Henryk M. Broder / 24.02.2017 / 19:01 / 28 / Seite ausdrucken

Die Dekonstruktion der Bundesrepublik hat begonnen

Stephen Bannon, "der wohl mächtigste Strippenzieher im Weißen Haus", plane einen "radikalen Rückbau des Staates", meldet WO. Es sei allerdings "nicht klar, ob Bannon mit dem von ihm gewählten Begriff der Dekonstruktion letztlich die Zerstörung" des Staates meint oder so etwas wie "weniger Staat, weniger Zentralstaat", wie es der Sprecher des Auswärtigen Amtes vermutet, verbunden mit der Empfehlung, Bannons Worte "nicht auf die Goldwaage (zu) legen". Das Übliche also, abwarten, Cola trinken, Donuts essen und schauen, was sich so ergibt.

Derweil hat die Dekonstruktion der Bundesrepublik bereits begonnen, in aller Offenheit und Öffentlichkeit, unter der Federführung der Staatsministerin im Bundeskanzleramt, Aydan Özoguz, zuständig für Migration, Flüchtlinge und Integration der autochthonen Bevölkerung. Anders als Stephen Bannon, der bis jetzt nur redet, hat Frau Özoguz bereits ein umfangreiches Programm vorgelegt. Es heisst: "Miteinander in Vielfalt - Leitbild und Agenda für die Einwanderungsgesellschaft"

Diese "Einwanderungsgesellschaft" ist als Ideal an Stelle der "klassenlosen Gesellschaft" getreten, wie der Horizont, dem man entgegenstrebt, ohne ihn jemals erreichen zu können. Sie "ist nie vollendet, sondern wandelt sich stetig". Panta rhei, alles fliesst, hat schon Heraklit erkannt. Deswegen  "muss gesellschaftlicher Zusammenhalt immer wieder neu ausgehandelt werden". Er "entsteht aus dem, was Menschen im Denken teilen und aus dem praktischen Alltagsleben heraus".

Sorry, aber so genau wollte ich es nicht wissen, ich hätte es gerne etwas allgemeiner. Zum Beispiel: Werde ich bei meinem Metzger weiterhin Spare Ribs kaufen können? Und Wein im Supermarkt? Oder werden solche Petitessen des gesellschaftlichen Zusammenhalts je nach Ort und Zeit immer wieder neu ausgehandelt werden müssen, also in Neukölln wird es weder Wein noch Spare Ribs geben, in Wilmersdorf ja, aber nicht während des Ramadans?

Sie denken, ich habe zu viel Rumkugeln bei Piece of Cake gegessen? Nicht doch. Ich habe nur das Papier "Leitbild und Agenda für die Einwanderungsgesellschaft" gelesen. Und da steht, wie Konflikte in der Einwanderungsgesellschaft "konstruktiv gelöst" werden - durch "Aushandlungsprozesse, die auf Toleranz und Respekt gegenüber jeder und jedem beruhen". 

Gesetze und Regeln, die für alle gelten, das war gestern. Morgen werden wir alles aushandeln, mit Toleranz und Respekt gegenüber jeder und jedem. Aydan Özoguz ist angetreten, die Bundesrepublik zu dekonstruieren. Wir aber machen uns lieber Gedanken um die Zukunft der USA.

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Leserpost

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Peter Behr / 25.02.2017

Leider wird die Stimme der Rufers bewußt und geflissentlich überhört. Er gilt nun mal nichts, der Prophet im eigenen Lande. Schade um das Deutschland in dem ich bisher gelebt habe.

Heinrich Rabe / 25.02.2017

Wenn man nicht selbst mittendrin wäre, könnte man diese Aktivitäten sehr entspannt als Showcase betrachten: ein hochentwickeltes, aber identitätsmässig entkerntes und aus eigener Entscheidung wehrloses Industrieland ohne Rohstoffe zerstört sich in drei bis vier Generationen selbst. Identitätsbildung ohne Rückgriff auf die positiven Seiten der eigenen Geschichte bleibt zwangsläufig blutarm und steril, Konzentration auf den Holocaust als negativen Identitätsanker führt in die Schizophrenie: ich bin Deutsche(r),  will das aber nicht sein, deswegen will ich Europäer werden in meiner Version von Europa als Heilung für mich selbst. Dazu brauche ich die anderen Europäer, die wollen das aber nicht. Also wenden sich die Gutmeinenden nach aussen und laden andere ein, in grosser Zahl, aber weitab vom notwendigen kulturellen Unterbau. Die gesamte Energie wird nun auf die “Integration” gerichtet, obwohl klar ist, dass auch mit äusserster Anspannung aller Ressourcen nicht mehr dabei herauskommen kann als Millionen von mittelmässig bis sehr unzufriedenen Niedriglöhnern und Sozialfällen, mit ein paar wenigen Ärzten und Professoren dazwischen. Wer aus dieser Gruppe will sich wohl in eine “Gesellschaft” integrieren, die ein negatives, passives und schuldorientiertes Selbstbild hat und zur eigenen Heilung immer nur “helfen” und “retten” will? Stattdessen gehen selbstbewusste und von Selbstzweifeln (und Selbstreflektion) freie Minderheiten zum Kaperangriff über. Die Ressource Bildung zerrinnt derweil in den jungen Generationen unter fortwährenden “Reformen” und konsequenter Abkehr vom Leistungsprinzip. Spannende Frage: kann sich das Land aus dieser Gefahrenlage noch selbst befreien, oder ist die Eigensedierung schon zu stark, wie bei einem Erfrierenden, der nichts mehr spürt und Wärme zu empfinden glaubt?

