmer mit AfD-Nähe sich bei allen vier Gegensatzpaaren sehr stark von den anderen drei Orientierungen abheben. Auf der linken Seite des politischen Spektrums gilt Ähnliches – jeweils in der zu erwartenden Richtung –, aber hier sind die Unterschiede zum „bürgerlichen Milieu“ und zu den Befragten „ohne Parteinähe“ deutlich geringer ausgeprägt.
Das Hauptergebnis
Was ist nun aus Sicht der Autoren das Hauptergebnis ihrer Untersuchung? „Besonders die Pläne (der AfD) zur sogenannten Remigration – der massenhaften Ausweisung von Menschen – wecken Angst in breiten Teilen der Bevölkerung“. Nun ja, so äußerten 57,9 Prozent der Befragten aus der Herkunftsregion Deutschland eine solche Angst und zum Beispiel nur 60 Prozent der aus europäischen Nicht-EU-Ländern stammenden.
Dieser wohlweislich nicht auf statistische Signifikanz geprüfte Mini-Unterschied haut einen nicht gerade vom Hocker, zumal die Stichprobe auch noch tendenziös befragt wurde: Hatten die Teilnehmer sich doch zu entscheiden zwischen zwei schiefen Alternativen: (Remigration) „macht mir eher oder große Angst“ versus „macht mir keine Angst“. Bei der zweiten Antwortmöglichkeit fehlt, natürlich rein zufällig, die Kategorie „macht mir eher keine Angst“. Auch deshalb ein Ergebnis, das man nur in die Tonne treten kann.
Abschließend betätigen sich die DeZIM-Forscher noch als Politikberater: So könnte es ihrer Meinung nach für bürgerliche Parteien sinnvoller sein, sich klar von der AfD und ihren Positionen abzugrenzen, anstatt restriktive, AfD‐nahe politische Inhalte zu übernehmen. Gleichzeitig sollten sie konkrete Lösungen für die Probleme anbieten, die die Menschen bewegen. Das wirft (mindestens) zwei Fragen auf: Welche „bürgerliche“ Partei hat sich nicht klar von der AfD abgegrenzt und, was sind das für Probleme, die die Menschen bewegen? Doch wohl nicht etwa die unkontrollierte Migration und ihre Folgen?
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Wolfgang Meins ist Neuropsychologe, Arzt für Psychiatrie und Neurologie, Geriater und apl. Professor für Psychiatrie. In den letzten Jahren überwiegend tätig als gerichtlicher Sachverständiger im zivilrechtlichen Bereich.