Erik Lommatzsch, Gastautor / 08.11.2021 / 13:00 / Foto: Achgut.com / 46 / Seite ausdrucken

Die Demonstration, die sich „nicht wiederholen“ durfte

Vom bedrückenden Gefühl, dass staatlicherseits mit völlig überdimensioniertem personellen Abschreckungsaufwand dem politisch Unliebsamen spürbar die Luft abgedrückt wird. Alles nur Impressionen – völlig subjektiv natürlich./

Inzwischen ist bereits viel Meinung und vor allem Verdammnis über die Leipziger Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen, die am letzten Sonnabend stattfand, publiziert worden. Dem seien hier einige Eindrücke hinzugefügt, die aus nächster Nähe gewonnen werden konnten – völlig subjektiv natürlich.

Die seit einem Jahr und verstärkt im Vorfeld der Demonstration mantraartig wiederholte Aussage, dass sich die Situation vom 7. November 2020 „nicht wiederholen“ dürfe, erinnerte in ihrem Beschwörungston schon stark an andere, immer wieder ins Gedächtnis gerufene Ereignisse, bei denen – zu recht – gemahnt wird, dass sie sich „nicht wiederholen“ dürften. Da sitzt der Schreck wohl noch tief, dass bei dieser gegen das Corona-Regime gerichteten Unmutsbezeugung mit einer höheren fünfstelligen Zahl doch eine ganze Menge Beteiligte zusammenkamen, die dann, verbotenerweise, auch noch über den Leipziger Ring marschierten. Einfach so haben die damals demonstriert, obwohl es obrigkeitsseits nicht erwünscht war.

Dass das Ganze nicht noch einmal „aus dem Ruder läuft“ – dafür war dieses Mal mit massiver Polizeipräsenz gesorgt worden. Sichtbar auch daran, dass aus mehreren Bundesländern die Ordnungshüter zusammengeholt worden waren, mit Helm, Mundschutz und auch anderweitig gut bewehrt. Der weniger Demonstrations- und Polizeieinsatzerfahrene würde möglicherweise das Wort „martialisch“ zur Beschreibung verwenden. Der Gedanke, dass man durch einen derartigen Aufmarsch auch Gefährlichkeit des bösen Feindes suggerieren kann, sei hier nur kurz eingestreut.

Die „Verantwortlichen“ haben wohl aufgeatmet, dass die große Teilnehmerzahl vom letzten Jahr nicht erreicht wurde und ebenso der große Aufmarsch dieses Mal verhindert werden konnte. Durch beherzt-blockierende Polizisten, die schnell im Laufschritt in Vierer-, Fünfer- und Mehrerreihen zugegen waren und durch das eine oder andere quergeparkte (manch schlechten Kalauer kann man sich einfach nicht verkneifen) weiß-blaue, blaue oder weiß-grüne Fahrzeug unterstützt wurden. Das Wort „Kessel“ fiel nicht nur einmal.

„Versammlungsfreiheit! Nicht nur für Minsk“

Offiziell zugelassen waren bei der – genehmigten – stationären Kundgebung auf dem Augustusplatz sage und schreibe 1.000 Teilnehmer. (Es zählten alle, egal in welchem G-Stadium.) Ein großes Areal war abgesperrt, der Zugang wurde gut überwacht. Genauer: Streng überwacht. Nach dem – schnellen – Erreichen der Zahl wurde nur für den Fall Zutritt gewährt, dass andere Teilnehmer den Bereich verließen. Die 1.000 verloren sich für den Beobachter oder den (späteren) Medienbilderkonsumenten auf der freien, sehr üppig bemessenen Fläche. Die Ansprachen waren für die, die draußen bleiben mussten, so ziemlich gar nicht zu verstehen. Niemand wird hier Absicht vermuten wollen.

Die, die draußen bleiben mussten und von denen nicht ganz wenige ihr Zaungastdasein gern mit einem regulär genehmigten Kundgebungsteilnehmerplatz vertauscht hätten, hätten die Zahl im zugestandenen Bereich um ein Vielfaches erhöht. Dichtgedrängt standen sie stattdessen auf einer abgesperrten vielspurigen Straße und konnten sich nicht der selben städtischen/staatlichen Fürsorge erfreuen wie die eingelassenen Teilnehmer, denen pro Nase großzügig Sicherheitsabstandsquadratmeter zugestanden worden waren. 