Steffen Lindner / 25.02.2017

Der Artikel macht deutlich ,wo die wahren Feinde Deutschlands sitzen: Im Kanzleramt bzw. der Regierung. Wann wacht die sogenannte ” bürgerliche Mitte” speziell im Westen endlich auf, die sich bisher in vorauseilender Unterwerfung von der AfD und Pegida distanziert, anstatt vereint Widerstand zu leisten?

Olaf Romer / 25.02.2017

Vielleicht erlaubt mir ja mein wohlgesonnener Iman um die Ecke noch das ein oder andere als Ungläubuger..

Georgina Vogel / 25.02.2017

Bei dieser Art täglicher Aushandlungen werden stets die Stärkeren gewinnen, die Anderen dürfen sich mit ihrer Toleranz, ihrem Mitgefühl etc. zufrieden geben und sich damit einrichten. Die, die “schon länger hier leben”  sind Jene, die mit sich handeln/aushandeln lassen sollen. Wie derlei aussehen kann zeigen die “Aushandlungsprozesse” von diversen “Grossfamilien”, im Strasssenverkehr, im Wohnumfeld usw. Nein, das ist kein Projekt der Demokratie- es ist ein verblendetes Machtprojekt. Wo diese liegen soll, diese Macht, wird, wenn auch unausgesprochen, deutlich.

Dr. Gerd Brosowski / 25.02.2017

Frau Özoguz mag von einer Perikleischen Neuen Welt träumen, in der kluge und rücksichtsvolle Menschen ihren Tag in ständigem Abwägen ihrer Interessen gestalten. Worauf ihr Vorhaben tatsächlich hinausläuft, kann man einem großen historischen Experiment ablesen: Der Eroberung des ehemals römischen Balkans durch die Osmanen. Dort, wo bisher der römische Sinn für Recht und Gesetz wirksam gewesen war, traten nun Stammesgesellschaften auf. Konflikte wurden in der Regel nicht ausgehandelt und gelöst, sondern in eine endlose Kette von Fehden verschleppt; ganze Sippschaften überzogen sich generationenlang mit Blutrache. Stammesgesellschaften waren über viele Tausende von Jahren die Lebensform von uns Menschen; Recht und Gesetz sind spät aufgetreten ; der Rückfall in tribalistische Strukturen lauert als böse Möglichkeit im Hintergrund. Und schließlich haben so manche der Sippschaften, welche in unseren Städten ihre sog. Parallelgesellschaften aufziehen, nichts anderes als Stammesstrukturen kennen gelernt. Also beste Voraussetzungen dafür, dass Frau Özoguz und ihre Mitstreiter die Balkanisierung Deutschlands ins Werk setzen.

Thomas Krohn / 25.02.2017

Super!Diesen Text bitte in der “Welt” auf Seite 1 veröffentlichten!

Steffen Kallinowsky / 25.02.2017

Sehr geehrter Herr Broder, Sie schreiben am Ende: “Wir aber machen uns lieber Gedanken um die Zukunft der USA.” Nein - ich mache mir keine Gedanken um die Zukunft der USA, aber um wesentliche Personen der dortigen Adminstration, deren Ziele eindeutig auf eine Zerschlagung der EU und Schwächung der Bundesrepublik Deutschland hinauslaufen. Dies macht mir mehr Sorgen als das “Mulltikulti-, Gender und Correctness-Gedöns” und “Untergang des Abendlandes-Gejammer”. Es wäre schön wenn man am Tisch der Transatlantiker deutlich über deutsche / europäische Interessen reden würde. Schon das immer wieder vorgebrachte Eingeständnis deutscher Handelsüberschüsse in die USA zeugt von der üblichen unterwürfigen Haltung. Und wenn man schon dabei ist, kann man auch über den/die Verursacher der Flüchtlingsbewegungen und ihrer Folgen reden. Am Ende, ganz am Ende, kommen wir dann zur Diskussion was für eine Gesellschaft wir wollen.

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