Beda M. Stadler, Gastautor / 20.12.2007 / 15:05 / / Seite ausdrucken

Die Debatte ist nie vorüber

«The debate is over», die Debatte ist vorüber, scheint zu einem epidemischen Satz zu werden. Erstmals wurde er einst vom obersten amerikanischen Gesundheitsschützer Richard Carmona verwendet, als er behauptete, Passivrauchen sei ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko. Nun, diese Debatte scheint nicht vorbei zu sein. Es gibt immer noch Passivraucher, die den Duft der grossen Welt lieben. Der Klima-Alarmist Al Gore liebt diesen Satz geradezu. Bei seiner ersten Ansage drohte uns allen noch ein meterweiser Anstieg des Meeresspiegels. Bei jeder weiteren Ankündigung, die Debatte sei vorüber, scheint sich der drohende Meeresspiegel zu senken. In der neuesten Ausgabe des «International Journal of Climatology of the Royal Meteorological Society» steht zudem, CO2 habe nur einen vernachlässigbaren Einfluss auf unser Klima…

«The debate is over» animiert zum Handeln. Beim Passivrauchen liegt die Lösung auf der Hand, wir brauchen eine rauchfreie Schweiz und beim Klima hat der mittelalterliche Ablasshandel mit CO2 Emmissions-Papieren eingesetzt. Es ist nicht mehr nötig zu debattieren, es kann blindlings gehandelt werden. Das wärmere Klima hat so tiefgreifende intellektuelle Folgen, dass es sogar schon Biobauern geben soll, die ein schlechtes Gewissen haben, weil ihre Art von Landwirtschaft nicht gerade sehr CO2 freundlich ist. Es gibt Leute, die sorgen sich im wahrsten Sinne des Wortes um einen Kuhfurz.

Trotzdem mehren sich die Kritiker, die den Debattenstopp wieder aufheben möchten, so zum Beispiel der tschechische Staatspräsident Václav Klaus, den man allerdings gemeinhin als Klima-Leugner denunziert. Ich hoffe bloss, man setzt diese Art von Leugner nicht auf die Stufe der Holocaust-Leugner. Es gibt Kanadier, die debattieren wollen, weil alle Welt nur an das mögliche Verschwinden der Malediven denkt, aber kein Erbarmen mit den wesentlich zahlreicheren kanadischen Bauern hat, die bloss eine kurze Zeit im Jahr ihren Boden nutzen können. Fruchtbare Äcker liegen brach, auf denen man viel anpflanzen könnte, nicht nur Kokosnüsse wie auf den Malediven.

Mich fasziniert die Idee, dass Bürokraten oder Politiker mit einem Satz eine wissenschaftliche Debatte beenden wollen. Warum hat das noch niemand mit der Gentechnik versucht? Da wird ständig debattiert. Obwohl oft eine klare Faktenlagenlage vorliegt: zum Beispiel ist gentechnisch veränderter Mais gesünder als Biomais, weil er erwiesenermassen weniger Mykotoxine enthält.

Vielleicht kann man eine Debatte mit Vernunft beenden. Bei der Klimadebatte liegt es auf der Hand, dass wir erstens nicht wissen, welche Idealtemperatur auf diesem Planeten eigentlich herrschen soll und zweitens, falls die Temperatur steigt, wir uns endlich darauf einstellen sollten. Vielleicht gefällt es der Mehrheit der Menschen auf diesem Planet, wenn er etwas wärmer wäre? Eigentlich sollten wir froh sein, dass es wärmer und nicht kälter wird. Sicher ist hingegen, dieser Planet ist noch nie bei einer Temperatur stehen geblieben. Die Welt verändert sich auch ohne uns.

Bei der Gentechnik scheint sich die Vernunft durchzusetzen und ein Ende der Debatte anzukündigen. So hat kürzlich der polnische Erzbischof Jozef Zycinski seine Schäfchen aufgerufen, sich endlich nicht mehr vor Genfood zu fürchten. Er habe noch nie die geringste Evidenz gesehen, dass gentechnisch veränderte Nahrungsmittel eine Bedrohung für das menschliche Leben seien (Belustigte Bemerkung des Kolumnisten: Für einmal wären sich Kirche und Wissenschaft einig!). Der Erzbischof meinte auch, ein wenig Mut sei schon nötig, damit eine Gesellschaft existieren und normal funktionieren könne.

Persönlich würde ich es trotzdem vermissen, falls die Gentechnikdebatte nun vorüber wäre. Wir sollten nämlich nicht aufhören über Wissenschaft zu debattieren, sonst müssen wir am Ende wieder zu glauben beginnen.

Zuerst erschienen am 16. Dezember 2007 in der NZZ am Sonntag

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