Bewegung, zwecks Demonstrationszug, war nur kurzeitig möglich. Die Frage eines Teilnehmers an einen ihm offenbar Unbekannten, ob man da nicht gerade etwas Verbotenes tue, wurde mit den Worten beschieden, in diesem Land wisse man doch eh nicht mehr, was erlaubt und was verboten sei.

Fahnen gab es reichlich – Deutschland, Sachsen, Israel, Regenbogen und viele mehr. Ebenso Transparente in – wie sagt man so schön – allen Größen, Formen und Farben: „Covid-1984“, „Genug ist genug“, Freie Impfentscheidung“, „N’Scheiß muss ich“, „Freiheit statt Willkür“, „Freie Bildung ohne 3G“. Oder auch das inzwischen übliche „Frieden, Freiheit, keine Diktatur!“, das auch skandiert wurde, war zu lesen. Gefragt wurde auch, wo Staatsanwälte und Richter wären, im Zusammenhang mit den Worten „Volk“ und „befreien“. Oder, auch spannend: „Versammlungsfreiheit! Nicht nur für Minsk“. Es ist noch gar nicht so lange her, da hätte man einen solchen Bezug für aberwitzig erklärt…

Ob es doch noch Hoffnung für die deutschen Universitäten gibt?

Insgesamt zeigte sich das, was von vergleichbaren, auch kleineren deutschlandweiten Demonstrationen, von denen es viele kaum in die regionalen Medien schaffen, bekannt ist. Und es steht zu befürchten, dass es vergleichbar verhallt, zumindest bei den Adressaten. 

Der eher junge Mensch ist, auch wenn viele Erfahrungen der vergangenen Monate das Gegenteil nahelegen, nicht unbedingt maßnahmenkonform. Deutlich sichtbar war da etwa die Initiative „Studenten stehen auf“. Diese beschreibt sich als „dezentrales Netzwerk von jungen Menschen, die den politischen und gesellschaftlichen Umgang mit der Pandemie, allem voran die Maßnahmen zur Eindämmung und Bekämpfung des Virus, kritisch hinterfragen“. Ob es doch noch Hoffnung für die deutschen Universitäten gibt? Aber das wäre schon ein anderes Thema.

Neben anderen Gruppierungen war in der Menge der Demonstranten gegen die Corona-Politik die „Freie Linke“ erkennbar, vertreten mit einem großen Transparent: „Echte Solidarität statt Impfapartheid“.

Die „Freien Linken“ sind allerdings „keine Linken“. Das zumindest verkündete lauthals ein Chor der zwar nicht allzu reichlichen, dafür umso bemühteren Gegendemonstranten, von denen ein Teil Wert darauf legte, sich klar als „Antifa“ zu kennzeichnen. Die Zusammensetzung schien weniger heterogen als bei den Maßnahmen-Gegnern, vor allem bezüglich des Alters oder hier besser: der Jugend. Als eine Art Uniform diente der – freiwillig getragene, in der Regel schwarze – Mundschutz. Aber auch durch den ließen sich Ansichten zum Ausdruck bringen, etwa der Ruf „Bullenschweine“ in Richtung der Polizisten, die dies stoisch ertrugen und die beiden Lager voneinander abschirmten. Was genau Gegendemonstranten, die sich offenbar selbst weit links einordnen, an einer Kundgebung gegen freiheitseinschränkende Regierungsmaßnahmen zu bemängeln haben, ließ sich ein weiteres Mal nicht erschließen. Oder sollte… Nein, es gibt Dinge, die für immer ein Mysterium bleiben werden.

Sehr schön auch eine mit der Gegendemonstration zumindest sympathisierende Stimme, die einer offenbar uninformierten Beobachterin erklärte, „die“ (gemeint waren die Maßnahmen-Gegner), wollten wie im letzten Jahr in der Stadt wieder „ihre Tänze aufführen“.

