Markus C. Kerber, Gastautor / 25.02.2021 / 15:00 / Foto: Imago / 70 / Seite ausdrucken

Die deutsche Doppelnull

Jens Spahn und Ursula von der Leyen sollten alsbald ihre Ämter niederlegen: Aus Anstand.

Als 2018 nach einer schier endlosen Regierungsbildung der junge, aufstrebende Jens Spahn, bislang nur durch eine Lobby-Affäre als parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium aufgefallen, das Minister-Ressort für Gesundheit erhielt, fragten sich viele nicht unberechtigt, was ihn fachlich hierzu befähige. 

Eine besondere fachliche Befähigung war dem gelernten Bankkaufmann und Absolventen eines Politik-Fernstudium hierfür nicht nachzuweisen. Für seine Ernennung in dieses technisch komplizierte und fachlich anspruchsvolle Ressort schienen besondere Anforderungen in seinem Fall nicht erforderlich. Die Kanzlerin wollte einen eventuellen Nebenbuhler mit einem Ministerium befassen, an dem er sich die Zähne ausbeißen sollte. 

Ähnlich ging es auch bei der Ernennung von Frau von der Leyen als Präsidentin der Europäischen Kommission zu. Sie hatte als Familien- und Arbeitsministerin viel von sich reden gemacht und als Verteidigungsministerin fast fünf Jahre lang die tiefe Abneigung der Truppe auf sich gezogen. Ein Rücktritt blieb ihr nur deshalb erspart, weil sie zeitig genug – also vor dem Ergebnis des Untersuchungsausschusses zu diversen Beraterskandalen – auf Betreiben des französischen Staatspräsidenten zur Kommissionspräsidentin ernannt wurde. Das gleichgeschaltete EU-Parlament nickte dies, wenn auch mit knapper Mehrheit, ab. Seitdem bewegt sich die ehemalige Assistenzärztin im Stil einer Evita Perón auf der Brüsseler Bühne. 

Nicht einmal ansatzweise Demut

Die fachlichen Defizite beider Amtsinhaber traten schnell zutage, als es zur Krise kam. Denn, so schrieb schon Jakob Burckhardt, „Krisen treiben das Große wohl hervor, aber es kann das Letzte sein“ (Jakob Burckhardt. Weltgeschichtliche Betrachtungen München 2018, Seite 168). So brachte die Pandemie alles an den Tag. Denn obschon weder epidemiologisch geschult noch medizinisch ausgebildet, wusste Jens Spahn, nachdem das Virus bereits aus China in Europa angekommen war, am 30.01.2020 in der Talkshow mit Maybrit Illner zu bekunden, dass für Hektik kein Anlass bestehe und schließlich auch jedes Jahr an der Grippe 50 Menschen sterben. Nicht einmal einen Monat später musste derselbe Bundesgesundheitsminister zugeben: „Wir befinden uns am Anfang einer Corona Epidemie. Die Wahrheit ist nicht, dass die Epidemie an Deutschland vorbeigeht.“

Die laienhaften Bemühungen von Spahn, sich der Problemlage zu nähern, sind dem Publikum hinreichend bekannt. Seine Fähigkeit, wissenschaftlichen Rat anzunehmen, ist sehr begrenzt. Bereits 2019 hatte ihm die virologische Gesellschaft den Vorschlag gemacht, zu Notstandsregelungen bei virologischen Notfällen eine Besprechung durchzuführen. Sein Mitarbeiter hatte für diese Anfrage nur eine E-Mail übrig. Kürzlich kündigte er Gratis-Corona-Testungen für alle an. Ergebnis: Fehlanzeige!

Die volkswirtschaftlichen Schäden der unkontrollierten Pandemie sind noch nicht abschließend zu beziffern. Die Überlastung der Krankenhäuser bzw. die zusätzlichen Anforderungen finanzieller Mittel werden aber am Ende der Krise quantifizierbar sein. Indessen hört man aus dem Munde von Spahn nicht einmal ansatzweise Demut oder auch nur die Bereitschaft, darüber nachzudenken, ob die Funktion, in die er hineingeschubst worden ist, seinen Qualifikationen weiterhin entspricht.

