Wolfgang Mayr, Gastautor / 20.12.2017 / 14:04 / Foto: Ben.83 / 5 / Seite ausdrucken

Die Bürgermeisterinnen machen Politik

Von Wolfgang Mayr.

Nicht nur die Prügelgarde der Guardia Civil scheint in Spanien Probleme mit demokratischen Ideen zu haben. Auch ihre Brüder in Uniform, die Hauptstadt-Polizisten, hängen rechtsradikalem Gedankengut nach. Die Online-Zeitung El Diario veröffentlichte schockierende Statements Madrider Polizisten. Sie wünschen ihrer linken Bürgermeisterin Manuela Carmena einen qualvollen Tod.

Per WhatsApp tauschten sich die Ordnungshüter der spanischen Hauptstadt über die Bürgermeisterin aus. Vor zweieinhalb Jahren zog Carmena mit ihrem Bündnis „Ahora Madrid“, von der Linksformation Podemos gestützt, in das Rathaus ein. Offensichtlich zum Ärger vieler Polizisten, die sie als „große rote Scheiß-Hurentochter“ beschimpfen und ihr den Tod wünschen: „Die alte Hure soll endlich verrecken.“

Die pöbelnden Polizisten bekennen sich als Erben des 1975 verstorbenen Faschisten Franco, „Faschismus ist Freude“, textete einer. Mehr als 100 Beamte outeten sich, laut El Diario, als Rechtsradikale, „Hitler ist ein guter Mann gewesen“, fand einer der Polizisten, ein anderer fügte hinzu, dass mit ihm „die Schornsteine rauchen würden“.

Fortsetzung des Bürgerkrieges

Die Beamten möchten den Bürgerkrieg von General Franco fortsetzen, gegen „dreckige Neger und Hurensöhne", gegen „die Roten“, für das „eine, große und freie Spanien". „Töten ist unser Motto." Wie, darüber haben die Polizisten klare Vorstellungen. „Ich würde den Gashahn öffnen, um sie zu entlausen", empfahl ein Ordnungshüter. Zu den erklärten Feinden der Truppe zählen auch Journalisten, Podemos und die Republikanische Linke Kataloniens, ERC.

Beliebteste Zielscheibe des uniformierten Hasses ist aber die Madrider Bürgermeisterin. Die chattenden Polizisten bedauern, dass sie vor 40 Jahren einen Anschlag von Rechtsradikalen auf ein linkes Anwaltsbüro überlebt hat. Die Bürgermeisterin ist bei der Hundertschaft auch deshalb nicht sonderlich beliebt, weil sie den Einsatz der Guardia Civil beim verbotenen katalanischen Unabhängigkeitsreferendum als einen schlimmen Fehler bezeichnet hatte.

Ein Aufschrei über die Hass-Kommentare blieb aus. Im Gegenteil, die Polizeigewerkschaft kritisierte den Beamten, der die Nachrichten an El Diario weitergereicht hatte. Seine polizeiinternen Hinweise wurden ignoriert. Die Polizei-Gewerkschafter empfinden es als eine Schande, dass ein Mitglied des Polizeikorps gegenüber den Medien petzte. Der Polizist erhält inzwischen Todesdrohungen.

Die EU straft Barcelona ab

Die katalanische Hauptstadt Barcelona wurde nicht zum Standort der Europäischen Arzneimittelagentur EMA, wahrscheinlich wegen der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung. Bürgermeisterin Ada Colau bemühte sich vergeblich, die Agentur in ihre Stadt zu holen.

Nicht nur die EU sanktioniert die unbotmäßigen katalanischen Unabhängigkeitsträumer. Mehr als 1.700 Unternehmen haben ihren Firmensitz aus Barcelona verlegt; auch die Touristen bleiben aus, aus Angst vor Unruhen.

Der kastilisch-katalanische Konflikt ist noch nicht beigelegt. Er gärt weiter. Daran werden auch die von Madrid erzwungen Regionalwahlen nichts ändern. Laut Umfragen führen derzeit die Unabhängigkeitsparteien knapp vor den spanischen Unionisten. Es ist die Chance für das linksalternative Bündnis „Katalonien gemeinsam“ und seine Spitzenfrau Colau. Es wird von ihr abhängen, wenn man den Umfragen glauben darf, wer die Mehrheit im künftigen Regionalparlament haben wird.

Die Frau zwischen den Fronten

Die Bürgermeisterin von Barcelona bewegte sich in den letzten Monaten recht geschickt zwischen den Zentralisten und den Befürwortern der Unabhängigkeit. Sie lehnt eine katalanische Unabhängigkeit strikt ab, nicht aber ein Referendum darüber; sie war konsequent gegen den von Madrid angeordneten Polizeieinsatz. Colau solidarisierte sich mit den inhaftierten katalanischen Politikern und Aktivisten.  

