Thomas Rietzschel / 16.03.2017 / 13:00 / Foto: Kolossos / 8 / Seite ausdrucken

Die Chinesen schenken Trier einen Führer

Nachdem die Römer Reißaus genommen und Trier den Vandalen überlassen hatten, war in der Stadt an der Mosel nicht mehr viel los. Die Geschichtsträchtigkeit des Ortes hielt sich fortan in Grenzen. Nicht einmal Karl Marx, der dort geboren wurde und zur Schule ging, ist dazu viel eingefallen. Außer dem biographischen Zufall verband ihn wenig mit dem Krähwinkel an der Mosel. Das soll sich nun ändern. Anfang der Woche hat der Stadtrat mit 42 gegen 7 Stimmen, bei 2 Enthaltungen beschlossen, dem „großen Philosophen“ ein überlebensgroßes Denkmal errichten zu lassen, 6,3 Meter hoch inclusive Sockel.

Bauherr des Monuments ist das kommunistisch regierte China. Anlässlich des 200. Geburtstags ihres Säulenheiligen macht sie den Trierern den Koloss zum „Geschenk“. Die Freude darüber könnte bei den Stadtvätern kaum einhelliger sein. „Dass das größte Land der Erde an die kleine Stadt Trier denkt, das ist doch toll“, schwärmt der Baudezernent  Andreas Ludwig, kein Mitglied der LINKEN, nicht einmal der SPD, sondern einer aus den Reihen der CDU. Die Tonlage ist unisono. Manche sprechen von einer „großen Anerkennung“, andere gar von einer „Ehre“ für die Stadt.

Sie wissen, was sie tun

Mein Güte! kann man da nur sagen. Du lieber Himmel, habt ihr noch alle Tassen im Schrank? Wenn die Kommunisten dieser ideologischen Expansion der Chinesen mit diebischen Vergnügen applaudieren, die Ausstellung der Statue als eine „Bereicherung“ empfinden, ist dagegen nichts einzuwenden. Auch Marx als historische Figur ist nicht das Skandalon; er ruht sicher begraben in London. Noch muss man über die Genossen aus China herziehen. Sie wissen nur zu gut, was sie tun, wenn sie der bürgerlichen Gesellschaft das Monument des Mannes vor die Nase setzen, der sie zerstören wollte. Das alles versteht sich geradezu von selbst.

Anlass zur Sorge gibt vielmehr der geistige Verfassung von bürgerlichen Politikern, deren historische Unbildung an Verblödung grenzt. Wenn sie es „toll“ finden, Marx monumental auf den Sockel zu heben, stellen sie sich nolens volens hinter einen Ideologen, der der Demokratie den Garaus machen wollte. Schon in seinem 1847/48 gemeinsam mit Friedrich Engels verfassten „Kommunistischen Manifest“ heißt es, dass die Arbeiterklasse eine „Avantgarde“ brauche, eine unumschränkt herrschende Partei - die „Diktatur des Proletariats“, wie es Marx später in seiner Schrift „Über die Klassenkämpfe in Frankreich“ bündig formulierte.

Keine Ehre wert

Doch wer mag sich in Trier heute noch soweit auf die Geschichte einlassen, wenn es gilt, endlich den Verkauf des defizitären Flughafens Hahn an die Chinesen unter Dach und Fach zu bringen? Wenn es sein muss, lassen sich die politischen Vertreter des Bürgertums dafür auch gern von den Erben der kommunistischen Ideologie zum Narren halten. Kaum einer der Trierer Stadträte wagte es, sich gegen das unanständige Angebot aufzulehnen.

Lediglich der Grüne Reiner Marz wendete vorsichtig ein: „Wer ein Geschenk annimmt, ehrt den Schenkenden. Die Kommunistische Partei Chinas ist keine Ehre wert.“ Auch die AfD ließ zaghaft verlauten: „Marx hat die parlamentarische Demokratie abgelehnt.“ Die CDU indes wollte sich mit Widerspruch nicht hervortun. Wie die SPD kuschte sie vor dem Reich der Investoren, ohne sich weiter um ihre angestammte, die bürgerliche Gesinnung zu scheren.

