Sehr geehrter Herr Steingart, die Demokratie trägt Trauer, schreiben Sie. Aber das abscheuliche Verbrechen eines Psychpaten ist aus meiner Sicht der falsche Anlass für diese Firmierung. Die Demokratie in Deutschland trägt schon viel früher Trauer, spätestens seit 2015, als per Dekret einer selbstherrlichen Kanzlerin das Grundgesetz in Teilen außer Kraft gesetzt wurde und seitdem immer mehr gebrochen wird. Die Demokratie geht scheibchenweise zugrunde. Dazu wurde wie damals in der DDR eine Mauer gebaut, die “antifaschistischer Schutzwall” genannt wurden, die aber darauf abzielte, mit Schießbefehl ein Entkommen der Menschen aus dem System unmöglich zu machen. Die heute Herrschenden haben auch eine Mauer gebaut, die sie “antifaschistischen Schutzwall” nennen, nur nicht mit Stein und Stacheldraht, sondern mit Propaganda, Verleumdung und Diffamierung. Sie behaupten, das sei nötig, um das Eindringen des Feindes, angeblich Nazis, Faschisten und Rassisten, von außen zu verhindern, aber sie wollen eigentlich die im System Befindlichen gefangen halten und sich selbst an der Macht und den Pfründen. Auch einen Schießbefehl gibt es, jeder der versucht, diesen Schutzwall zu überwinden, wird gesellschaftlich “erschossen”. Ob er nun Kemmerich heißt, Hirte oder wie auch immer, selbst wenn man nur in den Ruch kommt, “Fluchthelfer” zu sein oder den Schutzwall zu schwächen, wird man gesellschaftlich/beruflich erledigt. Für manche ist das zu viel, sie drehen durch. Und gehen ausländischen Nutznießern an die Gurgel, die im Grunde gar nichts dafür können. Die tun nur, was jeder tun würde, dem so großzügig Asyl und Lebensunterhalt angeboten wird. Sie sind nicht die Gegner, sondern die herrschende Klasse mit ihrer unsäglichen Politik ist es. Denn damals wie heute gilt: diejenigen, die sich hinter dem “antifaschistischen Schutzwall” befinden und ihn errichtet haben, sind diejenigen, die im Unrecht sind. Es waren Sozialisten / Kommunisten damals und sind es heute wieder!
Herr Steingart, den ich als scharfsinnigen und kompetenten Journalisten schätze, schlägt einen weiten politischen Bogen zur aufgeheizten Stimmung in Deutschland, scheut aber die Benennung der Realität wie der Teufel das Weihwasser. Die aufgeheizte Stimmung in der Bevölkerung ist das Resultat der “schwarzen Schwäne”, die seit 2015 zunehmend bei uns immer sichtbarer herumschwimmen. Die kennt auch Herr Steingart. Auch die “präzise” Beschreibung des Terrorismus durch Frau Weisband entspringt eher naivem Bedürfniskeitsdenken. Einfach so zuschlagen, irgendwo und irgendwann, ohne ideologische Aufrüstung und logistische Vorbereitung geht beim Terrorismus garnichts.
Wenn ich mit Messer und Gabel esse, so konnte das als eine Provokation verstanden werden, die zu einer Tat mit dem scharfen Esswerkzeug führt. Noch schlimmer ist das Aussprechen des Wortes “Autobahn”, ein Wort aus der rechten Waffenfabrik. Ja, Herr Steingart, wir müssen den Anfängen wehren, also Klappe nur noch zum Essen ohne Messer und Gabel aufmachen und Kopf artig hinhalten, wenn die bunte Vielfalt uns ihr Temperament zeigt, so wie heute in der Pfalz.
Ach, Herr Steingart, jetzt kommen Sie auch noch mit der DEMOKRATIE am die Ecke! - Was ist aber Demokratie? Ich habe es schon einmal hier und anderswo erwähnt, was Demokratie sei. Gehört habe ich dies zum 30. Oktober 2019 in der Frauenkirche zu Dresden im Rahmen einer Veranstaltung der Aktion Deutschland spricht. “Man wolle die bunte internationale Zivilgemeinschaft in Deutschland aufbauen, nur dies könne echte Demokratie darstellen.” - so im Originalton eine Rednerin nichtdeutscher Herkunft. Und wenn diese Agenda einigen HIESIGEN nicht gefällt, dann sind das Faschisten, Neo-Nazis, Rechtsradikale und nach den heutigen Ausführungen des Generalbundesanwaltes zur Bundespressekonferenz psychisch Kranke, so sie sich eventuell noch erlaubten, sich über die Arbeitsweise von staatlichen Institutionen zu beschweren oder gar Strafanzeige erstatteten. Die Zustandsbeschreibung, die Sie vornehmen, ist keine Analyse der Lage in Deutschland, sondern eine oberflächliche Beschreibung, die den linken Radikalismus relativiert. Und im übrigen, Frau Weisband ist ja tatsächlich nicht das Maß der Dinge. Wenn Sie also keine Angst vor der Wahrheit haben, lassen Sie sich doch mal auf einen Diskurs ein, beweisen Sie, daß Sie zuhören und Argumente austauschen können. Seien Sie gewiß, es gibt noch Republikaner, leider jedoch nicht erkennbar in der Regierung dieses Landes, wenigstens hat sich bis dato keiner zu erkennen gegeben. Actio = reactio ist ein physikalisches Grundprinzip; wenn sich die öffentliche Diskussion noch weiter nach links orientiert, wird eine finale Entscheidung notwendig sein. Die Frage heißt dann: Bunte Republik Deutschland à la Berliner Sozialismus oder weiterhin freiheitlich demokratische Grundordnung im hergebrachten Sinne. Gott liebt alle Menschen, sagte der Papst in seiner Weihnachtsbotschaft 2019, also praktizieren Sie, Herr Steingart, lieber echte Demokratie, als darüber stupide Monologe zu führen.