Ministerpräsident Rajoy wird das alles nicht schätzen. Colau ist mit Podemos verbandelt, eine scharfe Kritikerin der konservativen Regierung in Madrid. Für Rajoy mindestens so schlimm wie die katalanischen Nationalisten. Während der Immobilienkrise organisierte die damalige Hausbesetzerin Colau Proteste der Betroffenen. Sie wehrte sich gegen die Zwangsräumungen, die von der Guardia Civil mit Gewalt durchgeführt wurden. Colau nannte Banker, die für die Finanzkrise und für die folgende Wirtschaftskrise verantwortlich seien, „Kriminelle". Für Rajoy muss Colau ein politischer Albtraum sein.

2015 besiegte Colau und ihr Podemos-nahes Bündnis „Barcelona gemeinsam“ die konservativ-liberale katalanische Partei CiU. Die Partei der Regional-Autonomie entwarf Ende der 70er Jahre das erste weitreichende Autonomiestatut, versank dann aber im Korruptionssumpf. Die alternativen basisdemokratischen Linken gewannen und bildeten mit den PSOE-Sozialisten die Stadtregierung. Wegen den zentralistischen Positionen wurden die Sozialisten inzwischen aus der Stadtregierung geworfen; die Katalanisten unterstützen Colau.

Colau hielt sich diplomatisch aus dem kastilisch-katalanischen Konflikt heraus. Stimmen die jüngsten Umfragen, wird es auf Colau und ihre Liste ankommen, wer nach dem 21. Dezember die Regionalregierung in Barcelona bilden wird.

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Leserpost

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Wolfgang Kaufmann / 20.12.2017

Die EU fürchtet offenbar einen Domino-Effekt, wenn nach den Katalanen noch weitere Regionen die Unabhängigkeit selbst den fettesten EU-Subventionen vorziehen sollten. Berlin darf sich unterdessen rühmen, dass die geschäftsführende Kaiserin die stärkste Stütze der lupenreinen Demokraten Juncker, Verhofstadt und Timmermanns ist. Einzig für diese moralisch überlegene Elite geht das Aufbegehren im Osten im Grundrauschen der eigenen Selbstbeweihräucherung unter. In Spanien wie in der EU fällt der Zentralmacht nichts Besseres ein, als den Unbotmäßigen mit Zwang zu drohen: Guardia Civil gegen Barcelona bzw. „nukleare Option“ gegen Polen. Man sieht: Diese Bündnisse haben abgewirtschaftet, ihre Magie ist verflogen.

Petra Wilhelmi / 20.12.2017

Zitat: “Die Bürgermeisterin von Barcelona bewegte sich in den letzten Monaten recht geschickt zwischen den Zentralisten und den Befürwortern der Unabhängigkeit. Sie lehnt eine katalanische Unabhängigkeit strikt ab, nicht aber ein Referendum darüber; ...” Das heißt doch im Klartext, dass sie das Referendum nur nicht verbieten will, weil sie meint, dass sie dann besser dastünde und ihren Job nicht gefährden würde. Sie würde also nur ein Ergebnis akzeptiere, dass keine Mehrheit für ein Exit aus Spanien ergeben würde. Für solch ein Ergebnis muss man kein Referendum machen. Die Dame ist doppelzüngig und es erschließt sich mir nicht, was geschickt daran sein soll.  Es ist eine typische linke Haltung: Ich akzeptiere nur, was mir passt, ihr könnt abstimmen, was ihr wollt.  Im Gegenteil, ich finde es äußerst ungeschickt, den Bürgern zu sagen, dass es egal sei, was der Bürger mache, sie revidiere ihre Meinung sowieso nicht und der Bürgerwille wäre ihr egal. Das ist die totale Überheblichkeit. Da lobe ich mir doch die, die das Rückgrat haben, klar Stellung zu beziehen, so oder so. In meinen Augen ist die Dame unfähig.

otto sundt / 20.12.2017

Die Mossos de Esquadra haben 2011 oder 12 mal eine Demonstration in Barcelona zusammengeknüppelt. Wohlgemerkt, das war eine Separatistendemontration. Die Fotos wurden anlässlich des 1. O von “alternativen Medien recycelt.  Der Artikel zeigt aber wunderbar wie nervös und hysterisch Podemos schon vor ihrer sicheren Wahlniederlage in Katalonien ist. Die Feinde des spanischen Staates benutzen übrigens die selben Verbalinjurien und hätten auch gerne ein Netzwerkdurchsetzungsgesetz zum Schutze des Genderismus und Ähnlichem.

Jan Trammer / 20.12.2017

Leider einer dieser Zeitgeistartikel, welche sich auf eine Seite schlägt. Da die Bösen, dort die leuchtende linke Aktivistin. Auch kann ich den Bezug zu dem Anschlag von Rechtsradikalen auf ein linkes Anwaltsbüro nicht zuordnen, da nichts dazu in der Wiki steht und die Dame da um die 3 Jahre alt gewesen wäre.

Siegfried Bescht / 20.12.2017

“Madrider” gibt es nicht. Jemand oder etwas aus Madrid ist madrileno/a (ja, ich weiß, über das “n” muss ein “~”) - oder auf deutsch “madrilenisch”. Bitte, das können Sie besser.

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