kurz und knapp alles gesagt. Aber was soll man von Politikern erwarten, die selbst keine ordentliche Bildung erfahren haben ?
Bildung setzte früher vor allem auf die basalen Kulturtechniken bis zu einem gewissen Grade, oder auch darauf, noch einen gewissen Traditionsbestand zu vermitteln und traute dann aber dem einzelnen viel zu: gerade in akademischen und noch viel mehr künstlerischen Fächern konnten viele einen Weg machen, ohne nun durch eine “Ausbildung” speziell für das, was sie später entwickeln würden, durchlaufen zu haben. Auch das ist eine Tatsache, auf die wir einmal zurückkommen sollten. Und was is mit all den Leuten, die auch heute etwas mit Abschluss studieren, sich dann aber dennoch in einem Nachbarfach erst durch Hochleistungen “by doing” qualifizieren? Ein Abiturient konnte vor 50 Jahren auch ohne endloses Studium der Journalsitik ein guter Journalist werden, und es gab viele “Autodidakten” - ja, nach heutigen Kritierien dürften sich unsere Großen wie Mozart, Schumann oder Telemann nicht “Komponisten” nennen - schließlich hatten sie ja gar keine “Ausbildung”, sondern lernten autodidaktisch, oder vom Herrn Papa (würde das heute gelten?!), hatten natürlich alle keine “Abschlüsse” und doch… Der moderne Geigenbogen etwa wurde von Tourte erfunden, der Uhrmacher und nicht Bogenmacher war und deshalb nur im zunftfreien Viertel in Paris arbeiten konnte… Und doch ist er ohne jede offizielle “Ausbildung” dafür DER Bogenmacher der Moderne… Und überhaupt: viele der Alten haben nie eine Schule von innen gesehen, sondern hatten einen Hauslehrer - das genügte aber, um ein Spitzenmann zu werden… Frau Lengsfeld - es ist komplizierter, denke ich, als Sie schreiben. Man ist tatsächlich das, was man tut - egal, wie man sich das Handwerkszeug angeeignet hat. Aber genau das zählt heute nichts mehr oder wenig: da kann einer noch so gut sein - wenn er nicht irgendeinen “Lappen” nachweisen kann, ist er eine Null, auch dann wenn er objektiv besser im Fach ist als die mit “Lappen”. Dass dann unsere Politiker sich mit solchen an sich und empirisch immer wertloseren “Lappen” garnieren - so what? Das Problem ist nicht, dass Politiker diese oder jene “Ausbildung” nicht haben, sondern dass ihr Bildungsstand - gleich, woher sie ihn haben könnten - erbärmlich ist. Und das - da gebe ich Ihnen recht, hängt mit einer total idiotischen Schulpolitik zusammen.
Ich erinnere mich noch gut an ein Interview mit dem ehemaligen Party-Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit, in dem er herumrätselte, in welchem Zeitraum der zweite Weltkrieg stattfand. Den Beginn datierte er schließlich auf 1938. Da musste ich mir, erstens, an den Kopf fassen und, zweitens, umschalten. Auch wenn man sich (was ich mittlerweile tunlichst unterlasse) sog. Polit-Talkshows ansehe, ist es wirklich erstaunlich, welche Wissenslücken die Protagonisten aufweisen. Viele davon sind deren Lebensläufen (Schule-Uni-Bundestag) geschuldet. Das wirkliche Leben und die damit einhergehenden Probleme in Gesellschaft und Wirtschaft, sind ihnen weitestgehend fremd. Anders ist ihr Reden und Handeln nicht zu erklären. Wenn man sich in den 90er-Jahren fremdschämen wollte, musste man nur zehn Minuten eine beliebige Nachmittags-Talkshow einschalten, in welcher sich die “Jakkelines” und “Mändis” dieser Republik darum zofften, wer denn nun von wem schwanger sei. Heute erledigen das Illner und Will mit ihren illustren und immer gleichen Gästen. Und das für günstige “Siebzehnfuffzich” im Monat. Willkommen in 2016.
„Soweit im heutigen Deutschland solche Universalgenies wie Alexander von Humboldt und Johann Wolfgang von Goethe noch geboren werden, erlangen sie ihr breites Bildungswissen bestimmt nicht mehr im staatlichen Schulsystem, das entsprechende Angebote heute gar nicht mehr macht.“ Das war auch damals nicht so. Goethe sowie A. v. Humboldt genossen Privatunterricht.
