Sollte Russland wirklich einmal in Polen oder im Baltikum einmarschieren, wäre Deutschland wegen seiner zentralen Lage das Verkehrs-Drehkreuz für alle Militärtransporte der NATO. Doch angesichts des maroden Zustands deutscher Bahnanlagen können kaum Panzer und schweres Gerät transportiert werden.
Im Ernstfall müssten nicht nur Militär-Züge der Bundeswehr und unserer direkten Nachbarn durch Deutschland rollen - auch schweres Gerät aus den USA und Großbritannien müsste von den Häfen in Rotterdam, Hamburg oder Wilhelmshaven über deutsche Schienen transportiert werden. Das alles läge in den Händen der Deutschen Bahn AG bzw. ihres Tochterunternehmens DB Cargo. Doch da lägen die Militärtransporte derzeit gerade nicht in guten Händen, berichten u.a. bild.de und Handelsblatt. Ein großes Problem ist der beklagenswerte Zustand des deutschen Schienennetzes, den auch fast jeder Bahnfahrer hierzulande kennt. Weite Strecken sind marode oder von Baustellen durchzogen. 2024 sollen lediglich 61 Prozent des deutschen Schienennetzes elektrifiziert gewesen sein. Hinzu kämen Probleme mit alten Weichen, veralteten Bahnübergänge, baufälligen Brücken und fehleranfälligen Stellwerken.
Auch konkret bei DB Cargo habe es in den letzten Jahrzehnten - wie bei der Bundeswehr - vor allem Sparprogramme gegeben. Für 2024 soll das Unternehmen 350 Millionen Verlust eingefahren haben, bis 2029 müssten zudem 5000 von aktuell 31.200 Jobs gestrichen werden.
Zwar gebe es seit 2019 einen jährlich erneuerten Vorhaltevertrag zwischen DB Cargo und der Bundeswehr, der aktuell festlege, dass bis zu 343 Waggons und Flachwagen für die Bundeswehr zum ständigen Abruf bereit stehen müssen. Doch trotz der Kosten für den Bund von 100 Millionen Euro jährlich reicht das nicht ansatzweise. „Die Kapazität von DB Cargo beträgt nicht einmal ein Viertel dessen, was für den gleichzeitigen Transport von Panzerbrigaden benötigt wird“, habe Ben Hodges, Ex-Generalleutnant der US-Army, dem Branchenblatt RailFreight gesagt. Dabei wäre DB Cargo nach seinen Worten für die US-Army eine der wichtigsten Organisationen in Europa. Hodges wörtlich: „Die Eisenbahn ist der Schlüssel zur Abschreckung“.
Das dürfte stimmen, ist aber angesichts des Zustands der Deutschen Bahn keine beruhigende Tatsache. Oder sollten die Bahnfahrer jetzt darauf hoffen können, dass jetzt vielleicht tatsächlich am Schienennetz gearbeitet wird, weil es nicht nur um Fahrgäste, sondern auch um Kriegsgerät geht? Das wäre vielleicht verfrüht, denn DB Cargo-Chefin Sigrid Nikutta plädierte laut bild.de im Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz in ihrem Vortrag für ein europäisches Schienennetz ausschließlich für das Militär.