Herr Steingart, meinen Sie, wenn noch eine weitere konservative Partei gegründet würde, dass die nicht ebenso ausgegrenzt würde und beschimpft? Wenn schon die Werte Union so bezeichnet wird, die lediglich für eine Rückbesinnung auf konservative Inhalte der CDU sowie die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit pocht, ist doch eigentlich alles klar. Die verbale Gewalt wird weiter eskalieren, ein schönes blühendes Land mit vielfältiger Kultur und größtenteils friedlichem Zusammenleben aller Ethnien bis 2015 ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Die größtenteils narzisstische und hedonistische Entwicklung haben wir Älteren mit verursacht, in dem wir unsere Kinder zu sehr verwöhnt und vor der Glotze haben sitzen lassen, dort nur noch Gewalt und Verrohung oder Verblödung. Schalten Sie mal den Fernseher ein, oder lassen’s Sie besser. Jedes Kind, meistens ja nur noch als Einzelkind, ist für die Eltern das große Genie mit tausend Talenten, helikoptermäßig wird es betreut, umhegt und gepflegt, kann keine Resilenz gegenüber Niederlagen entwickeln, ich könnte unendlich fortfahren. Das hat nicht mal was mit rechts oder links zu tun, es ist der Zeitgeist. Die Gesellschaft ist voll auf Dopamin, immer schneller wechseln die Trends, Moden, Konsum, vor allem Medienkonsument ufern aus und so auch die Sprache. Galt früher eine gute Kinderstube noch etwas, ist diese heute irrelevant.Ein bisschen Demut und Bescheidenheit stünde allen besser zu Gesicht. Aber was zählt, ist das Schrille, die Provokation. Und so werden die gewinnen, die das Spiel am besten beherrschen und der träge Schwarm zieht mit.
Ein guter Artikel. Diese Polarisierung empfinde ich auch nicht gut. Wenn sogar die FDP und Teile der Union zu N… werden, welche politische Position “rechts” von der “Linkspartei” wird denn dann noch als “verfasungsgemäss” angesehen?
Ach ja, Herr Steingart, wenn Sie schon behaupten, die AfD habe “rhetorische Waffenfabriken”, dann erklären Sie uns doch noch, wo wir die finden können und wie dort gearbeitet wird. Dann könnten wir einen Vergleich mit Ihrem journalistischen Waffenschrank anstellen. Aber so? Viel hehres Wortgeklingel mit Schnellschüssen in alle Richtungen, aber kein handfester Schluss. So war es bei Ihnen schon öfter.
Wie wollen Sie denn dem “Groben” wehren? Die Methode derzeitiger “Hassbekämpfer”, die den Hass mit Hass bekämpfen wollen, kann es ja nicht sein. Denn das führt zu einer Eskalation, die, wenn ich sie recht verstehe, für Sie letztlich zum Ende der Weimarer Republik und in die Hitlerdiktatur geführt hat. Allerdings war - vor dem schwarzen Freitag - die NSDAP eine Randerscheinung, die Republik schein gefestigt. Von einer Demokratie ohne Demokraten kann ab Mitte der zwanziger Jahre keine Rede sein, da war Frankreich näher am Abgrund als das Deutsche Reich (das weiterhin so hieß, nur mal nebenbei), von Italien ganz zu schweigen, das schon im Brunnen lag, ebenso wie viele Staaten Osteuropas. Das politische Versagen der “Systemparteien” (Hitler und Höcke) bestand darin, sich in existenziellen Fragen nicht geeinigt zu haben, da trifft die SPD übrigens eine große Mitschuld am Aufstieg Hitlers und seiner Spießgesellen. Es geht nicht nur um das “Wie” des Miteinanderredens, sondern auch darum, worüber man redet und ob am Ende des Redens auch eine Entscheidung steht, ein Kompromiss. Das gelang Anfang der 30er nicht, konnte womöglich auch nicht gelingen, weil die Handlungsfähigkeit des Staates durch die Wirtschaftskrise und die immer noch nicht beseitigten Folgen des 1. Weltkrieges eingeschränkt war. In ihrem Artikel geht es letztlich nur um den “Ton”, um Anstand und ein respektvolles Miteinander. Das gehört dazu, ist aber nicht alles. Es würde auch schon genügen, wenn man in der Politik davon Abstand nehmen würde, den Gegner zu verteufeln, ihm Motive zu unterstellen, die, wären sie vorhanden, ihn zu jemanden machen würden, mit dem man nicht reden kann und darf. Demokratie lebt vom Dissens in der Debatte, aber ihr Überleben hängt vom Konsens in der Entscheidung ab.
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