Rücktrittsforderungen zweier Oppositionsfraktionen

Noch dreister ist das Verhalten von Frau von der Leyen. Sie hatte im Moment der Impfstoffzulassung so getan, als ob die EU die neuen Impfstoffe erfunden habe und nunmehr zur Beglückung der Bevölkerung an breiteste Schichten verschenken würde. Dass die europäische Kommission sich auch mit diesem Beschaffungsprojekt übernommen hat, ist mittlerweile allen klar geworden, die sich vergeblich um Impftermine bemühen, obwohl sie diese dringend benötigen, weil sie zur altersmäßigen Risikogruppe gehören. 

Indessen fehlt es im europäischen Parlament an jeglicher Opposition. Aus den Reihen der EU-Fans, Liberalen, Sozialdemokraten und Christdemokraten – besonders von deren Fraktionsführer Weber – hört man nur, dass die Kommission die aufgetretenen Schwierigkeiten als Herausforderung annehme. Die Rücktrittsforderungen zweier Oppositionsfraktionen nahm Frau von der Leyen im Parlament gar nicht mehr entgegen, sondern verließ das Parlamentsgebäude zuvor.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland meldete zwischenzeitlich, dass die Kommission den Preis für den BioNTech-Impfstoff erfolgreich verhandelt habe. BioNTech habe zu Anfang 54 Euro pro Ampulle gefordert, während nach den Verhandlungen nur noch 15 Euro Gegenstand der Vereinbarung waren. Dies dürfte ein durchsichtiges Propagandamanöver zur Unterstützung der Brüsseler Herrscher sein. Denn der von dem BioNTech-Gründer anfänglich vorgeschlagene Preis ist zu einem Zeitpunkt gefordert worden, als der Impfstoff noch in der Entwicklung war. Entwicklungspreise sind immer sehr viel höher anzusetzen als Herstellungspreise in einer skalierten Massenproduktion. 

Weder von der Leyen noch Spahn müssen scheinbar ihre gravierenden Fehler bereuen. Sie strahlen weiter vor Selbstzufriedenheit in ihren hohen Ämtern.

Das Murren der Bevölkerung über den Lockdown kann aber sehr schnell in Zweifel an der Korrigierbarkeit von Fehlern münden, die in demokratischen Regimen begangen werden. Sind Demokratien nicht bereit, Fehler zuzugestehen und personelle Konsequenzen anzuordnen, also Versager wie Spahn und von der Leyen abzusetzen, wird die fundamentale Systemkritik nicht aufzuhalten sein.

 

Dr. iur. Markus C. Kerber ist Professor für Finanzwissenschaft und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin, Gründer von www.europolis-online.org.

Foto: Imago

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Karla Kuhn / 25.02.2021

“Die ehemalige Assistenzärztin Ursula von der Leyen bewegt sich im Stil einer Evita Perón auf der Brüsseler Bühne. Dem gelernten Bankkaufmann und Absolventen eines Politik-Fernstudiums Jens Spahn ist für seine Aufgabe als Gesundheitsminister ebenfalls keine besondere Befähigung nachzuweisen. Die beiden sollten alsbald ihre Ämter niederlegen: Aus Anstand.”  Danke für den herrlichen Witz, “Aus Anstand”  Aus ANSTAND, hätten beide schon LANGE zurücktreten müssen, Leyen nach der bis heute noch nicht gerichtlich aufgeklärten MILLIONEN BERATER AFFAIRE, von den DREI Ministerien gar nicht zu reden ! SPAHN hätte gar nicht in der Politik Fuß fassen dürfen. 14!!  Jahre Fernstudium bis zum ABSCHLUß !  Heil 11 oder 12 JAHRE ! DAS sind die “wahren Eliten !”  Evita Peron war wenigstens noch einigermaßen sexy. Die NICHTGEWÄHLTE macht auf mich dagegen einen recht vertrockneten Eindruck. WAS bitteschön hat sie denn schon POLSITIVES zustande gebracht ?? Oder SPAHN ? Mir fällt, genau wie bei Merkel, absolut NICHTS ein ! Übrigens eine NULL ist nun mal eine NULL, aus der wird auch mit vielen Verrenkungen keine EINS, nicht mal eine 10, trotz Null.