Wenn er denn im kommenden Jahr aufgerichtet sein sollte, gibt es mit dem Koloss von Trier eines neues Mahnmal deutscher Geschichtsvergessenheit. Für viele sicher Grund genug, in die Stadt zu reisen, aus der die Vandalen einst die Römer vertrieben. 

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Johannes Lambert / 17.03.2017

Ich möchte allen, die sich hier outen, eine Frage stellen. Hand aufs Herz: Habt Ihr das Hauptwerk von Karl Marx gelesen? Einer meiner Söhne hat Philosophie studiert, dieses Werk gelesen und sagt mir, dass Marx ein ganz nüchterner Analytiker war. Ein anderer Sohn studierte in England politische Volkswirtschaft, einer seiner sehr geschätzten Professoren verstand sich dort als Marxist. Man kann Marx für die Verbrechen von Lenin und Stalin so wenig verantwortlich machen wie Luther für die Gräuel des 30jährigen Krieges. Und selbst wenn es so wäre: Neben der Porta Nigra, dem Dom, den Kaiserthermen und dem – als Ausgrabungsort von Gladiatorenkämpfen (!) moralisch höchst zweifelhaften - Amphitheater bekommt Trier eben eine weitere Touristenattraktion. Dem Stadtrat in Trier waren die kommunalen Interessen ersichtlich wichtiger als die Teilnahme an den ideologischen Schlachten des 19. Jahrhunderts.

Dirk Jungnickel / 17.03.2017

Im Rathaus von Trier sollte man auf einer Tafel den derzeitigen Stadtvätern gewidmet eine Inschrift anbringen : „O sancta simplicitas!“

Helmut Driesel / 16.03.2017

Die Chinesen meinen damit sicher "Wir können alles, sogar Marx!" Andererseits wird es vielleicht nicht lange dauern, bis jemand Klage einreicht, denn ein notorischer Raucher und Rassist auf einem Denkmalssockel in einem Land, wo das glutfreie Gutmenschentum sozusagen Staatsreligion ist - vielleicht stricken die Mütter der mächtigen Trierer Mafiosis dem berühmten Kopf eine passende Michelmütze. Damit ihn Uneingeweihte nicht für einen Juden halten.

Matthias Junglewitz / 16.03.2017

Das hat ein Grüner gesagt? Lechez-moi. Hätte ich ihm nicht zugetraut. Auf jeden Fall wird die Marx Statue zu einem Tourismusmagnet und abends in der Kneipezu einer üblen verbalen Attacke gegen die Rückgratlosen Politker. Die haben jetzt schon verloren. Die Marxstatue wird zum Witzobjekt in Deutschland.

Werner Lange / 16.03.2017

"Bauherr des Monuments ist das kommunistisch regierte China." Mit Verlaub, grundlegendes Merkmal des Kommunismus ist die Vergesellschaftung der Produktion, das gesellschaftliche Eigentum an Produktionsmitteln. Davon kann weder in China noch in den vielen deutsche Firmen die Rede sein, die von den "chinesischen Kommunisten" aufgekauft wurden und werden. Es wäre wohltuend, wenn das undifferenzierte Vokabular des Kalten Krieges allmählich verschwände.

Johannes Igel / 16.03.2017

Noch ein Hinweis. Der Baudezernent ist seinen Aufgaben nicht gewachsen. Man kann das auch daran erkennen, dass er als Bürgermeister in Bad Kreuznach wegen Unfähigkeit abgewählt wurde. Seine Aussage überrascht mich daher nicht.

Wilfried Cremer / 16.03.2017

Vom alten Kulturraum des Mittelmeers führt nur eine Fluss- und Straßenachse strikt nach Norden, nämlich die über Rhone, Saone und Mosel (deren Kanalverbindung schon die Römer andachten) und lädt, bevor es kurvig bzw. bergig wird, zum Verweil, und wo? Na, im schönen Trier!

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