Die Klage, im Bildungssystem sei früher alles besser gewesen, ist nicht neu. Ich teile gleichwohl Ihre Auffassung nur teilweise, gerade im Hinblick auf das Promotionswesen. So waren im 18. und 19. Jahrhundert Promotionen “in absentia” noch üblich, teils wurden Promotionen für Studenten von Professoren selbst verfasst. Sehr informativ: http://www.zeit.de/2013/06/Doktortitel-Bildungshistoriker Auch im 20. Jahrhundert war dies teilweise noch Praxis, überhaupt war der “Ghostwriter” durchaus unkritisch akzeptiert. Oft war der soziale Status der Promotion wichtig, weniger die wissentschaftliche Leistung. Auch das Niveau der Promotionen entsprach nicht durchgehend heutigem Niveau. Ich kenne Diplomarbeiten, die früher ohne weiteres als Promotion durchgegangen wären. Teilen würde ich jedoch ihre Auffassung zu den Gymnasien. Wenn ich mir nur die besten 5 % herauspicke, kann ich davon ausgehen, dass das durchschnittliche Niveau durchaus höher gewesen sein muss, als dies heute im Abitur der Fall ist. Vergliche man allerdings die heutigen oberen 5 % mit früher, so glaube ich nicht, dass signifikante Leistungsunterschiede festzustellen wären. Dass Deutschland seine herausragende Stellung verloren hat, hängt m. E. zum einen mit dem Brain-Drain in den dreißiger Jahren und danach zusammen, zum anderen damit, dass USA, die Sowjetunion, Japan, China, Korea und andere massiv nachgezogen haben. Man könnte auch darüber diskutieren, ob das System verbeamteter Professoren den Aufstieg hervorragenden Nachwuchses bremst, welcher sich lange Zeit selbst ausbeuten muss in der vagen Hoffnung, irgendwann in der wissenschaftlichen Laufbahn zu landen. Warum wohl finden sich so viele deutsche Absolventen mit hervorragenden Abschlüssen in USA und anderswo, um dort ihren Einstieg in die Wissenschaft zu suchen? Das Thema ist sehr vielschichtig.
Wenn Frau Künast sich die CO2-freie Gesellschaft wünscht, sollte sie bei sich selber anfangen und bei allen künftigen Ereignissen, zu denen sie etwas sagen möchte, einfach mal die Luft anhalten.
Sehr schoen Frau Lengsfeld, das ist genau meine Wahrnehmung. Wir haben geradezu eine Inflation im Bildungssystem, die auf der einen Seite zu staendigen Absenkung der Standarts und dem Machen von Zugestaendnissen in allen Schularten fuehrt und auf der anderen Seite nuechtern handelnde Eltern geradezu gezwungen werden, die Kinder auf die hoechstmoegliche Schulform zu schicken, damit ueberhaupt eine angemessene Bildung erreicht wird. IMHO, generell war das Schulsystem der DDR anspruchvoller und gerechter, weil es genau auf die beschriebenen Unterschiede einging. Vor dem Besuch der EOS (Gymnasium) stand eben ein strenger Numerus Clausus, um eben genau die Begabten voranzubringen und nicht auszubremsen. (ich will nicht abstreiten, dass ein Teil der Inhalte der DDR Schulen diskussionswuerdig ist und auch nicht, dass Berufoffiziersanwaerter auch ohne jedes Talent zur EOS zugelassen wurden.) Das ist nicht der Punkt. Generell orientierte sich das Schulsystem dichter an dem Ursprungsentwurf Hulmoldts. Die in unserer Gesellschaft durchgreifende Gleichmacherei auf jeder Ebene ist das Elend unserer Zeit. Menschen sind unterschiedlich und genau diese Unterschiede werden durch die “socialjustice warrior” negiert. Fuer mich eine Art “sozialer Rassismus” weil er staendig darauf abstellt, sich an den Schwaechsten zu orientieren. Im Uebrigen gibt es dazu einen sehr schoenen Videoblog bei Youtube mit Stephan Molyneux.
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