Angela Seegers / 25.02.2021

Beide besitzen keine Introspektionsfaehigkeit. Am deutschen Wesen soll die Welt genesen, der Standardspruch aus Kaisers Zeiten…. inzwischen spielt deutsche Blödheit der Polit-Eliten eine größere Rolle.

Dr. Joachim Lucas / 25.02.2021

Wegen Unfähigkeit zurücktreten. Nicht mit Merkel, nicht in diesem Land, nicht in dieser EU!

Sabine Schönfelder / 25.02.2021

Die „deutsche Doppelnull“. Eine Doppelnull suche ich auf, wenn ich aufˋs Klo muß. Bast scho!

Kay R. Ströhmer / 25.02.2021

“Versager” - ganz schöner Euphemismus.

Kurt Müller / 25.02.2021

Hier zeigt sich doch ein Vorteil, wenn man zum Beispiel Ingenieurwissenschaften (oder Mathematik, oder Biologie oder Physik) studiert hat, ohne mich jetzt als Angeber präsentieren zu wollen - es geht mir um das Bewußtsein für zahlenmäßige Zusammenhänge, Naturgesetze, dem Unterschied zur statistischen Beschreibung der Welt und nicht relativierbare, sich in Differentialgleichungen ausdrückende Prozesse wie z. B. eine Virenpandemie, und das Gespür für Größenordnungen. Sonst eher nicht so auf mich bedacht und oft viel zu hilfsbereit, bin ich am 20. Februar 2020 ohne Rücksicht auf Sonstiges bereits ins Homeoffice, als diese Möglichkeit das erste Mal von der Firma in Aussicht gestellt wurde, seitdem wie ein Huhn in Bodenhaltung. Warum aber? Auf Epochtimes On-line tauchten bereits im November 2019 und ich meine sogar im Oktober 2019 die ersten Berichte über eine Lungenseuche in China auf, und das dort größere Städte bereits abgeriegelt waren. Da war mir klar, daß es erstens öffentlich bekannt sein müsste und das dort etwas losgeht und ich habe mich aber gewundert, warum kommt nichts davon in den Nachrichten? Es war bereits eine offizielle Information über ein Presseorgan. Warum wurde das nicht ernst genommen? Weil man täglich mit dem Niedermachen der AfD und Trump beschäftigt war. Es hat mich unglaublich angekotzt, wie ARD, ZDF und die linke Co. KG täglich den amerikanischen Prösidenten besudeln, aber die unmittelbare Gefahr zu erkennen, dafür waren sie wieder zu blöde, und diese Inkompetenz mit ihrem weltweiten Reporternetz muss man auch noch bezahlen. Dieselben Berichte Anfang Dezember, Vorweihnachtszeit 2019! Anfang Januar diese dämlichen Kreutzfahrtschiffe und dann schleppten die das hier ein. Ende Januar war an den Diagrammen der Anstieg der Kurve (erste Ableitung) bereits deutlich zu erkennen und damit war klar, daß es bereits zu spät ist. Die Regierung und die Verantwortlichen haben viel zu spät gehandelt, weil sie das Problem nicht erkannt haben. !!

Thomas Holzer, Österreich / 25.02.2021

Anstand, Niveau, Demut, Verantwortlichkeit von all diesen -leider gewählten- Typen zu verlangen, erachte ich als mehr als nur übertrieben. All diese Darsteller führen uns in den Orkus, und scheinen noch auch stolz darauf zu sein. All diese Darsteller leben das “Peter-Prinzip”, nicht nur, aber auch, dafür leider sehr anschaulich

James Napier / 25.02.2021

Intelligenztest: Spahn, von der Laien (sic), Anstand - welches Wort passt nicht in die Reihe?

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