Dass der wohl eher vermutete als real zu erwartende Kunstgenuss der Metropole Leipzig entgangen ist, dürfte zu verschmerzen sein. Im Gegensatz zu dem bedrückenden Gefühl, dass staatlicherseits mit völlig überdimensioniertem personellen Abschreckungsaufwand dem politisch Unliebsamen spürbar die Luft abgedrückt wird. Alles nur Impressionen – völlig subjektiv natürlich.

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lutzgerke / 08.11.2021

Die Presse ist auch zur Reklameabteilung für systemkonforme Demonstrationen mutiert. Die informiert die Gegendemonstranten regelmäßig. Spannend bleibt die Frage, warum niemand FÜR die Einschränkung der Freiheitsrechte demonstriert? Das müßte schon von den Handlangern der Pandemie über Kanäle zur Gewerkschaft organisiert werden. Und eine Gegendemonstration wäre da gewiß nicht zugelassen. / Civic erscheint nicht in den alternativen Medien, obwohl die Einbindung eine Überlegung wert sein sollte. Civic erscheint nur in der Jubelpresse. Und was ist mit denen, die gar nicht im Internet sind? / Als die Mauer fiel, haben es alle gewußt. Und als der große Krieg zuende war, waren alle im Widerstand gewesen. War das äußerlich nicht zu erkennen, waren sie im inneren Widerstand. Der Widerstand ist da. Er will nur aktiviert werden. Die Hoffnung stirbt zuletzt ..

Andreas Bitz / 08.11.2021

Ganz wichtig: Sowohl die Verantwortlichen der nicht begründbaren Auflagen (immerhin fand alles im Freien statt) und der einseitigen Berichterstattung dokumentieren. Sie werden zur Rechenschaft gezogen werden! Und zu den verirrten Häuflein der Antifa: Ist denen klar, daß sie für den verhassten Staat, für Großfinanz, BigPharma, für Merkel demonstrieren?

Fred Burig / 08.11.2021

@T. Schneegaß:” ...  So wäre damals nichts aus einer Änderung der Zustände geworden und deshalb wird es heute nichts mit einer Änderung der Zustände, weil das Sinnlose getan wird.”  .... Altes Zauberwort bei unruhigen Pferden: Ruuuuuuuuhig, mein Brauner!... Bevor die Masse erkennt, was “Sache” ist, muss man viel “Überzeugungsarbeit” leisten! Aber es wird funktionieren - genau wie bei der “Gegenseite”! Gleiche Methoden, gleicher Erfolg! Alles irgendwie Psychologie! Nicht umsonst sind Advokaten, Ärzte und Psychologen wieder mal die >>Gewinner der Auseinandersetzungen - was für ein Zufall! MfG

Peter Wachter / 08.11.2021

Was zum Aufregen, YT:” DEMO IN LEIPZIG - QUERDENKER AUSSCHREITUNG - ANTIFA SCHLÄGT QUERDENKER UND JOURNALIST ZUSAMMEN “!

Boris Kotchoubey / 08.11.2021

Mir wurde erst vor Kurzem bewusst, dass man von einem “Uninformierten” nur einen Buchstaben weglassen muss, um einen “Uniformierten” zu bekommen.

Ludwig Luhmann / 08.11.2021

@Alex Fischer / 08.11.2021 “Die (S)Antifa ist ja auch die Schlaegertruppe der Regierung, da von dort Steuergelder “umgeleitet” werden fuer diese A-Geigen.”—-——Selbst die amerikanischen Verschwörungstheoretiker behaupten, dass die ANTIFA schon seit langer Zeit ein “Asset” nicht nur der Regierung Merkels ist. Es war wohl nur nicht so offensichtlich wie heute. Die Demokraten unterstützen die ANTIFA in den USA ganz unverholen, so wie unsere “gewählten” Volksverräter hier in Germanistan.

tho Pesch, Markus / 08.11.2021

Selbst gewählt, 90% der Deutschen haben wieder links gewählt. Das wird ähnlich enden wie 1933 und da hatten die Sozialisten nur knapp über 30%

Vincent Quest / 08.11.2021

Wir haben keine Demokratie mehr!  In den Haltungsmedien darf natürlich der reflexhafte, dümmliche Hinweis auf eine angebliche Beteiligung von Neo-Nazis auf der Freiheitsdemo in Leipzig nicht fehlen. Deutschland erstickt am faschistoiden Machtgelüste der Regierenden!

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